Essen. Lange Zeit hatte die einrichtungsbezogene Impfpflicht keine Konsequenzen. Doch nun fallen in Essen ungeimpfte Pflegekräfte bis Jahresende aus.
Offiziell gilt die einrichtungsbezogene Impfpflicht seit März: Seither mussten sämtliche Beschäftigte von Krankenhäusern, Arztpraxen und Pflegeheimen einen vollständigen Impfschutz gegen das Coronavirus nachweisen. Doch Verstöße wurden lange nicht geahndet: Noch im August hatte die Stadt Essen kein einziges Betretungs- oder Tätigkeitsverbot gegen ungeimpfte Mitarbeiter in Pflege und Gesundheitswesen ausgesprochen. Das hat sich geändert: Etwas mehr als 100 Betroffene können ihrer Arbeit bis zum Jahresende nicht nachgehen – dann läuft die Impfpflicht schon wieder aus.
Das Melde- und Prüfverfahren hatte sich als äußerst aufwendig erwiesen, Fristen mussten geändert werden. Von den gemeldeten Fällen erledigten sich bis Mitte Juli mehrere Hundert, weil die Betroffenen die Impfung nachholten oder schlicht nur versäumt hatten, einen vorhandenen Impfausweis vorzulegen. Alle verbliebenen Beschäftigten ohne Impfschutz mussten vom Gesundheitsamt erst angehört werden. Dann konnten sie noch Rechtsmittel einlegen.
NRW-Gesundheitsminister wollte Impfpflicht „auf den Prüfstand stellen“
Währenddessen zeigte die hochansteckende Omikron-Variante, dass die Impfung – anders als erhofft – eine Corona-Infektion nicht ausschließt. Das Hauptargument für die einrichtungsbezogene Impfpflicht war damit stark erschüttert. Daher ermunterte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) die Bundesregierung im Sommer, die Impfpflicht „dringend auf den Prüfstand zu stellen“. Der Zwischenruf wurde nicht erhört, die Prüfungen liefen weiter. Inzwischen sind in Essen 690 Verfahren abgeschlossen, „beispielsweise durch Nachweis eines vollständigen Impfschutzes oder Beendigung der Tätigkeit“, wie Stadtsprecherin Jasmin Trilling mitteilt.
Immerhin 846 Verfahren sind laut Trilling „momentan noch aktiv“: Darunter sind auch Fälle von langzeiterkrankten Personen oder solchen, bei denen es eine aktuelle Genesung nach einer Corona-Infektion gibt. Und wer nur zwei statt der ursprünglich vorgeschriebenen drei Impfungen vorweisen kann, darf nun aufatmen: „Das Verfahren ist quasi ebenfalls abgeschlossen, da eine dritte Immunisierung nicht mehr nachgewiesen werden muss“, sagt Jasmin Trilling.
Klageverfahren zur Impfpflicht wurden noch nicht entschieden
In Essen laufen noch 846 Verfahren des Gesundheitsamtes, die nicht oder unzureichend geimpfte Beschäftigte in Pflege und Gesundheitswesen betreffen. 293 der Betroffenen arbeiten in Krankenhäusern, 92 in Arztpraxen, 208 in Pflegeeinrichtungen, 13 bei ambulanten Pflegediensten. Der Rest verteilt sich auf andere Einrichtungen.
Nicht alle Betroffenen akzeptieren Sanktionen. So liegen aut Stadt sieben Klageverfahren vor: Eilanträge wurden hier abgelehnt, die Entscheidungen in den Hauptsacheverfahren stehen noch aus.
Auch von den 160 Tätigkeits- und Betretungsverboten, die das Gesundheitsamt bis heute erlassen hat, haben sich etliche schon wieder erledigt: Etwa weil die Betroffenen doch noch eine ausreichende Immunisierung belegen oder einen Genesenen-Nachweis vorlegen konnten, wie Trilling mitteilt. Manche ungeimpfte Beschäftigte verließen von sich aus das Unternehmen, so dass sich das Tätigkeitsverbot erübrigte. Auch akzeptiert die Stadt alle „Unabkömmlichkeitserklärungen“ von Arbeitgebern, sofern sie dem entsprechenden Erlass von Mai 2022 aus dem NRW-Gesundheitsministerium entsprechen. Stadtweit greifen so nur etwas mehr als 100 Verbote.
Essener Krankenhaus muss auf 44 ungeimpfte Beschäftigte verzichten
Etwa bei den Evangelischen Kliniken Essen-Mitte (KEM), die auf Unabkömmlichkeitserklärungen verzichtet haben, „obwohl wir jeden Mitarbeiter vermissen, der uns nicht zur Verfügung steht“, wie Dr. Andreas Grundmeier als Corona-Einsatzleiter der KEM betont. Man sehe sich als Gesundheitsunternehmen jedoch in der Verantwortung, die Umsetzung des Gesetzes zu unterstützen. Auch wenn Omikron die Grundidee der Impfpflicht infrage stelle und die FFP2-Maske wohl den besten Schutz vor Ansteckung biete. „Wir halten aber die Grundrichtung für gut, an Arbeitskräfte in einem Krankenhaus besondere Anforderungen zu stellen.“
In der Konsequenz müssen die KEM nun auf 44 ihrer 2780 Beschäftigten verzichten. Mit einem Betretungs- und Tätigkeitsverbot wurden Techniker, Verwaltungsleute, Ärzte belegt, vor allem aber die so wichtigen Pflegekräfte. Entlassen seien sie selbstverständlich nicht, Anfang 2023 könnten sie an den Arbeitsplatz zurückkehren. Die Zeit bis dahin müssten sie überbrücken, etwa durch (unbezahlten) Urlaub.
Einige Kliniken haben Impfquoten von fast 100 Prozent
An der Uniklinik hat lediglich 17 von gut 10.000 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen das Verbot ereilt; auch hier sind vorwiegend Pflegekräfte betroffen. „In wenigen Ausnahmefällen, in denen ein Patientenkontakt sicher ausgeschlossen werden kann, wurden Unabkömmlichkeitserklärungen ausgestellt.“
Das Krupp-Krankenhaus mit einer Impfquote von über 98 Prozent erreichten nach und nach nur einige wenige Betretungs- und Tätigkeitsverbote, heißt es dort. Ein ähnliches Bild gibt es bei der Contilia, die derzeit unter einem hohen Krankenstand beim Personal leidet. Nicht oder unzureichend geimpfte Beschäftigte spielten hier „allerdings keine Rolle“.
Auch andere Arbeitgeber scheinen sich weitgehend mit der Impfpflicht zu arrangieren: Laut Stadt würden zwar noch mehrere Fälle geprüft, bisher habe man aber keine Bußgeldverfahren eröffnet.