Essen. Hunderte Essener Schülerinnen und Schüler folgten einem Aufruf bei Instagram: Sie fotografierten Mängel in Klassenzimmern und auf Schulklos.
Neue Bilder vom baulichen Zustand Essener Schulen, lösen stadtweite Aufmerksamkeit aus. Die Fotos wurden dem Vernehmen nach großteils von Schülerinnen und Schülern gemacht. Sie kamen damit kürzlich einem Aufruf im sozialen Netzwerk Instagram nach und dokumentierten kaputte Schultoiletten, zerstörte Klassenzimmerwände, verschmierte Spülsteine.
Den Aufruf hatte der Instagram-Account „Essen diese“ gestartet. Bei diesem handelt es sich um eine Satire-Plattform, die mit Bildwitzen mit Essener Klischees spielt und sich in dem sozialen Netzwerk höchster Beliebtheit erfreut. „Essen diese“ hat derzeit knapp 52.000 Nutzer, die die Veröffentlichungen auf ihrem Handy zu sehen bekommen – für eine rein lokale Plattform ein sehr hoher Wert.
„Das Lachen ist uns vergangen“
Als „Essen diese“ die Nutzer bat, Fotos von Essener Schulen zu schicken, wurden die Macher regelrecht überschüttet mit Bildern – sinngemäß reagierte man anschließend so: „Wir wollten eigentlich was Witziges unter Eure Fotos schreiben, aber das Lachen ist uns vergangen.“ Dazugestellt wurden die schlimmsten Bilder der krassesten baulichen Zustände. Zu sehen waren: verschimmelte Wände, kaputte und gesperrte Toiletten, Risse in Wänden, offene Leitungen, Decken ohne Verkleidung, nackter Beton in Klassenzimmern.
„Wir haben hunderte Fotos aus vielen Schulen bekommen“, berichten die Macher von „Essen diese“ auf Anfrage unserer Redaktion.
Die Bilder erreichen hohe Verbreitung in einer Zeit, in der die Stadt Essen in den zuständigen Gremien eine Halbzeit-Bilanz zieht, was ihr aufwendiges Schultoiletten-Sanierungsprogramm angeht. Für – nach derzeitigem Stand – 51 Millionen Euro saniert die Bauverwaltung derzeit knapp 147 sanitäre Anlagen an den Essener Schulen. Das war vor fünf Jahren beschlossen worden, dauert noch weitere fünf Jahre; derzeit hat man etwa die Hälfte der anfallenden Arbeiten erledigt, heißt es in einer Vorlage der Bauverwaltung, mit der sich auch der Rat der Stadt am Ende des Monats befassen wird.
Ein Schulklo zu sanieren, ist so teuer wie ein Reihenhaus
Zu den teuersten Maßnahmen, die bislang abgeschlossen wurden, zählt zum Beispiel die Erneuerung der Schulklos an der Realschule im Bezirk Zollverein: Die bestehenden Anlagen zu sanieren, wäre offenbar so teuer geworden, dass man sich für einen Neubau entschied – auf dem Schulhof gibt es seit etwa einem Jahr ein Toilettenhäuschen, das modernsten Anforderungen entspricht. Die Verwaltung begründet wenig überraschend grundsätzliche Preissteigerungen und Budget-Übertretungen mit der Corona-Pandemie, Lieferschwierigkeiten und somit teuren Wartezeiten mit dem Ukraine-Krieg; außerdem habe es mehrere „unvorhersehbare Situationen“ wie das Hochwasser im Juli 2021 gegeben. Unterm Strich kostet derzeit im Schnitt die Sanierung einer Schulklo-Anlage so viel wie ein Reihenhaus in durchschnittlicher Lage – 350.000 Euro.
Die nun durchs Netz wandernden Fotos zeigen freilich mehr als kaputte Toiletten – besondere Prominenz hat das Foto eines mit Graffiti verschmierten Spülsteins erlangt, das in einem Kunstraum des Theodor-Heuss-Gymnasiums (Kettwig) entstand.
140 Millionen Euro Sanierungsstau an den Schulen
Fakt ist: Nicht nur die Toiletten in den Schulen müssen saniert werden. Bauliche Mängel durch Vandalismus und jahrzehntelanges Unterlassen von Modernisierungen gibt es so gut wie überall. Bereits vor Jahren wurde der Sanierungsstau an Essener Schulen auf rund 140 Millionen Euro taxiert; der damalige Leiter der Frida-Levy-Gesamtschule (Innenstadt) klagte über Schimmel und über defekte Fenster, die zugeschraubt werden mussten, damit die schweren Metallrahmen den Schülerinnen und Schülern nicht auf den Kopf fallen.
Für diese Schule gibt es mittlerweile Neubau-Absichten, genau wie für das – vermutlich durch Bergbauschäden – schief stehende Nord-Ost-Gymnasium und die Gesamtschule Bockmühle (Altendorf), in der nach starkem Regen unter anderem Räume in Obergeschossen nicht benutzt werden können. Es regnet seit Jahren rein.
Die Aktivitäten von „Essen.diese“
Im August hatte „Essen diese“ auch eine eigene Disco eröffnet – im Rüttenscheider Girardethaus gab es deshalb starken Andrang. Darüber hinaus sind Produkte mit dem Schriftzug „Essen diese“ mittlerweile stark begehrt – selbst die Traditionsbrauerei war kurzzeitig eine Kooperation mit „Essen diese“ eingegangen, hatte eine limitierte Anzahl von T-Shirts drucken lassen mit dem Logo „Stauder diese“.