Essen. Am Tag des offenen Denkmals gab der Verein Grugabad-Freunde Einblicke in die 1964 erbaute Anlage, die mehr sein wollte als eine „Badeanstalt“.

Seit 2020 ist das Grugabad mit seinen vier Becken ein Denkmal. Viele Essener kennen das von Architekt Gerd Lichtenhahn auf 58.000 Quadratmetern Fläche geschaffene Schwimmzentrum seit der Kindheit. Hier flitzte auch Carla Niehues gern von der großen Elefantenrutsche ins Nichtschwimmerbecken. „Die war richtig schnell“, weiß sie noch. Zum Tag des offenen Denkmals leitet Niehues die erste Badführung im Namen des Vereins Grugabad-Freunde.

Die große, offene und weitläufige Anlage des Grugabads symbolisiert auch die Aufbruchsstimmung der frühen 1960er Jahre.
Die große, offene und weitläufige Anlage des Grugabads symbolisiert auch die Aufbruchsstimmung der frühen 1960er Jahre. © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich

Am Südeingang startet der Rundgang durch die beliebte Freizeitstätte. Über der hängt am Morgen noch der Dunst vom nächtlichen Regen. Zwischen Auto- und U-Bahn, wirkt das weitläufige Gelände mit den vielen alten Bäumen und Liegewiesen wie eine Oase. Im 50-Meter-Sportbecken ziehen bei nur noch 16 Grad Außentemperatur, einige Schwimmer eifrig ihre Bahnen. Über das rote Pflaster geht es vorbei an der bis heute genutzten Schwimmmeisterwohnung und dem ehemaligen Laden für Badebekleidung und Sonnenmilch zum früheren Eingang.

Es gab sogar mal einen Friseursalon im Grugabad

Wo bis 1986 fünf Kassen standen, ist heute das Radfahrer-Übungsgelände. „Es gab hier sogar einen Friseursalon“, erzählt Niehues. Ging man dort vor oder nach dem Schwimmen hin? Niehues weiß es nicht und lacht. Das Grugabad sei eben nicht als Badeanstalt, sondern als „Gebäudekomplex“ geplant worden. Mit einer herausragenden Nachkriegsarchitektur, wie vielerorts geprägt von Innovationsgeist und Experimentierfreude.

Das frühere Schaltpult in den Technik-Katakomben des Grugabades in voller Schönheit.
Das frühere Schaltpult in den Technik-Katakomben des Grugabades in voller Schönheit. © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich

Seit 2018 gehört das Denkmal Grugabad zu den „Big Beautiful Buildings“, die im Europäischen Kulturerbejahr ausgezeichnet wurden. Die Bauten der wirtschaftlichen und teils auch gesellschaftspolitischen Aufbruchsjahre 1950 bis 1970 symbolisierten mit ihrer oft großräumigen und offenen Architektur eine bessere Zukunft, nun sind sie Erbe der Vergangenheit.

Die Kommandozentrale wirkt wie ein Relikt aus den ersten Folgen von Raumschiff Enterprise

Im Technikbereich, wo jeder Tropfen Wasser mehrmals am Tag gereinigt wird, ist es feuchtwarm und laut. Leichter Chlorgeruch liegt in der schweren Luft. Viele Hebel, Knöpfe und Anzeigen hat das riesige Schaltpult mit Blick auf die sechs blauen Wassertanks, die je 40.000 Liter fassen. Die Kommandozentrale wirkt wie ein Relikt der ersten Folgen von „Raumschiff Enterprise“. Damals hochmodern, heute überdimensioniert. „Das Pult wird nicht mehr genutzt, wir machen alles per Hand“, sagt Nico Krzykawsky. Er bedient als städtischer Mitarbeiter die Filteranlagen. Bis heute funktionierten die ursprünglichen Maschinen einwandfrei. Zum Technikraum haben Unbefugte aus Gründen der Sicherheit sonst keinen Zutritt. Die Führungen ins Herz des Bades sind eine Ausnahme.

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Vor wenigen Minuten schwamm Ellen Krüsemann aus Werden noch mit ihrem Ehemann im Sportbecken, nun schaut sie interessiert in das offene Filterbassin. Darin rauscht das Wasser wie in einem tosenden Bach. Über ein offenes Eisengitter kann man die Anlage überqueren. Der Fachangestellte für Bäderbetriebe geht voran. Heute werde in Essens Schwimmbädern ein Chlorgranulat verwendet, um ungetrübte Badefreuden zu ermöglichen, erklärt er weiter.

Über dem Geländer an der gekachelten Wand mit der Calziumhypochlorit-Dosieranlage zur Wasseraufbereitung hängen eine Reihe grüner Gummihandschuhe parat. Ein Schild warnt vor Säure und giftigem Chlorgas: Lebensgefahr!

Einblick auch in sonst verborgene Räume wie den Technikbereich gewährten die Führungen zum Denkmaltag. Hier sind die sechs großen Wassertanks zu sehen, die jeweils 40.000 Liter fassen.
Einblick auch in sonst verborgene Räume wie den Technikbereich gewährten die Führungen zum Denkmaltag. Hier sind die sechs großen Wassertanks zu sehen, die jeweils 40.000 Liter fassen. © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich

Das Wellenbecken war eines der ersten seiner Art und ist bis heute beliebt

Im Raum dahinter steckt die Technik der Wellenmaschine. Einmal in der Stunde sorgen drei Kompressoren seit 1964 zuverlässig für jeweils zehn Minuten Extra-Vergnügen. Zur Eröffnung war das Wellenbecken eines der ersten seiner Art, weiß Carla Niehues. Die tosende Meer-Simulation ist bis heute beliebt und wird per Knopfdruck gestartet.

Draußen geht der Rundgang weiter zum Eltern-Kind-Bereich mit dem modernen Abenteuerspielplatz. Wie in einem Delfin- oder Seehundbecken kann man durch die Fenster unterhalb des Sprungturms beobachten, wie die Schwimmer von oben ins Wasser eintauchen. „Dieses Becken ist ungeheizt“, sagt die Führerin und blickt nach oben.

Der an ein Fördergerüst erinnernde Turm hat vier Ebenen. Der höchste Absprung liegt luftige zehn Meter hoch. Das erfordert Mut. Wer`s wagt, erntet damals wie heute die Bewunderung der unten staunenden Badegäste. Aber erst wieder ab dem Frühjahr 2023. Denn die 59. Badesaison des lebendigen Denkmals wurde am Sonntag beendet. Nach der letzten Welle um 19 Uhr.

Verein der Grugabad-Freunde

Wer sich im Verein der Grugabad-Freunde engagieren möchte, kann Mitglied werden. Der Beitrag kostet zwölf Euro im Jahr. Der Verein unterstützt den Erhalt des Grugabades und setzt sich als Förderverein für die herausragende Sport- und Kulturstätte ein. Kontakt: info@grugabad-freunde.de

Wie das Grugabad entstanden in den 1950er bis 1970 Jahren viele moderne Schulen, Universitäten und Rathäuser, Kirchen, Kaufhäuser und Wohnsiedlungen. Sie galten als architektonisches Zeichen einer besseren Zukunft, sind wegen ihrer Kühle und Nüchternheit und der häufig offenen Beton-Bauweise allerdings später auch vielfach in Verruf geraten.