Essen. . Das Grugabad gilt als Paradebeispiel für die großzügige, „schwebende“ Bauweise der 1960er Jahre. Am Sanierungsstau ändert das allerdings nichts.
Wenn es in Essen etwas Gebautes gibt, das perfekt den Geist der frühen 1960er Jahre verkörpert, dann ist das neben einigen Hochhäusern das Grugabad. Das fand auch die Landesinitiative „Stadtbaukultur NRW“, die das Essener Freibad jetzt als „Big beautiful building“ auszeichnete.
In seiner Begründung schwärmte Geschäftsführer Tim Rieniets von der Großzügigkeit der Anlage, den zwei ineinander geschobenen Platten und Ebenen sowie der „schwebenden Tribüne“. Dass sich diese architektonische Qualität womöglich nicht jedem erschließe, dass sich viele überhaupt mit Nachkriegsbauten noch schwer täten, sei normal: „Erst die Urenkel begreifen den Wert von Architektur.“ So sei es bei anderen Stil-Epochen auch gewesen. Die als Patina verklärte jahrzehntelange Vernachlässigung mag ebenfalls bei manchem dazu beitragen, die Auszeichnung mit Skepsis zu sehen.
Die skulpturalen Bauten wie die Rutsche sind absolut denkmalwürdig
Dabei ist sie klar verdient. Neben den schwebenden Platten – im Luftbild gut erkennbar – sind es vor allem die skulpturalen Bauten, die dem Grugabad bereits 2017 in einem Gutachten Denkmalwürde bescheinigten. Der Sprungturm, der an ein Fördergerüst erinnert, sei da ebenso zu nennen wie die charakteristische Rutsche des Nichtschwimmerbeckens. Sie greift wohl nicht zufällig die Form von Elefantenrüssel auf.
Der Bau des Grugabads steht zudem räumlich, architektonisch wie auch von der „demokratischen“ Nutzungsphilosophie her in einem klaren Zusammenhang mit der Erweiterung der Grugaparks für die Bundesgartenschau 1965. Auch diese Nachbarschaft verschaffe dem Bad seine Einmaligkeit. „Niemand wird in nächster Zeit über eine Schließung diskutieren“, sagte Baudezernentin Simone Raskob, die den Preis im Namen der Stadt Essen entgegennahm.
Mögliche Umbauten beißen sich mit der bestehenden Architektur
Nicht geredet wurde während der Feierstunde über den Sanierungsstau von mindestens 13 Millionen Euro, der Schließung und Abbruch als mögliche Option schon ernsthaft auf die politische Tagesordnung brachte. Und selbst wenn dies vorerst vom Tisch ist: Die in der Zukunftswerkstatt Grugabad diskutierten baulichen Änderungen, etwa eine Überdachung des Schwimmerbeckens auf der oberen Platte, dürften kaum mit den architektonischen Qualitäten, wie sie jetzt noch einmal gewürdigt wurden, in Einklang zu bringen sein. Raskob gab sich auf Nachfrage dennoch optimistisch, dass dies möglich wäre.
Das Grugabad ist jenseits seiner Gestaltungsqualität für viele Essener vor allem eines: Erinnerung an Kindheit und Jugend. Als Steppke hat einen der schwimmbegeisterte Opa schon hingeschleppt, später lernte man kostenlos Schwimmen in den Kursen des Ferienspatzes, es folgten unvermeidlich die ersten Flirts, Küsse und Fummeleien. Für Teenies war das Freibad alternativlos, nicht wenige haben in den goldenen Grugabad-Zeiten der 1960er und 1970er Jahre ganze Sommer dort verbracht.
Das Wellenbecken als Chance, das Meer zu erleben - weitab vom Meer
Der schöne Satz von Stararchitekt Rem Koolhaas, Schwimmbäder seien „die demokratischsten Institutionen überhaupt“, war wohl so gemeint: Ob arm oder reich, alle tragen nur eine Badehose. Im Grugabad sorgte aber auch die Wellenmaschine für Demokratisierung. Zu einer Zeit, als längst nicht jeder Urlaub am echten Meer machen konnte, bot das Wellenbecken eine brauchbare Meer-Simulation – und auch diese Technik ist in die Jahre gekommen. Der positive Größenwahn der Grugabad-Erbauer hat den heute Verantwortlichen somit eine ziemlich große und vor allem teure Aufgabe hinterlassen. Und der verliehene Preis erhöht noch einmal den Druck, mit diesem Erbe gut umzugehen.