Essen. Neue Bänke in der Essener Innenstadt polarisieren: Sie erhöhen die Aufenthaltsqualität, sagt die Stadt. „Obdachlosenfeindlich“, finden Kritiker.
An den 27 neuen Bänken in der Essener Innenstadt scheiden sich die Geister: Aus Sicht der Stadt sollen die Bänke die Aufenthaltsqualität in der City erhöhen. Doch ehrenamtlich Aktive in der Obdachlosenhilfe empören sich, weil die Bänke eine Mittellehne haben und deshalb von Obdachlosen oder Bedürftigen nachts nicht als Schlaflager genutzt werden können. Auch im Netz eine Debatte entbrannt.
Veronika Maria Arning ist Gründungsmitglied des gemeinnützigen Vereins „FairSorger e. V.“, der sich um obdachlose und bedürftige Menschen kümmert. Sie sagt: „Mit den neuen Bänken setzt die Stadt Essen ein völlig falsches Signal, die Stadt wird dadurch bestimmt nicht lebenswerter.“ Sie betont ausdrücklich, dass sie als Privatperson spreche und nicht für den Verein. In einem Post auf ihrem Facebook-Profil hat sie für die neuen Bänke sogar das Attribut „menschenverachtend“ gewählt.
Die Stadtverwaltung hat auf Kritik an den neuen Bänken bereits reagiert. Stadtsprecherin Silke Lenz erklärt: „Die Entscheidung, ein Bankmodell mit einer zusätzlichen Armlehne beziehungsweise Ablagefläche zu wählen, wurde getroffen, um insbesondere älteren Menschen entgegenzukommen, da diese den Sitzkomfort erhöhen und eine Aufstehhilfe darstellen.“ Die Stadt habe sich für diese Art von Bänken entschieden, „um möglichst viele Menschen einzuladen, diese zu nutzen, und nicht um eine Personengruppe auszuschließen“.
Essener Stadtsprecherin: Zusätzliche Armlehnen kommen älteren Menschen entgegen
Veronika Maria Arning erwidert: „Diese Begründung kaufe ich der Stadt nicht ab.“ Ihrer Ansicht nach seien Bänke mit Mittellehne absichtlich gewählt worden, um Obdachlose zu verhindern oder abzuschrecken. Und sie fügt hinzu: „Wen stört es denn, wenn ein obdachloser Mensch nachts auf einer Bank im Schlafsack übernachtet?“ Die Mittellehne zwinge Obdachlose, auf dem Erdboden zu schlafen. Dass Obdachlose in der Nacht gefährdet sind, habe ein Vorfall im Juni gezeigt. „Unbekannte haben einen Mann mit weißer Farbe übergossen“, berichtet sie.
Auch die Macher der Instagram-Seite „Essen diese“, mit mehr als 50.000 Followern, haben sich in die Bank-Debatte eingeschaltet. Die neuen Bänke mit „obdachlosenfeindlichen Elementen“ auszustatten, so finden sie, sei „uncool“. Ihr Appell an die Stadt: Die Mittelbügel noch mal überdenken und nachträglich entfernen.
Ehrenamtliche Helferin: „Auch Obdachlose sind Essener Bürger“
Drei Mal pro Woche teilt Veronika Maria Arning an der Gertrudiskirche für die Obdachlosenhilfe warme Mahlzeiten, Kleidung und Hygieneartikel an Bedürftige und Wohnungslose aus. Die meisten seien im Sozialzentrum von Caritas und Diakonie in der Lindenallee 55 gemeldet. „Sie sind auch Essener Bürger.“
Aus Sicht der Stadt Essen laden die neuen Bänke in der Innenstadt „ausdrücklich zum Verweilen ein, ohne ein gastronomisches Angebot nutzen zu müssen“. Die Mehrzahl der Bänke sei mit einer Rückenlehne ausgestattet. Bei der Auswahl der Bänke, so die Stadtsprecherin, seien viele Gesichtspunkte berücksichtigt worden: angefangen beim Material bis hin zur Befestigung. Einige Bänke seien fest im Boden verankert worden. Andere wiederum könnten vorübergehend abmontiert werden – etwa bei Veranstaltungen in der City.
Trotz ihrer Verärgerung über die neuen Bänke lobt Veronika Maria Arning die Zusammenarbeit der Obdachlosenhilfe mit der Stadt Essen und den Wohlfahrtsverbänden. „Essen hat ein großes Netzwerk an Hilfen für Obdachlosen.“ Trotzdem bleibe viel zu tun. Angesichts der Hitzewelle der letzten Wochen benötige Essen jetzt dringend Wasserzapfsäulen, die an heißen Tagen den Durst von Bedürftigen stillen sollen.