Essen. Am Bahnhof Borbeck-Süd hält nur die S9. Die Anbindung ist gut. Weil aber zwei Aufzüge fehlen, ist die Barrierefreiheit ungenügend. Zum Check.
Im Vergleich zu klassischen Bahnhöfen wie Essen-West, Steele, Altenessen und Süd gehört der Haltepunkt Borbeck-Süd an der Altendorfer Straße eher zu den jüngeren im Essener Stadtgebiet. Im Zuge des S-Bahn-Ausbaus im Ruhrgebiet kam der Bahnhof erst im Jahr 1974 auf die Netzkarte. Der nördliche Ausgang liegt an der vielbefahrenen Altendorfer Straße, der andere Ausgang führt in den Stadtteil Schönebeck mit seinen schönen Wohnsiedlungen mitten im Grünen.
Taktung
Zwei Linien passieren Borbeck-Süd, aber nur eine hält dort: die S 9, eine der längsten S-Bahnlinien im Ruhrgebiet. Der RE14 (Nordwestbahn) rauscht einfach durch, ein Halt ist dort nicht vorgesehen. Die S9 verkehrt im 30-Minuten-Takt und nimmt somit zwei Mal pro Stunde Fahrgäste auf. Viele, wie etwa die Schülerin Johanna Klein vom Technik-Gymnasium des Berufskollegs Essen-West, ärgern sich über „häufige Verspätungen“. Zufall oder auch nicht: Am Test-Tag (Mittwoch, 10. August gegen 10.45 Uhr) hatte die S9 in Richtung Wuppertal 15 Minuten Verspätung, über die die Wartenden per Lautsprecherdurchsage informiert wurden.
Anbindung Bus, Tram, Leihfahrräder, Radwegenetz
Am nördlichen Ausgang zur vielbefahrenen Altendorfer Straße halten zwei Tram- und zwei Buslinien: die Straßenbahnen 103 (Dellwig – Steele) und 105 (Frintrop – Rellinghausen) sowie der Bus 186 (Bottrop – Altendorf/Schölerpad) und die Nachtlinie NE11 (Essen Hbf – Oberhausen).
Wir checken Essener Bahnhöfe: Das sind die bisherigen Tests
Optimal wäre es, wenn die Tram direkt unter der Eisenbahnbrücke in Höhe des Aufgangs zum Bahnsteig halten würde. Tatsächlich stoppt sie wenige Schritte davon entfernt in der Fahrbahnmitte. Leihfahrräder (zum Beispiel Metropolrad): Fehlanzeige. Ebenfalls nicht vorhanden: ein Taxistand.
Gesamturteil: Verbesserungswürdig
Im VRR-Stationsbericht 2021 gibt es vier „Noten“: 1.) hervorragend; 2.) zufriedenstellend, 3.) verbesserungswürdig und 4.) unzureichend. Die drei Kriterien sind Aufenthaltsqualität, Fahrgastinformation und Barrierefreiheit.
Der Bahnhof Borbeck-Süd wird mit dem Gesamturteil „verbesserungswürdig“ bewertet.
Die Aufenthaltsqualität des Bahnhofs wird ebenfalls als „verbesserungswürdig“ eingestuft.
Als „hervorragend“ bezeichnen die VRR-Inspektoren die Fahrgastinformation.
Die Barrierefreiheit ist „unzureichend“.
Fahrgäste, die gerne das Fahrrad im Zug mitnehmen, erreichen über den Südausgang Dreigarbenfeld und die Nöggerathstraße in wenigen Hundert Metern bequem den Radschnellweg RS1, der die Innenstädte von Essen und Mülheim verbindet. Der Nordausgang Altendorfer Straße hat Radfahrern indes wenig Komfort und Sicherheit zu bieten: Die Altendorfer hat hier weder einen Radweg noch eine Radspur. Wer verschließbare Fahrradgaragen vermisst, muss sich noch etwas gedulden. Die Bezirksvertretung hat kurz vor der Sommerpause beschlossen, neue Boxen am Dreigarbenfeld aufzustellen.
Wie ein Bahnsprecher mitteilt, sieht das Projekt die Schaffung von zehn neuen Bike & Ride-Stellplätzen mit Überdachung vor. Die Bauarbeiten sollen im zweiten Quartal 2023 beginnen und im dritten abgeschlossen sein.
Sauberkeit
Der ungewöhnlich lange Bahnsteig macht einen gepflegten und sauberen Eindruck. Die Deutsche Bahn lässt den Bahnhof Borbeck Süd drei Mal pro Woche reinigen: montags, mittwochs und freitags. Im Bedarfsfall kämen Sonderreinigungen hinzu. Am Mittwochmorgen treffen wir den Reinigungs-Mitarbeiter Jasman Adnan an, der gerade die roten Plastiktüten in den Abfallbehältern ausgetauscht hat.
Am Ausgang Altendorfer Straße liegen zwei achtlos hingeworfene grüne E-Scooter direkt vor der Treppe: eine Stolperfalle und ein unschöner Anblick.
Fahrgäste ärgern sich immer wieder über Graffiti im Treppenbereich und über beschmierte oder gar demolierte Wartehäuschen.
Wartekomfort
Auf dem Mittelbahnsteig stehen vier stählerne Sitzbänke mit jeweils zehn Plätzen. Eine davon ist vor kurzem neu aufgestellt worden. Hinzu kommen zwei überdachte Wartehäuschen, die Schutz vor Niederschlägen bieten. Die Überdachungen an den beiden Aufgängen eignen sich bei Regen und Schnee ebenfalls zum Unterstellen.
Fahrgastinformation
Schaukästen mit Abfahrtsplänen gibt es nur am Eingang Altendorfer Straße. Oben auf dem Bahnsteig informieren Digitalanzeigen über aktuelle Abfahrten und eventuelle Verspätungen. Vor kurzem hat die Bahn neue Vitrinen aufgestellt. Was viele Passanten irritiert: Die großen DB-Schilder an den beiden Brücken sind nahezu völlig verblasst, der Schriftzug „Essen Borbeck-Süd“ ist kaum mehr zu entziffern.
Service
Tickets sind am Fahrscheinautomaten am Eingang Altendorfer Straße erhältlich. Am Südausgang Dreigarbenfeld gibt’s einen weiteren Entwerter.
Attraktiv ist das unmittelbare Umfeld des Bahnhofs Borbeck-Süd. Der große Edeka-Markt Burkowski samt Blumengeschäft, Postbank/DHL und Borbäcker-Filiale plus Zahnarztpraxis machen aus dem Komplex ein gut frequentiertes kleines Quartierszentrum. Im September wird der Edeka komplett umbauen, die Filiale wie auch die Bäckerei sollen mehrere Wochen lang schließen, so heißt es. Ein paar Schritte weiter gibt es einen Imbissstand, den Ruhrpottgriller (Currywurst mit Pommes 5,50 Euro), und ein griechisches Lokal.
Subjektives Sicherheitsgefühl
Angsträume gibt es am Bahnhof Borbeck-Süd nicht, außerdem ist der Mittelbahnsteig gut ausgeleuchtet.
Barrierefreiheit
An beiden Aufgängen gibt es weder einen Aufzug noch eine Rolltreppe. Das heißt: Menschen mit Handicap, Senioren mit Rollator, Eltern mit Kinderwagen und Fahrgäste, die ihr Fahrrad mitnehmen wollen, müssen sich die Treppen regelrecht hoch- und runterquälen. Rollstuhlfahrer haben überhaupt keine Chance, hier ein- und auszusteigen.
Zwar hat die Bahn an beiden Treppen so genannte Radlaufschienen angebracht. Aber wer sein schweres E-Bike auf dem sehr hohen Aufgang Dreigarbenfeld trotz Schiebehilfe hochwuchten muss und nicht gerade der Fitteste ist, hat ziemlich zu kämpfen.
Die Bahn weiß um dieses gravierende Manko und verspricht Abhilfe. Der Neubau von zwei Aufzügen soll einen barrierefreien Zustieg zu den Zügen ermöglichen. Außerdem soll die taktile Wegeführung zu den Aufzügen, etwa für Menschen mit Sehschwäche, verbessert werden. Auf jeden Fall müssen Fahrgäste in Sachen Aufzug Geduld mitbringen. „Aufgrund des sehr frühen Planungsstandes können wir derzeit keine Bauzeiträume oder Baukosten mitteilen“, so der Bahnsprecher.
Parkmöglichkeiten
Der Parkplatz direkt am Bahnhof ist groß, aber kein Park & Ride-Parkplatz. Er ist vorgesehen für Kunden von Edeka Burkowski und nicht für Bahnreisende.
Fazit
Allein schon wegen der fehlenden Barrierefreiheit muss dem Bahnhof Borbeck-Süd ein schlechtes Zeugnis ausgestellt werden. Zwar hat die Bahn das Problem längst erkannt. Aber bis die neuen Aufzüge installiert sind, werden noch Jahre vergehen. Der VRR-Stationsbericht 2021 stuft den Bahnhof Borbeck-Süd deshalb zu Recht als „verbesserungswürdig“ ein. Erfreulich ist, dass an Radfahrer gedacht wird, die die Bahn nutzen. Das Bike & Ride-Projekt 2023 wird die so nah am Radschnellweg RS1 gelegene Station aufwerten.