Essen-Borbeck-Mitte. Immer wieder Unfälle: Die Stadt hat kurzfristig eine Kreuzung in Borbeck-Mitte für Radler gesperrt. Der Radclub ADFC ist empört. Was ist da los?

Der Radclub ADFC ist empört über die kurzfristige Sperrung der Kreuzung Weidkamp/Hülsmannstraße für Radler in Fahrtrichtung Norden. Der Verband spricht von einer „neuen Qualität im negativen Sinne“, was den Umgang mit dem Radverkehr angeht. Die Stadt dagegen begründet die Sperrung mit Unfallzahlen: 25 registrierte Unglücke in sechseinhalb Jahren, allein letztes Jahr drei an zwei Tagen, und in diesem Jahr auch schon drei.

Immer liegt es an den Straßenbahnschienen, die sehr eng am Bordstein entlang führen. Radler geraten beim Fahren mit dem Vorderrad versehentlich in die Schienen und stürzen häufig böse. Die offiziellen Zahlen dürften bei Weitem nicht die wahren Verhältnisse abbilden: Schon im vergangenen Jahr berichtete der Wirt einer Gaststätte, die direkt vor Ort liegt, dass er im Sommer „täglich“ solche Unglücke beobachte – sie werden einfach nur nicht gemeldet.

Ortstermin: Die Sperrung war am Freitag von der Stadt angekündigt worden, Montagmorgen (1. August) ist das neue Schild schon frisch aufgestellt. Ein roter Kreis, darin ein Fahrradpiktogramm, darunter die Hinweise, dass die Sperrung für die nächsten 50 Meter gilt, wegen „Unfallgefahr“. Tatsächlich ist diese Stelle tückisch – Autos, Straßenbahn und Radler teilen sich hier genau eine Fahrspur, ziemlich weit rechts liegen die Schienen, zwischen Schiene und Bordstein sind es vielleicht ein Meter, keinesfalls mehr.

Wir machen den Test und fahren das jetzt gesperrte Stück: Ja, das ist wirklich gruselig

Wir machen den Test, fahren – seit heute verbotenerweise – mit dem Rad die gesperrte Strecke entlang – ja, das ist wirklich gruselig. Man muss sich sehr genau auf das Geschehen konzentrieren, um nicht zu weit nach links zu lenken und mit dem Vorderrad in die Schienen zu geraten. Das Problem sind vor allem die Autos, die von hinten aus der Hülsmannstraße links auf den Weidkamp abbiegen, also viel Platz brauchen. Diese Stelle dürfte ganz sicher zu den gefährlichsten Abschnitten im gesamten Stadtgebiet zählen.

Dies ist natürlich keine neue Erkenntnis. „Die extrem unglücklich platzierte Lage der Schienen ist sämtlichen Beteiligten seit langer Zeit bekannt“, berichtet der Radclub ADFC. Im Frühjahr 2021 hatte man eine Umleitung ausgeschildert. Mittlerweile hat man aber festgestellt: Die wird kaum genutzt.

Warum, ist klar: Beim Ortstermin suchten wir die Schilder, die auf die Umleitung hinweisen, vergeblich. Damit sind wir wohl nicht die einzigen: Am Vormittag sehen wir eine ältere Frau, die ihr E-Bike auf den Bordstein wuchtet und ihr Rad über die Kreuzung schiebt. Auch sie hat offenbar keine Ahnung, wo und wie man hier fahren soll.

Stadt argumentiert: Sofortige Sperrung muss sein „zum Schutz der Radfahrenden“

Die Verkehrsunfallkommission hat ebenfalls registriert, dass die Umleitung nicht funktioniert – und deshalb schnell die Sperrung beschlossen als „Sofortmaßnahme zum Schutz der Radfahrenden“, hieß es am vergangenen Freitag in einer Mitteilung der Verwaltung.

Was den Radclub ADFC besonders aufregt: Der Text der Stadt erweckt ein wenig den Eindruck, als habe der ADFC die Maßnahme mitbeschlossen. Dabei hat, betont der Verband, der ADFC kein Stimmrecht, außerdem habe man sich ausdrücklich gegen diese Maßnahme gestellt. Eine Sperrung, bilanziert der ADFC, könne nur „als Ultima Ratio angesehen werden“; unter anderem müsse die Umleitung, die über die benachbarte Armstraße führt, dringend besser ausgeschildert werden.

Der Ortstermin ergibt: Ja, das wäre mal angebracht! Viele Radler kommen von der Trasse RS1, lassen sich am Bahnhof Borbeck treiben auf den Weidkamp – der ist prima zu fahren mit dem Rad; nur wenig Verkehr, ruhige Lage . . . bis man an diese gefährliche Kreuzung kommt. Ein Umleitungsschild haben wir wirklich nicht gesehen. Und noch etwas: Das neue Verbotsschild steht ungünstig – wer die Hülsmannstraße entlangfährt, an der roten Ampel hält, sieht wegen der Kurve, die die Hülsmannstraße macht, das Verbotsschild gar nicht. Und fährt prompt in den gesperrten Streckenabschnitt.

Bitteres Fazit: Vermutlich wird sich niemand an die Sperrung halten, und es wird weiter Unfälle geben.