Margarethenhöhe/Holsterhausen. Die Emschergenossenschaft hat den Oberlauf der ehemaligen Köttelbecke vor gut zehn Jahren renaturiert. Das Ergebnis verblüfft selbst Experten.
Emscherumbau, das klingt nach riesigen Kanalrohren, nach Baggern, Bauarbeitern und nach großer Ingenieurskunst. Wer aber erleben will, was das Jahrhundertprojekt für diese Region wirklich bedeutet, sollte den Borbecker Mühlenbach besuchen.
Schon vor gut zehn Jahren hat die Emschergenossenschaft das Abwasser am Oberlauf des Baches in einen Kanal verbannt und das Gewässer möglichst naturnah gestaltet. Die Betonschale, in der der Borbecker Mühlenbach einst dahinfloss so gerade wie an der Schnur gezogen, ist verschwunden und mit ihr die schmutzige Fracht, die das Wasser mit sich trug. Jahrzehnte lang gab es hier was auf die Nase. Nun können Spaziergänger und Anwohner befreit durchatmen. Wer früher mitleidig belächelt wurde ob des permanenten Gestanks hinterm Haus, wohnt nun in einer bevorzugten Lage.
Von der Margarethenhöhe kommend schlängelt sich der Borbecker Mühlenbach auf etwa zwei Kilometern Länge unter einem grünen Blätterdach entlang in Richtung Berne, die hinter der Stadtgrenze zu Bottrop schließlich in die Emscher mündet. So ähnlich muss es hier vor der Industrialisierung ausgesehen haben, als das Wasser noch Mühlen antrieb, denen der Bach seinen Namen verdankt.
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Doch der Eindruck täuscht. „Der ursprüngliche Lebensraum kehrt nicht zurück“, sagt Gunnar Jacobs, der die Renaturierung des Baches als Landschaftsökologe der Emschergenossenschaft begleitet. Dafür sei der Eingriff in die Landschaft zu stark gewesen. Für die Emschergenossenschaft ist der Borbecker Mühlenbach dennoch ein Paradebeispiel für den Strukturwandel.
Schon der Bau des Abwassersystems vor mehr als 100 Jahren war eine großartige Ingenieurleistung, diente es doch dem Schutz der Gesundheit einer wachsenden Bevölkerung, was zu wenig wertgeschätzt wird, ja zuweilen in Vergessenheit gerät. Über Köttelbecken rümpft man heute die Nase, auch das aus gutem Grund, und ist froh, wenn sie endlich verschwinden – wie am Borbecker Mühlenbach.
Wer am Borbecker Mühlenbach die Natur entdecken will, ist ausdrücklich willkommen
Wer dort die Natur sucht, ist ausdrücklich willkommen, sagt Gunnar Jacobs. Bürger sollen ihre Zehen im kühlen Wasser baden, dem Gesang der Vögel lauschen und Libellen und Schmetterlingen zusehen. Dafür muss man sich abseits der Spazierwege ein geeignetes Plätzchen suchen, was nicht immer ganz einfach ist. Natürlich sollen sie behutsam mit alledem umgehen, was sie entdecken. Und zu entdecken gibt es vieles.
Wie zum Beweis dreht Gunnar Jacobs im Bachlauf einen schweren Stein um. Darunter versteckt sich eine etwa sechs Zentimeter große Emscher-Groppe, die bald darauf im Kescher des Ökologen zappelt.
Die Groppe galt in der Emscher als ausgestorben, in einem Zulauf überlebte sie
Es hört sich an wie ein Wunder: Der Süßwasserfisch, der eigentlich Rhein-Groppe heißt, galt in der verschmutzten Emscher und ihren Nebengewässern als ausgestorben. In einem Zulauf der Boye überlebte jedoch eine Population. Um sie zu erhalten, wurde die Groppe auch im Borbecker Mühlenbach ausgesetzt. Dort fühlt sie sich so wohl wie sprichwörtlich eben der Fisch im Wasser.
„Das ist das I-Tüpfelchen. Es macht mich einfach froh“, sagt Gunnar Jacobs, als er seinen Fang wieder in die Freiheit entlässt. Der Ökologe wirkt, als müsse er selbst noch immer staunen über das, was am Borbecker Mühlenbach gelungen ist. Der versteckt sich noch hinter dem dichten Gehölz noch junger Bäume und Sträucher. Die spenden Schatten. Überhaupt ist es am Bach angenehm kühl. Wenn sie bei der Emschergenossenschaft von Biodiversität sprechen und von Klimaresilienz, versteht man, was sie damit meinen.
Von der höher gelegenen Grugatrasse, die parallel zum Bach verläuft, ist das Gewässer zuweilen nur zu erahnen. Auch das wird sich mit der Zeit verändern. Weil im Ringen ums Sonnenlicht nur die starken Bäume überleben werden, entstehen entlang des Bachlaufes in einigen Jahren Lichtungen und Plätze zum Verweilen. Aber heute schon sei der Borbecker Mühlenbach „ein Ort für die Seele“, sagt Gunnar Jacobs. Gibt es schöneres?