Essen. In Essen lassen sich Enten wieder in der Emscher nieder. Bald sollen auch Fische in den Fluss zurückkehren. Was Biologen sonst noch erwarten.

Ein Entenpaar schwimmt friedlich in der Emscher dahin. Gisbert Hadamitzky hat das Federvieh auf seinem Ausflug fotografiert und das Bild auf Facebook eingestellt. Hätte der Hobby-Fotograf es im Borbecker Schlosspark geschossen oder an der Ruhr, niemand hätte wohl davon Notiz genommen. So aber lautet unter dem Foto ein Kommentar: „Unglaublich!“ Und das ist nicht etwa ironisch gemeint.

„Enten sind keine mutigen Pioniere und sicher nicht sehr anspruchsvoll“, sagt Mario Sommerhäuser, Gewässergeologe und -biologe bei der Emschergenossenschaft. Die Tiere seien aber ein sicheres Indiz dafür, dass sich die Wasserqualität der Emscher tatsächlich verbessert. Und das nur wenige Tage, nachdem der Wasserverband verkünden konnte: Nach 170 Jahren wird kein ungeklärtes Abwasser mehr in den Fluss eingeleitet. Andernfalls, so Sommerhäuser würde sich keine Enten aufs Wasser trauen.

In der Emscher finden Wasservögel bereits wieder Nahrung

Was Spaziergänger unter anderem am Geruch zu erkennen glauben, nehmen auch die Fachleute bei der Emschergenossenschaft wahr: Die Emscher verändert sich, das Leben kehrt zurück. Und das schneller, als man wohl erwartet hätte. So hat es Mario Sommerhäuser an den Zuläufen der Emscher beobachtet, die bereits vom Kanalnetz abgekoppelt und teilweise renaturiert wurden. 450 verschiedene Tierarten konnten dort nachgewiesen werden. „Ein Teil davon wird sicher in die Emscher getragen“, ist sich der Biologe sicher. Flohkrebse, Muscheln, Schnecken und andere Wirbellose Arten gelangen auf diesem Weg in den Fluss. Wasservögeln finden dort plötzlich Nahrung.

Mit Jahresbeginn wird laut Emschergenossenschaft kein ungeklärtes Abwasser mehr in die Emscher eingeleitet.
Mit Jahresbeginn wird laut Emschergenossenschaft kein ungeklärtes Abwasser mehr in die Emscher eingeleitet. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Dass sich die Wasserqualität bereits verändert hat, lässt sich nachweisen. „Wir haben deutlich weniger Ammonium im Wasser, dafür viel mehr Sauerstoff“, erläutert Sommerhäuser. Ammonium gelangt über Ausscheidungen und Abfälle ins Abwasser, für Fische sind schon geringe Mengen tödlich.

Im September werden die Emscherdeiche zum Rhein hin geöffnet

Mario Sommerhäuser nennt den Emscherumbau ein gigantisches Freiluftexperiment. Wann haben Experten wie er schon die Gelegenheit, zu beobachten, wie die Natur einen Fluss zurückerobert, der mehr als ein Jahrhundert als Kloake diente? „Wir sind in einer ganz spannenden Phase“, sagt der Gewässerbiologe. Der Rückkehr der Enten seien nur ein Anfang.

Schon im September werden an der Emscher Deiche zum Rhein hin geöffnet. Dann haben Fische die Chance, die Emscher flussaufwärts zu schwimmen. „Bis ein Lachs kommt, wird es noch ein paar Jahre dauern.“ Dafür brauche die Emscher nach ihrer über einhundertjährigen Geschichte als Abwasser führender Fluss noch etwas Zeit, sagt Sommerhäuser mit einem Augenzwinkern. Ohnehin sei es wahrscheinlicher, dass nicht Lachse, sonder Aale und Hechte in der Emscher heimisch werden – oder sich die ein oder andere Forelle aus den Zuläufen dorthin verirrt.

Die Emscher wird so umgebaut, dass sie ihrem natürlichen Zustand nahekommt

Angler müssen sich also noch gedulden. Zehn Jahre wird es wohl dauern, bis die Emscher wieder dem Fluss sehr nahekommt, der sie einmal war, schätzt Sommerhäuser. Die Emschergenossenschaft wird diesen Prozess wissenschaftlich begleiten und die Zeit nutzen. Die Klärwerke entlang der Emscher sollen eine zusätzliche Reinigungsstufe erhalten, so dass sich die Wasserqualität weiter verbessert. Und: Das Gewässer wird, soweit möglich, wieder in einen Zustand versetzt, der dem natürlichen möglichst nahekommt.

Milliarden für den Emscher-Umbau

Die Emschergenossenschaft hat in den Umbau der Emscher und ihrer Zuläufe rund 5,5 Milliarden Euro investiert. Für die Arbeiten auf Essener Stadtgebiet waren 864 Millionen Euro veranschlagt, von denen rund 500 Millionen Euro bereits verbaut wurden. Verlegt wurden für das sogenannte Emscher-System unterirdische Kanäle mit einer Gesamtlänge von 430 Kilometern, rund 150 Kilometer an Gewässern wurden renaturiert. Zehn Jahre lang wird der Wasserverband die Entwicklung der Emscher in einem Monitoring wissenschaftlich begleiten.

An 24 Stellen entlang der Emscher soll es sogenannte ökologische Schwerpunkte geben. Das heißt: Wo es der Platz zulässt, wird der Flusslauf so umgestaltet, dass die Emscher wieder mäandrieren kann, so dass sie sich und sich in Bögen dahin schlängelt. Sommerhäuser spricht von „Perlen wie an einer Schnur“. In den dazwischen liegenden Flussabschnitten bleiben die Deiche aus Gründen des Hochwasserschutzes stehen. Die Emschersohle soll aber angehoben werden, so dass sich der Fluss weiter ausbreiten kann. Am Ufer sollen Wasserpflanzen und Bäume wachsen.

In naher Zukunft, verspricht Mario Sommerhäuser, wird man die Emscher nicht mehr wiedererkennen. Und Hobby-Fotograf Gisbert Hadamitzky bietet die Emscher dann ganz neue Perspektiven.