Essen-Rüttenscheid. Die Müllwerker der Essener Entsorgungsbetriebe fahren durch enge Straßen und holen Tonnen aus Kellern. Redakteurin Katrin Böcker war dabei.

  • Viele Essener Anwohnerinnen und Anwohner ärgern sich über Probleme bei der Müllabfuhr – und wenden sich damit an diese Redaktion.
  • Redakteurin Katrin Böcker wollte einmal die andere Seite kennenlernen und hat eine Besatzung der Essener Entsorgungsbetriebe bei einer Tour durch Rüttenscheid begleitet.
  • Dabei begegneten ihr schwere Tonnen, verwinkelte Keller und schmale, zugeparkte Straßen.

Donnerstagmorgen, 6 Uhr, am Rüttenscheider Stern. Ich muss zugeben: Das ist nicht ganz meine Zeit. Aber es geht nicht anders. Die Müllwerker der EBE starten jeden Tag so früh, um den Abfall abzuholen – und ich will sie heute begleiten. Die Besatzung, bestehend aus Vorarbeiter Tobi (31), Fahrer Danny (41), Yusuf (27) und „Rotti“ (53), holt mich ab. Sogleich beginnen die Jungs, mit routinierten Bewegungen nach den Tonnen zu greifen und sie zum Müllauto zu schieben.

Das Thema Müllabfuhr bewegt viele unserer Leserinnen und Leser. Häufig bekommen wir Zuschriften, wenn etwas nicht funktioniert. Heute möchte ich einmal die andere Seite kennenlernen und miterleben, was es heißt, die Abfallversorgung in Rüttenscheid sicherzustellen. Also werfe ich mich in eine knallorangefarbene Warnweste und Sicherheitsschuhe. Nach dem Start am Markt geht es zunächst auf die Rüttenscheider Straße. Wir holen den Restmüll ab.

Müllentsorgung in Rüttenscheid: Es geht in enge Kelle

Die Truppe ist ein eingespieltes Team. „Natürlich gibt es Tage, an denen man mal keinen Bock hat“, sagt Rotti. „Aber hier geht es eben auch um den Zusammenhalt.“ Die Bewegungen der drei Müllwerker wirken wie orchestriert, so schnell und geschmeidig arbeiten sie zusammen. „Auch mal einhängen?“, fragt mich Tobi. Motiviert schiebe ich die Tonne auf das Müllauto zu, will sie in die dafür vorgesehene Halterung bugsieren, damit sie automatisch hochgehoben wird – und scheitere. „Ein Stück zur Seite“, sagt Tobi. Nach links? Nein, nach rechts. Nach mehreren Versuchen greift der Mechanismus. Ein metallener Arm befördert die Tonne in die Höhe und leert sie aus. „Am Anfang müssen alle ein bisschen üben“, tröstet mich Tobi.

Alltag für Müllwerker Rotti: In Essen-Rüttenscheid müssen die Tonnen teils aus verwinkelten Kellern geholt werden.
Alltag für Müllwerker Rotti: In Essen-Rüttenscheid müssen die Tonnen teils aus verwinkelten Kellern geholt werden. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Nachdem es die ersten Meter lediglich Mülltonnen an der Straße zu leeren gilt, wird es ernst. „Ich zeig’ dir mal meinen Lieblingskeller“, kündigt Rotti an. Hier, in einem Haus an der Rüttenscheider Straße, geht es viele Treppenstufen nach unten, dann kommt ein kleiner Absatz, dann noch einmal ein paar Stufen. Der Keller ist eng und verwinkelt. In einem schmalen Gang stehen die Tonnen ganz nah beieinander. Ein strenger Geruch liegt in der Luft, deutlich strenger als im Müllauto. Die Müllwerker befördern die Tonnen in Teamarbeit an die Straße. Tobi und Rotti tragen sie nach oben, Yusuf schiebt sie zum Müllauto. Im Nacken der Männer bilden sich die ersten Schweißperlen.

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Essener Müllwerker schleppen teils extrem schwere Tonnen

Ich möchte auch einen Versuch starten. In einem Keller mit moderater Stufenzahl zeigt mir Tobi, wie ich die Tonne am besten transportiere – nämlich, indem ich sie mit meiner Hüfte nach oben wuchte. Doch obwohl ich mich eigentlich dank regelmäßigem Training im Fitnessstudio für stark halte, bekomme ich die Tonne nicht angehoben. „Du kannst sie auch hinter dir herziehen“, hilft mir Tobi. Also packe ich den Griff der Tonne und ziehe sie – sehr, sehr langsam und unter ohrenbetäubendem Scheppern – die Treppenstufen hinauf, während ich bei jedem Schritt befürchte, mitsamt dem Unrat wieder in den Keller zurückzurollen. Es lässt sich nicht schönreden: Ich bin keine Hilfe, ich verzögere den Betriebsablauf.

Die Mülltonne richtig einhängen: Das gelingt Redakteurin Katrin Böcker nicht gleich beim ersten Versuch. Doch Tobi von den Essener Entsorgungsbetrieben kann helfen.
Die Mülltonne richtig einhängen: Das gelingt Redakteurin Katrin Böcker nicht gleich beim ersten Versuch. Doch Tobi von den Essener Entsorgungsbetrieben kann helfen. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Für die Müllwerker ist diese schwere, körperliche Arbeit Alltag. Acht bis 25 Kilometer, so schätzt Tobi, legen sie an einem Tag zu Fuß zurück: „Da weiß man hinterher, was man getan hat.“ Die schlimmste Tonne? „Das war wahrscheinlich eine voller Katzenstreu“, sagt der 31-Jährige. Oder auch die: „Letzte Woche hatte ich eine Tonne voller feuchter Erde.“ Eigentlich darf eine Standard-Mülltonne mit 120 Litern nicht schwerer als 48 Kilo sein. Doch sie wird eben auch nicht abgewogen. Die Truppe kennt ihre Pappenheimer: An bestimmten Ecken in Rüttenscheid stünden immer wieder extrem schwere Tonnen, einige sicher mit an die 60 Kilo, schätzt Tobi.

Anwohner in Rüttenscheid entsorgt Bauschutt im Hausmüll

Manchmal kommt es aber tatsächlich vor, dass eine Tonne stehengelassen werden muss. Nämlich dann, wenn sie schlicht nicht anzuheben ist. Einen solchen Fall sehen wir in einer der Nebenstraßen der „Rü“: Der Hausbewohner hat einen Müllsack so schwer beladen, dass Tobi ihn kaum bewegen kann. Ich habe natürlich erst recht keine Chance. Tobi hängt einen Zettel daran, auf dem steht, warum der Müll nicht abgeholt werden kann. Das wird noch weitere Male passieren – zum Beispiel bei einer Tonne, in der jemand einen Zementsack entsorgt hat. Dass Bauschutt nicht in den Hausmüll gehört, ist offenbar nicht jedem klar.

Bei der Müllentsorgung sind die EBE-Mitarbeiter ein gespieltes Team.
Bei der Müllentsorgung sind die EBE-Mitarbeiter ein gespieltes Team. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Das ist nicht die einzige Herausforderung, mit der die EBE-Mitarbeiter konfrontiert sind. Fahrer Danny ist seit sieben Jahren bei den Essener Entsorgungsbetrieben. In dieser Zeit hat er schon einiges erlebt. Das schlimmste? „Als ich durch die Kamera gesehen habe, wie mein Kollege angefahren wurde und der Fahrer Unfallflucht begangen hat“, erinnert sich der 41-Jährige. Das ist in Altenessen passiert, doch auch auf Rüttenscheids Straßen kommt es regelmäßig zu brenzligen Situationen.

Autofahrer auf der Rüttenscheider Straße drängeln häufig

Durch mehrere eingebaute Kameras kann ich live mitansehen, wie die Autofahrerinnen und -fahrer versuchen, sich am Müllauto vorbeizudrängeln. „Die Leute haben keine Zeit. Die versuchen ständig, rechts und links zu überholen“, sagt Danny. Das gelte auch für die Fahrradfahrerinnen und -fahrer auf der „Rü“. Im Berufsverkehr sei es am schlimmsten. Ein weiteres Problem, vor allem in Rüttenscheid: die engen, häufig zugeparkten Straßen.

Mit dem Müllwagen durch die Straßen: In Rüttenscheid wird es oft eng. Fahrer Danny vergewissert sich, dass alles passt.
Mit dem Müllwagen durch die Straßen: In Rüttenscheid wird es oft eng. Fahrer Danny vergewissert sich, dass alles passt. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Das Paradebeispiel erwartet uns an der Brassertstraße, Ecke Dorotheenstraße. Hier steht ein Auto so nah an der Kurve, dass der Müllwagen kaum abbiegen kann. Es braucht mehrere Züge, bis Danny ihn sicher in die Dorotheenstraße manövriert hat. In manchen Situationen sei das aber einfach nicht möglich, sagt der Fahrer: „Dann muss ich wieder aus der Straße raus.“

EBE-Mitarbeiter: „Die Leute sagen uns Danke“

Nicht selten sind die Müllwerker mit Vorwürfen von Anwohnerinnen und Anwohnern konfrontiert. Ein Dauerthema: der Kellerservice. Gerade ältere Bürgerinnen und Bürger schildern mitunter, die Müllwerker seien so schnell wieder weg, dass sie es nicht zum Türöffner schafften. Tobi widerspricht: „Wir klingeln dreimal und wir wissen, dass es ältere Menschen gibt, die nicht so schnell sind.“

Doch auch solche Momente gibt es: Eine Anwohnerin teilt Wasserflaschen an die Truppe aus. Kinder beobachten mit offenem Mund, wie die Tonnen ausgeleert werden. Ein Kioskbesitzer, den die Müllwerker jeden Tag bei ihrer Tour treffen, spendiert Durstlöscher-Trinkpäckchen. „Wir kriegen auch wirklich viele positive Rückmeldungen“, sagt Tobi. „Die Leute sagen uns Danke.“ Auch ich bedanke mich am Ende der Tour für die vielen spannenden Eindrücke aus dem Alltag der EBE-Mitarbeiter. Und weiß, warum ich meinen Job ausgewählt habe: Für diesen bin ich nicht geeignet.

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