Essen-Rüttenscheid. Über 130 Menschen aus Handel und Gastronomie haben sich an OB Kufen gewandt. Sie sprechen sich gegen Sperren an der Rüttenscheider Straße aus.
In der Diskussion um mögliche weitere Einschränkungen für Autofahrerinnen und Autofahrer auf der Rüttenscheider Straße gibt es einen neuen Vorstoß von Einzelhändlern, Gastronomen und Dienstleistern aus dem Stadtteil. In einem Schreiben an Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) fordern sie mit Unterstützung der Interessengemeinschaft Rüttenscheid (IGR), „weitere Einschränkungen der Erreichbarkeit von Rü-Anliegern“ zu verhindern. Über 130 Betriebe, darunter sowohl inhabergeführte Geschäfte als auch Ketten, haben unterzeichnet.
„Das gedeihliche Miteinander von Leben, Wohnen, Handel, Dienstleistung und Kultur hat Rüttenscheid zu einer einmaligen Erfolgsgeschichte für alle gemacht“, heißt es in dem Schreiben, das dieser Redaktion vorliegt. In diesem sensiblen Wechselspiel sind Einzelhandel und Dienstleistung sowie Besucher von außerhalb von großer Bedeutung.“ Beschließe man weitere Einschränkungen, so gefährde man Handel und Dienstleistung und belaste Anwohner.
Einzelhändler appellieren an Essener Politik
„Wir sind daher gegen weitere Einschränkungen der Erreichbarkeit der Rü-Anlieger, z.B. durch Abbiegezwänge (Modalsperren) und gegen eine Verdrängung eines wichtigen Teils unserer Kundschaft“, schreiben die Initiatoren weiter. „Diese Belastung können Einzelhandel und Dienstleister auf und an der Rüttenscheider Straße nicht mehr tragen. Wir appellieren an die Essener Politik, unsere Situation in die Entscheidungen zur Verkehrsplanung einfließen zulassen.“
Die schwarz-grüne Ratskooperation hatte zuletzt beschlossen, ein neues Gremium unter Federführung von OB Kufen zu bilden, das die Verkehrssituation auf der Fahrradstraße weiter untersuchen und ein Konzept erarbeiten soll. Mitte 2022 soll entschieden werden, ob und in welcher Form weitere Maßnahmen ergriffen werden, um den Durchgangsverkehr auf der Rüttenscheider Straße zu reduzieren. Im Raum steht die Einrichtung sogenannter modaler Filter. Das könnten zum Beispiel Poller sein, die zum Abbiegen zwingen und den Verkehr so von der „Rü“ weglenken. Während sich die Grünen wiederholt für die Reduzierung des Autoverkehrs aussprachen, betonte die CDU, man müsse die Bedürfnisse aller Verkehrsteilnehmer im Blick behalten.
„Das Miteinander auf der Rüttenscheider Straße funktioniert“
Zu den Unterzeichnern des neuen Schreibens gehört Stefan Kleinrahm, Inhaber des Tanzlokals Galerie 121, Immobilienbesitzer und selbst Anwohner in Rüttenscheid. „Das Miteinander auf der Rüttenscheider Straße funktioniert. Ich habe keine Drängeleien oder Streitereien gesehen“, schildert er seinen Eindruck. Entsprechend gebe es keine Notwendigkeit, etwas an der aktuellen Regelung zu ändern. Kleinrahms Befürchtung ist aber: Per „Salamitaktik“ könnte der Autoverkehr immer weiter von der „Rü“ verdrängt werden, bis er schließlich gänzlich verschwinde. „Das ist hier aber eine urban gewachsene Gegend. Da passt das einfach nicht.“
Herbert Bas, Inhaber der Glocken-Apotheke, hat miterlebt, als die Rüttenscheider Straße vor über zehn Jahren samstags testweise gesperrt war. „Da habe ich 50 Prozent weniger Umsatz gemacht“, erinnert er sich. Er sorgt sich, dass im Fall von weiteren Einschränkungen wieder etwas Ähnliches passieren könnte. „Viele ältere Menschen kommen hierhin, weil es in Rüttenscheid eine hohe Ärztedichte gibt“ sagt der Apotheker. „Die sind aber häufig nicht mehr so mobil, dass sie mit dem Fahrrad kommen oder weit laufen können.“
Bas befürchtet zudem: Bei den hohen Mieten in Rüttenscheid könnte eine schlechtere Erreichbarkeit und damit geringere Frequenz „tödlich“ für die Geschäftsleute sein. „Hier kommen viele Leute aus anderen Stadtteilen hin“, betont er. „Wenn sie das nicht mehr mit dem Auto tun können, fahren sie vielleicht ins Rhein-Ruhr-Zentrum oder gleich nach Düsseldorf.“ Grundsätzlich halte er es für einen Fehler, dass die Rüttenscheider Straße überhaupt zur Fahrradstraße gemacht wurde. „Die Paulinenstraße hätte sich besser geeignet.“
Essener Konditorin: Rüttenscheid ist ein Mischviertel
Susanne Kötter, Inhaberin der Traditionskonditorei Manufaktur Kötter, spricht sich gegen „Schwarz-Weiß-Denken“ aus. „Ich finde es gut, wenn weniger Autos unterwegs sind. Aber Rüttenscheid ist ein Mischviertel mit verschiedenen Bedürfnissen“, betont die Konditorin. Fahrradfahrer einseitig zu bevorzugen, halte sie für nicht ausgewogen. Fürs Geschäft könne es eine „Katastrophe“ bedeuten: „Wir haben hier viel Außer-Haus-Verkauf. Die Kunden kommen aus dem Essener Norden, Oberhausen, Gladbeck – und sie kommen nicht auf dem Fahrrad.“
Unterstützt werden die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner vom Bürger- und Verkehrsverein Rüttenscheid. „Es gibt keine Lösung, die alle zufrieden stellen wird“, sagt der Vorsitzende Oliver Ottmann. Aber: „Die jetzige Lösung ist ein Kompromiss, mit dem alle leben könnten.“ Sollten Sperren eingerichtet werden, so befürchte er, dass sich der Verkehr stärker in die Nebenstraßen der „Rü“ verlagern und dort die Anwohnerinnen und Anwohner belasten würde.