Essen. Fast zwei Wochen sind vergangen, seitdem in Essen-Altendorf eine Clan-Fehde eskalierte. Wie die Massenschlägerei den Stadtteil prägt.

Zu Hunderten sind hier Männer zweier rivalisierender Clans aufeinander losgegangen: Wo am 25. Juni, einem Samstag, rund 400 Menschen für den bisher größten Tumult dieser Art in Essen sorgten, steht nun der Kummerkasten der Polizei: die „Mobile Wache“, ein grau-blauer Mercedes-Kleinbus.

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Mit dem Gefährt will die Behörde dort Präsenz zeigen, wo an jenem Samstagabend (25. 6.) Blut geflossen war, Tische und Stühle umherflogen, ein 31-Jähriger durch ein Messer schwer am Hals verletzt wurde.

„Mobile Wache“ der Polizei Essen ergänzt den Streifendienst

Zumindest an diesem Montagmittag (4. 7.) wollen kaum Menschen mit den Beamten an der Altendorfer Straße sprechen. Seit einigen Tagen ist die „Mobile Wache“ im Stadtteil unterwegs, steht immer wieder an unterschiedlichen Standorten. Seitens der Behörde heißt es, dass sie nach den Ereignissen vor allem als Anlaufstelle für Anwohnerinnen und Anwohner gedacht sind, der Streifendienst wird durch den Einsatz also ergänzt.

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„Wer möchte, kann mit uns sprechen. Wir versuchen, die Fragen zu beantworten und zu helfen“, sagt der Leiter der „Mobilen Wache“ beim Ortstermin am Montagmittag. Oft gehe es dabei auch nur um „Dinge des täglichen Lebens“, wie etwa die Müllsituation. „Wir machen hier ein Allround-Angebot“, sagt der Polizeibeamte. Man muss also etwas genauer hinsehen, um die Auswirkungen der Clan-Massenschlägerei auf Altendorf zu sehen. Wie sehr diese aber nachhallt, ja sogar beeindruckt, zeigt bereits, dass der Hauptkommissar lieber nicht mit seinem vollen Namen in der Berichterstattung auftauchen möchte.

Die „Mobile Wache“ in Essen-Altendorf am Montag (4.7.): Damit zeigt die Polizei nach der großen Clan-Auseinandersetzung Präsenz im Stadtteil.
Die „Mobile Wache“ in Essen-Altendorf am Montag (4.7.): Damit zeigt die Polizei nach der großen Clan-Auseinandersetzung Präsenz im Stadtteil. © Fabian Strauch / FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

Was da am Samstag in Altendorf passiert ist, ist im negativen Sinne etwas Außergewöhnliches gewesen. Kurz nach jenem verhängnisvollen 25. Juni sagte Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen: „Solche Taten sind nicht nur strafbar, sie schaden auch massiv dem Ansehen des Stadtteils Altendorf und der Stadt Essen und nicht zuletzt schaden sie auch allen in diesem Zusammenhang unternommenen Integrationsbemühungen der vergangenen Jahre.“

Massenschlägerei verängstigt viele Menschen in Essen-Altendorf

Die Massenschlägerei ist weiterhin das Gesprächsthema Nummer 1 der Altendorfer, aber eben nicht unbedingt an der „Mobilen Wache“ der Polizei. Einer der genau weiß worüber sich die Menschen derzeit unterhalten ist Wolfgang Zacheja. Er ist Ex-Polizist und im Ruhestand und seit circa einem Jahr im Auftrag des Diakoniewerks im Stadtteil unterwegs. Als Streetworker hat er in den vergangenen Tagen viele Gespräche in Altendorf geführt. Er sagt über seine bisherige Arbeit mit Blick auf den Gewaltexzess auf offener Straße: „Das wird durch einen einzigen Samstagabend kaputtgemacht.“

Streetworker Wolfgang Zacheja sagte zu jungen Männern, die Angst haben und fortan mit Messern herausgehen möchten: „Bloß nicht bewaffnen!“
Streetworker Wolfgang Zacheja sagte zu jungen Männern, die Angst haben und fortan mit Messern herausgehen möchten: „Bloß nicht bewaffnen!“ © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Man kann sogar so weit gehen und von einem Klima der Angst sprechen: Als Wolfgang Zacheja am Dienstag (28. 6.) nach den Ausschreitungen auf der Altendorfer Straße unterwegs war, machte er in den Gastronomiebetrieben folgende Beobachtung: „Die Kellnerinnen haben Angst.“ Offen würden sie sich nicht trauen, diejenigen zu kritisieren, die da zu Hunderten aufeinander losgegangen waren, schließlich sei das potenzielle Kundschaft. Zacheja spricht an der Stelle von Einschüchterungsversuchen.

Junge Menschen, nicht nur mit Migrationshintergrund, hätte der Vorfall ebenfalls sehr negativ beeindruckt. Einige Heranwachsende hätten angekündigt, nun vorsichtshalber ein Messer mitzunehmen. „Bloß nicht bewaffnen!“, habe Zacheja gemahnt. Das führe nur zu weiterer Gewalt.

Gastronom: „Wir wollen mit dem Clan-Scheiß nichts zu tun haben“

Ein Gastronom aus dem Viertel soll zu ihm gesagt haben: „Wir wollen mit dem Clan-Scheiß nichts zu tun haben.“ Der Mann befürchte, dass Kunden aus anderen Stadtteilen nach der Massenschlägerei nicht mehr nach Altendorf fahren. Zacheja erzählt von einer Anwohnerin, die er kürzlich in einem Obst- und Gemüseladen mit Rollator getroffen habe. Die Seniorin wohnt unweit des Tatorts und habe zu ihm gesagt: „Ich traue mich nicht mehr auf die Altendorfer Straße.“ Den Massentumult vor zehn Tagen habe sie sich nicht einmal getraut, am Fenster zu verfolgen, stattdessen habe sie Nachrichten darüber im Fernsehen gesehen.

Wolfgang Zacheja hofft darauf, dass sich möglichst viele in Altendorf öffentlich von den Geschehnissen distanzieren. Aus der libanesischen Community sei das auch geschehen, berichtet er.

„Mobile Wache“ wird auch in den nächsten Tagen in Altendorf sein

Die „Mobile Wache“ steht immer an wechselnden Standorten in Altendorf, hier auf der Altendorfer Straße am Montagmittag (4. 7.).
Die „Mobile Wache“ steht immer an wechselnden Standorten in Altendorf, hier auf der Altendorfer Straße am Montagmittag (4. 7.). © Fabian Strauch / FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

Die „Mobile Wache“ der Polizei bewertet Zacheja positiv. Der Streetworker wünscht sich für die Zukunft, dass das Präventionsangebot in Altendorf ausgebaut wird, mehr Streifen wären ebenfalls von Vorteil. Zumindest in Bezug auf den mobilen Kummerkasten wird sein Wunsch kurzfristig erhört. Eigentlich sollte die „Mobile Wache“ nur bis einschließlich Montag (4. 7.) in Altendorf unterwegs sein. Die Behörde kündigte an, damit weiter vor Ort zu sein. „Wir passen uns da der Situation an“, hieß es.