Essen. Der Umzug der Zentralbibliothek in die Essener City ist beschlossene Sache. Besucherzahlen sollen ab 2025 am neuen Standort verdoppelt werden.

Die Zeit, als die Qualität einer Stadtbibliothek allein an der Zahl der ausleihbaren Medien und der vorhandenen Regalkilometer gemessen wurde, ist lange vorbei. Stadtbibliotheken sind heute architektonische Ausrufezeichen, städtebauliche Vorzeigeadressen und vor allem Treffpunkte für ein bunt gemischtes Publikum, das längst nicht mehr nur zum Bücherausleihen, sondern zum Lernen, Spielen, Schularbeiten machen und Freunde treffen kommt. In Essen soll all dies demnächst mitten in der City in den Räumen der ehemaligen Mayerschen Buchhandlung stattfinden.

Der Rat der Stadt hat den Umbau der Immobilie, die mittlerweile komplett leergezogen ist, am Mittwoch (22. Juni) einstimmig beschlossen. Für die vorgestellten Pläne gab es am Ende Lob von allen Seiten und sogar Applaus aus dem Plenum. Einige Ratsmitglieder hatten vor der Entscheidung noch einen ersten, kurzfristig anberaumten Ortstermin auf der künftigen Großbaustelle genutzt, die ab 2025 Essens neuer „dritter Ort“ oder einfacher gesagt, das neue „Wohnzimmer“ der Bürger werden soll.

Oberbürgermeister Thomas Kufen (Mitte) lässt sich von Oliver Barth (Wave Real Estate GmbH, li.) und Dominic Müller-Jaeger (Lang & Cie. Rhein-Ruhr Real Estate AG) die Pläne für den Umbau der neuen Zentralbibliothek erklären.
Oberbürgermeister Thomas Kufen (Mitte) lässt sich von Oliver Barth (Wave Real Estate GmbH, li.) und Dominic Müller-Jaeger (Lang & Cie. Rhein-Ruhr Real Estate AG) die Pläne für den Umbau der neuen Zentralbibliothek erklären. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Ein ausnehmend geräumiges Wohnzimmer, das auf sechs Etagen nicht nur Platz hat für Bücher, Zeitschriften und sonstige Medien, sondern auch für rund 1000 Arbeitsplätze, den mittlerweile obligaten „Maker Space“, eine Eltern-Kind-Bibliothek mit Kuschelfaktor und eine Außengastronomie. Auch die Rotunde bekommt neue Geschossdecken und kann künftig räumlich genutzt werden. Ein besonderer baulicher Coup dürfte die Dachterrasse mit Panorama-Ausblick sein, die einen gläsernen Aufbau bekommt und nicht nur an Sommertagen zum beliebten Veranstaltungsort werden dürfte.

Panoramaausblick auf die Stadt: Die neue Zentralbibliothek soll außerdem noch einen gläsernen Dachaufsatz bekommen und wird damit sicherlich zum gefragten Veranstaltungsort.
Panoramaausblick auf die Stadt: Die neue Zentralbibliothek soll außerdem noch einen gläsernen Dachaufsatz bekommen und wird damit sicherlich zum gefragten Veranstaltungsort. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

„Eine 1-a-Lage für das Thema Bildung mitten in der Innenstadt“

Für Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) ist der neue Zentralbibliothek-Standort gegenüber der Marktkirche „ein wichtiges Angebot an Menschen jeden Alters“ und eine „1-a-Lage für das Thema Bildung mitten in der Innenstadt“. Die Entscheidung für den Standort sei auch „ein klares Signal an alle, dass wir in der City investieren“, so Kufen, und soll die Belebung der Innenstadt weiter beflügeln. Für die Kölner Projektentwickler Lang & Cie. Rhein-Ruhr Estate und die Wave Real Estate GmbH, die das Projekt gemeinsam realisieren, ist der Umbau im Bestand außerdem ein wichtiges Signal der Nachhaltigkeit. Würde die Stadt selber als Bauherr auftreten, müssten zahlreiche weitere wichtige Bauvorhaben in Schulen und anderen städtischen Gebäuden warten, erläutert Kufen. Der Mietvertrag soll zunächst über 25 Jahre laufen – mit Option auf Verlängerung. Die Miete soll sich dem Vernehmen nach auf 2,8 Millionen Euro pro Jahr belaufen.

Dass die Lebensdauer der Stadtbibliothek am neuen Standort länger währt als an der bisherigen Adresse, dem umgebauten Gildehofbad, steht damit in Aussicht. 2025 läuft der Mietvertrag an der Hollestraße aus. Bis dahin muss der Umbau fertig sein. Der Zeitplan sei abgestimmt, die Schlüsselübergabe bislang für den 31. Dezember 2024 vorgesehen, sagt Baudezernent Martin Harter. Dass der Zeitplan angesichts des Krieges in der Ukraine und der generellen Ressourcenknappheit ehrgeizig ist, weiß nicht nur er. „Aber es wird gelingen“, gibt sich der Stadtplaner zuversichtlich.

Viel Platz für neue Nutzungskonzepte: Neben den leerstehenden Etagen der früheren Mayerschen Buchhandlung kommen im Obergeschoss auch die mittlerweile nicht mehr genutzten Räume eines Fitnessclubs hinzu.
Viel Platz für neue Nutzungskonzepte: Neben den leerstehenden Etagen der früheren Mayerschen Buchhandlung kommen im Obergeschoss auch die mittlerweile nicht mehr genutzten Räume eines Fitnessclubs hinzu. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Am neuen Platz könnten die Zahlen ab 2025 von derzeit 2500 bis 3000 Besuchern leicht verdoppelt werden. Das sei auch notwendig für eine Großstadtbibliothek, sagt Petra Seebach als neue Leiterin der Zentralbibliothek: „Wir werden mittlerweile von Schülerinnen und Schülern überrannt.“ Schon seit zwei Jahren arbeitet man dort an der Vision einer neuen Stadtbibliothek. Obwohl die Pläne zunächst auf eine noch größere Quadratmeterzahl ausgerichtet waren, müsse man angesichts der nun vorhandenen 10.500 Quadratmeter wenige Abstriche machen, zeigt sich Seebach zufrieden.

Die neue Essener Zentralbibliothek soll auch „bundesweit Interesse erzeugen“

Neben dem Standort der Mayerschen Buchhandlung waren im Vorfeld auch noch die Kirche St. Gertrud und die Theaterpassage im Gespräch. Denn anders als in einigen skandinavischen Städten, die mit spektakulären Bibliotheks-Neubauten international Furore gemacht haben, war in Essen schnell klar, dass die Wahl auf eine bereits vorhandene Immobilie fallen würde. Schon weil ein vergleichbar großes Grundstück in der Innenstadt schlichtweg nicht vorhanden sei, so Harter. Ganz sicher sei die jetzt beschlossene Lösung aber „nicht 2. Liga, sondern Champions League“ und werde „bundesweit Interesse erzeugen“.

„Das Spektakuläre findet in den Innenräumen statt“, sagt auch Oliver Barth von der Wave Real Estate GmbH und spricht von „Erlebniswelten“, die sich am neuen Standort für die Bibliotheksbesucher auftun. Neben der baulichen Situation müssen am Ende freilich auch die Öffnungszeiten und die personelle Ausstattung stimmen. „Wir brauchen vielleicht nicht nur mehr, sondern auch anderes Personal“, sagt Petra Seebach. Mit dem neuen Ort beginnt ab 2025 eben auch ein neues Kapitel der Bibliotheksnutzung.