Essen. Wird die Kirche St. Gertrud in der nördlichen Innenstadt zu Essens neuer Zentralbibliothek? Überlegungen für einen Umbau werden konkret.
Es wäre eine spektakuläre Wende bei der Suche nach einem Standort für Essens neue Zentralbibliothek: Nach Informationen dieser Redaktion hat die Stadt Essen dafür die Kirche St. Gertrud in der nördlichen Innenstadt ins Auge gefasst.
Wie ein Sprecher des Ruhrbistums bestätigt, trägt sich die katholische Kirchengemeinden mit dem Gedanken, das Kirchengebäude zu veräußern. Denn wie alle Pfarreien des Bistums leidet auch St. Gertrud unter dem Rückgang an Gemeindemitgliedern. Noch sind es rund 15.000 Katholiken. Laut Prognose sinkt ihre Zahl bis zum Ende des Jahrzehnts auf unter 14.000.
Pfarrei St. Gertrud will keine langfristigen Aussagen über den Erhalt der Kirche anstellen
Dazu belasten hohe Unterhalts- und Instandhaltungskosten das Budget. Zwar heißt es im Pfarreientwicklungskonzept, das St. Gertrud im November 2017 verabschiedet hat, der Standort sei als Gottesdienstort „unbedingt erforderlich“. Aber: Langfristig lasse sich die Nutzung des Kirchengebäudes „nicht mehr mit den hohen Betriebskosten in Einklang bringen“. Eine Aussage über den Erhalt der Kirche über einen Zeitraum von zehn Jahren hinaus, mochte St. Gertrud nicht treffen. Drei Jahre sind seitdem vergangen.
Offenbar ist der Gedanke, sich von dem Kirchengebäude zu trennen, inzwischen gereift. Dazu passen Pläne des Bistums, die Pfarrei St. Gertrud zu einer neuen Innenstadtpfarrei weiterzuentwickeln. Der Essener Dom und die kirchlichen Einrichtungen auf der Dominsel sollen dabei eine größere Rolle spielen, heißt es.
Essens Zentralbibliothek soll vom Rand der Innenstadt ins Zentrum rücken
Ist die Kirche St. Gertrud also verzichtbar? Fest steht: Die Stadt Essen sucht einen neuen Standort für ihre Zentralbibliothek. Der Mietvertrag im Gildehofcenter an der Hollestraße läuft Mitte 2025 aus. Dann soll die Bibliothek vom Rand der Innenstadt in deren Zentrum rücken und dieses beleben, so das Kalkül im Rathaus.
Für die nördliche Innenstadt wäre die Bibliothek zweifellos ein Gewinn und ein belebendes Element. Essens Stadtplaner attestieren dem Quartier zwar seit Jahrzehnten großes Potenzial. Trotz eine Reihe positiver Entwicklungen, darunter die Sanierung der Evangelischen Kreuzeskirche und deren Nutzung als Veranstaltungsort sowie die Investitionen des Allbau, scheint jedoch offen, wohin die Reise geht. Ein Umbau der Kirche St. Gertrud zur Zentralbibliothek könnte über weit die nördliche Innenstadt hinaus ausstrahlen.
Die Stadt Essen prüft mehrere Standorte für eine Zentralbibliothek
Essens Kulturdezernent Muchtar Al Ghusain gibt sich auf Anfrage der Redaktion bedeckt zu den Überlegungen der Verwaltung. Diese habe von der Politik den Auftrag erhalten, einen Standort für die Zentralbibliothek zu suchen. Mehrere Varianten würden derzeit geprüft.
Dass St. Gertrud eine dieser Varianten ist, dem will man in der Verwaltung nicht widersprechen. Nach Informationen dieser Redaktion befasst sich mindestens ein Architekturbüro mit konkreten Entwürfen. Die Planer des renommierten Büros verfügen bereits Erfahrungen mit dem Umbau eines Kirchengebäudes.
Als mögliche Alternative zur Zentralbibliothek an der Hollestraße ist bislang die Theaterpassage an der Rathenaustraße im Gespräch. Die Politik hat die Verwaltung beauftragt, eine Machbarkeitsstudie zu erstellen. Noch liegt die Studie nicht vor.
Pfarrei St. Gertrud
St. Gertrud ist eine von zehn Essener Pfarreien. Ihr Gebiet erstreckt sich von Huttrop über den Stadtkern bis ins Neubauquartier „Essen 51“ sowie vom Museum Folkwang bis nördlich der Essener Universität. Zur Pfarrei gehören die vier Gemeinden St. Gertrud, Hl. Kreuz, St. Ignatius und St. Bonifatius sowie acht muttersprachliche Gemeinden und die Gemeinde der Gehörlosen.
Im Raum standen ferner kurzzeitig Überlegungen, die Zentralbibliothek im Neubau unterzubringen, den der Allbau in der nördlichen Innenstadt am Weberplatz plant – als Ersatz für das ehemalige Haus der Begegnung. Die städtische Wohnungsgesellschaft orientiert sich dabei am gültigen Bebauungsplan und an den Abmessungen des 1910 als Ledigenwohnheim errichteten Gebäudes, das einem Büro- und Geschäftshaus weichen soll. Für die Zentralbibliothek sei der Neubau zu klein, weshalb diese Variante wieder verworfen wurde.
Die Kirche St. Gertrud steht nicht viel mehr als einen Steinwurf entfernt vom Weberplatz. Laut Kulturdezernent Muchtar Al Ghusain wird die Verwaltung die Ergebnisse ihrer Suche nach einem neuen Bibliotheksstandort voraussichtlich Anfang kommenden Jahres der Politik und der Öffentlichkeit vorstellen.