Essen. . Von Spiegel-Bestsellern bis hin zu „Tonies“: Stadtbibliotheks-Direktor Klaus-Peter Böttger erklärt, was die Essener am liebsten ausleihen.

Jetzt machen sie also gemeinsame Sache, die großen Buchhändler Mayersche und Thalia. Und diese Online-Händler verschicken Gedrucktes im Sekundentakt. Auf dem Buchmarkt wird mit harten Bandagen – oder besser harten Folianten – gekämpft. Aber wer nicht kauft, der leiht. Und wo könnte man das besser tun als in einer Stadtbibliothek?

Wir haben mal nachgehört, wie Essens 16 Stadtteilbibliotheken und die Zentralbibliothek an der Hollestraße den Durst der Essener nach Gedrucktem und Digitalem auf Leihbasis stillen. Und dabei geht es, wie bei den großen Händlern, längst nicht mehr nur ums Medium Buch.

Das sind die beliebstens Bücher und CDs in Essens Stadtbibliotheken.
Das sind die beliebstens Bücher und CDs in Essens Stadtbibliotheken. © Gerd Bertelmann

Stadtbibliothek orientiert sich am Buchmarkt

Ob mythologische Familien-Saga, Kleinstadt-Porträt oder Krimi-Reihe, die Essener wollen das, was auch in den Bestsellerlisten von Spiegel, SWR und Co. vorderste Plätze belegt. Im vergangenen Jahr gehörten „Die Perlenschwester“ von Lucinda Riley, „Das Feld“ von Robert Seethaler und „Wer Strafe verdient“ von Elizabeth George zu den Titeln, die am häufigsten vorgemerkt wurden.

„Wir versuchen uns markt- und bedarfsakzeptabel zu verhalten“, sagt Klaus-Peter Böttger, Direktor der Stadtbibliothek. „Wir haben eine sogenannte Standing Order, was die Spiegel-Bestsellerliste angeht. Jeder neue Titel der in die Top Ten kommt, landet am nächsten Tag bei uns in der Bibliothek.“

„Tonies“ bei Kindern beliebt

Sogenannte Tonieboxen erobern die Stadtbüchereinen im Ruhrgebiet. Die „Tonies“ bieten eine neue, kindgerechte Art des Abspielens von Musik und Hörspielen.
Sogenannte Tonieboxen erobern die Stadtbüchereinen im Ruhrgebiet. Die „Tonies“ bieten eine neue, kindgerechte Art des Abspielens von Musik und Hörspielen. © Stadt Bochum

Die Nachfrage auf dem Buch- und Medienmarkt hat Auswirkungen auf den Bestand der Bibliotheken, was Neuanschaffungen angeht. Dabei werde aber stets geprüft, ob der Zukauf eines Titels wirklich Sinn macht, so Böttger. Insbesondere, wenn es sich um neue Trends handelt.

So wie die „Tonies“, diese kleinen Spielzeugfiguren, die man auf einen speziellen, würfelartigen Lautsprecher stecken kann und dann Geschichten erzählen – ob in der Gestalt von Benjamin Blümchen oder Prinzessin Lillifee. Bei kleinen Kindern der absolute Renner im Kinderzimmer. Seit Dezember auch in Essens Bibliotheken: „In Kettwig sind derzeit nur noch zwei von insgesamt 80 Hörfiguren vorhanden. Die Nachfrage ist groß“, sagt Klaus-Peter Böttger.

Über 700.000 Medien ausleihbar

Immer mehr Menschen nutzen das Angebot der Stadtbibliotheken vor Ort, um zu Lernen oder zu Arbeiten. Direktor Klaus-Peter Böttger spricht vom Wandel von der Leih- zur „Nutzerbibliothek“.
Immer mehr Menschen nutzen das Angebot der Stadtbibliotheken vor Ort, um zu Lernen oder zu Arbeiten. Direktor Klaus-Peter Böttger spricht vom Wandel von der Leih- zur „Nutzerbibliothek“. © Kerstin Kokoska

Und auch bei den Erwachsenen sind nach wie vor Hörbücher beliebt. „Literatur wird vielmehr gehört als gelesen“, weiß der Direktor, der regelmäßig einen genauen Blick auf die Statistik wirft. Er kann genau sagen, welche Titel in welcher Häufigkeit ausgeliehen oder vorgemerkt werden.

Mehr als 700.000 Medien stellen die Büchereien in all ihren Zweigstellen

bereit. Bücher, Zeitschriften und Noten machen den Großteil aus. Hinzu kommen die sogenannten Nicht-Buch-Medien, allen voran CDs, DVDs, Brett-, PC- und Konsolenspiele.

„Hier hat sich die Ausleihe in den letzten 15 Jahren verfünffacht“, sagt Klaus-Peter Böttger. Doch der gesamte Bestand ist in den letzten Jahren um mehr als 20% zurückgegangen, weil das Geld für Neuerwerbungen fehlt, aber auch weil sich das Nutzungsverhalten der Kunden verändert hat. „Vieles findet sich im Internet und lässt sich googeln“, weiß Klaus-Peter Böttger, „das merken wir vor allem bei den Sachbüchern. In den vergangenen Jahren hat sich der Bestand hier fast halbiert.“

Elektronisches Angebot nimmt zu

Klaus Peter-Böttger ist Leiter der Stadtbibliothek in Essen
Klaus Peter-Böttger ist Leiter der Stadtbibliothek in Essen

Und es wird längst nicht mehr so viel ausgeliehen, wenn es um Medien im physischen Sinne geht. „Mit dem Angebot der Onleihe-Ruhr hat der elektronische Bestand extrem zugenommen“, sagt der Bücherei-Chef. E-Books, digitale Zeitungen, Tiger Books (interaktive Kinderbücher), Sprachkurse und Online-Datenbanken sind mit 440.000 Zugriffen und 130.000 Downloads pro Jahr ziemlich beliebt. Trotz des digitalen Trends: Etwa 80 Prozent der ausleihbaren Medien sind weiterhin Erzeugnisse aus der analogen Welt.

Ort der Bibliothek im Wandel

Die Menschen gehen aber längst nicht mehr in die Büchereien, um sich etwas auszuleihen. „Die Bibliothek hat sich von einer Leih- zu einer Nutzerbibliothek gewandelt“, erklärt Klaus-Peter Böttger. „Viele Lerngruppen treffen sich hier. Immer mehr Menschen nutzen unser kostenloses Angebot vor Ort.“ Besonders Geflüchtete profitieren davon, gerade beim Sprachenlernen. Viele nutzen die Computerarbeitsplätze für die Recherche und zahlreiche Tische werden von Nachhilfeschülern belegt. Die Bibliothek will deshalb künftig mehr Arbeitsplätze zur Verfügung stellen.

INFO: Wissenswertes rund um die Bibliothek

  • Für Bücher, CDs und Co. muss das Wesen der Leihbibliothek im Vergleich zum Bücherregal daheim ein Graus sein, so oft landen sie in anderen Händen. Laut Direktor Klaus-Peter Böttger halten Bücher zwischen 50 bis 98 Entleihungen aus, CDs etwa 200 bis 250. Bei Neuanschaffungen werden deshalb auch gebundene Bücher bevorzugt.
  • Die größten Nutzergruppen sind die 14 bis 16-Jährigen (vor allem Mädchen) und die 35 bis 45-Jährigen (Eltern mit Kindern). Dahinter flacht die Nutzungskurve sukzessive ab. „Man glaubt immer, im Alter haben die Menschen mehr Zeit zum Lesen. Das bildet sich aber nicht in den Nutzerzahlen ab“, sagt Klaus-Peter Böttger.
  • Im Jahr 2018 haben insgesamt 58.934 Personen Medien in Essens Stadtbibliotheken entliehen. Böttger spricht außerdem etwa 1,2 Millionen Menschen, die die Büchereien vor Ort genutzt haben.
  • Ein Nutzerausweis für die Stadtbibliotheken kostet für Erwachsene derzeit 22 Euro und ist ab Ausstellung ein Jahr gültig. Bis zum 18. Lebensjahr ist Ausweis hingegen kostenlos.
  • Weitere Infos auf den Webseiten der Stadtbiliothek: www.stadtbibliothek-essen.de