Essen. Gefeierter Start von „We Will Rock You“ in Essens Grugahalle: Das Musical erweckt den Konzertort zu neuem Leben und feiert die Hits von „Queen“.

Wenn es um die Rettung der Rockmusik geht, dann ist die Essener Grugahalle kein schlechter Ort. Das Who ist Who der Musikwelt ist hier viele Jahre lang aufgetreten. Zahllose Fans verbinden ihre musikalische Sozialisation bis heute mit dem Rockpalast in Essen. „Dschörman Telewischen praudly präsents“ heißt es hier zwar schon lange nicht mehr. Aber die Rockmusik ist in der Grugahalle nun endlich wieder zurück.

Das Musical „We Will Rock You“ verwandelt den Schmetterlingsbau in den nächsten anderthalb Wochen wieder in einen tobenden Konzertsaal und eine Weihestätte des Rock. Die Premierenbesucher feierten die von Cornelius Baltus neu inszenierte Theaterfassung der englischen Originalproduktion mit zwei Dutzend Queen-Hits am Dienstagabend begeistert.

Ein Besuch der Grugahalle ist ja immer ein bisschen Zeitreise. Aber diesmal geht es nicht zurück in die glorreichen 1960er und 70er Jahre, als Weltstars von den Beatles bis zu den Beach Boys, von den Rolling Stones bis Frank Zappa die Halle rockten, sondern auf den fernen Planeten IPad. Die Zukunft sieht dort für Freunde fetter Gitarrenriffs und druckvoller Schlagzeugsoli aber alles andere als rosig aus: Echte Musik ist verpönt wie Individualität, stattdessen nur noch Computergedaddel und optischer Einheitsbrei.

Altfreak Udo trifft in der Essener Grugahalle auf Lady Gaga

Aber es gibt in diesem Erfolgsmusicial von Ben Elton und Brian May ja noch zwei jugendliche Cyber-Dissidenten, denen die guten alten Songs nicht aus dem Kopf gehen. Gemeinsam mit den Bohemians, der musikbesessenen Widerstandstruppe, die sich ihren Idolen von Udo Lindenberg bis Lada Gaga anverwandelt hat, begeben sich in den Kampf gegen die alles regierende Killer-Queen samt uniformer Gaga-Quirls. Am Ende graben sie die alte Gitarre und die Seele des Rock’n’Roll wieder aus und der Saal stimmt in bester Siegeslaune mit ein: „We are the Champions!“

Philipp Büttner ist in Essen als ungestümer Rock-Retter Galileo zu erleben – mit den Songs und Posen des unvergessenen Freddie Mercury.
Philipp Büttner ist in Essen als ungestümer Rock-Retter Galileo zu erleben – mit den Songs und Posen des unvergessenen Freddie Mercury. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Die Story ist ein bisschen schräg, aber höchst unterhaltsam, und sie bindet die zwei Dutzend Queen-Songs von „I Want to Break Free“ bis „A Kind of Magic“, von „Fat Bottomed Girls“ bis „Another One Bites the Dust“ wunderbar ein. Musikalisch ist die Show ohnehin absolut überzeugend. Die Live-Band im Hintergrund hat das Werk der großen Vorbilder erstklassig im Griff, das Ensemble ist stark besetzt, von Philipp Büttners geschmeidigem Galileo bis zur stimmstarken und seelentiefen Oz von Marina Manogli, der coolen Killer Queen von Linda Holgren und Stuart Pattendens schön-aasigem Handlanger Khashoggi. Inga Krischke bringt für die Rock-Retterin Scaramouche nicht nur enorme Energie und Spielfreude, sondern auch eine veritable Rockröhre mit, die an der Folkwang-Universität der Künste ausgebildet wurde. Als Paar funktionieren Büttner und Krischke auch im vergnüglichen Geschlechterkampf prächtig. Ihr Duett „Who Wants to Live Forever“ sorgt für Gänsehaut.

Die Story pendelt dabei souverän zwischen dem musikalischen Gestern und launigen Gegenwartsbezügen, etwa wenn Altfreak Udo (herrlich nölig: Gavin Turnbull) seine alte Harley noch mal rausholt zum letzten Gefecht und es heißt: „Haste vollgetankt? Biste pleite?“ Deutsch sind die Dialoge, gesungen wird – anders als in der früheren Musicalfassung – nun dankenswerter Weise englisch. Die Mega-Hits von „Radio Ga Ga“ bis „Crazy Little Thing Called Love“ kann ohnehin jeder mitsingen.

„We Will Rock you“ sollte vor Corona eigentlich noch im mittlerweile geschlossenen Essener Colosseum-Theater laufen. Die Verlegung in die Grugahalle sorgt zwar für schöne musikhistorische Bezüge, ist aber auch eine Herausforderung für die Veranstaltungstechnik. Doch die riesige Bühne, ausgeklügelte Videoeffekte und ein aufwendiges Lichtdesign sorgen für echte Theater-Atmosphäre und räumliche Tiefe, um das Publikum in die endlose Weite des Hituniversums der Kult-Band „Queen“ zu führen.

Sie wollen den Rock zurück: Szene mit (im Vordergrund, v. li.): Philipp Büttner, Inga Krischke, Gavin Turnbull und Marina Maiglio im Queen-Musical „We will Rock You“.
Sie wollen den Rock zurück: Szene mit (im Vordergrund, v. li.): Philipp Büttner, Inga Krischke, Gavin Turnbull und Marina Maiglio im Queen-Musical „We will Rock You“. © Live Nation | Sven Darmer

Der schnelle Wechsel zwischen gelacktem Cyber-Hogwarts und archaischer Mad-Max-Landschaft sorgt dabei auch ohne mächtige Kulissenaufbauten für große Bilder. Da braust die Killer-Queen mit Riesen-Joystick durch eine dreidimensionale Landschaft, während das Hartbreak-Hotel zum Museum der analogen Sound-Erzeugung mutiert, samt diesem seltsamen Ding namens Video.

In Essen taugte manchem der Großfamilien-Besuch am Eröffnungsabend so bisweilen auch zum pädagogischen Anschauungsunterricht. Schaut her, Kinder, das ist noch echter Rock’n’Roll! Und wenn der Bass zwischendurch in die Magengrube wummert und das Klangkunstgroßwerk „Bohemian Rhapsody“ am Ende zum fulminanten Finale ausholt, dann ist klar: Der Rock’n’Roll ist nicht totzukriegen – und hat in der Grugahalle immer noch ein Zuhause.

Infos zum Musical

Das Hit-Musical „We Will Rock You“ von Queen und Ben Elton läuft bis zum 3. Juli in der Grugahalle Essen, Messeplatz 2. Vorstellungen: Mi-Fr 19.30 Uhr, Sa 14 und 19.30 Uhr, So 14.30 Uhr, außer 26. Juni: 13 und 18 Uhr.Karten ab 40 Euro gibt’s an allen bekannten Vorverkaufsstellen und auf www.ruhrticket.de