Essen. Stage Entertainment trennt sich vom Colosseum Essen. Über die künftige Nutzung des Hauses herrscht Rätselraten. Zahlen besser als in Oberhausen.

Weihnachten wird das Musical „Flashdance“ im Colosseum festliche Funken schlagen. Vorab schauen noch mal die Jungs von „Marillion“ vorbei, gefolgt von Comedian Johan König, Sänger Max Herre und den Welthits von Elvis und Elton John in der Musical-Version. Das Colosseum-Theater ist zwar schon seit 2010 keine feste Musicalbühne mehr, doch mit Konzerten, Gala-Abenden, Musical-Gastspielen, Tagungen und Firmenveranstaltungen war die ehemalige Krupp-Werkstatthalle mit ihrer imposanten Industrie-Architektur ein wichtiger Veranstaltungsort in der Stadt. Nun aber will die bisherige Eigentümerin Stage Entertainment das Colosseum verkaufen. Über das jeweilige Nutzungskonzept der beiden Kauf-Interessenten herrscht bislang jedoch Rätselraten.

Nutzung soll sich an der Würde des Ortes und den Denkmalschutz-Auflagen orientieren

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Nach Angaben von Stephan Jaekel, Unternehmenssprecher der Stage Entertainment in Hamburg, gebe es derzeit zwei „sehr ernsthafte und seriöse Anbieter“ für die Immobilie am Berliner Platz. Deren Angebote würden zwar „der Würde des Ortes und vor allem den Auflagen des Denkmalschutzes“ gerecht, doch „wechselnde Veranstaltungen wie bisher wird es nach dem derzeitigen Stand nicht mehr geben“, erklärt Jaekel. Was kommt, lässt der Sprecher noch offen, doch die Auflagen seien streng: „Da kann längst nicht alles rein, was sich ein auf Profit schauender Investor wünschen würde.“

Ein Ereignis für sich: Das Foyer des Colosseum-Theaters. Seitliche Emporen umgeben den 25 Meter hohen Raum und sorgen für spektakuläre Aussichten.
Ein Ereignis für sich: Das Foyer des Colosseum-Theaters. Seitliche Emporen umgeben den 25 Meter hohen Raum und sorgen für spektakuläre Aussichten. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Noch seien die Verhandlungen nicht abgeschlossen, doch Jaekel geht offenbar von einer raschen Abwicklung aus. Man werde ab sofort „vorsichtig darauf schauen, was Karten-Buchungen über den Sommer hinaus betrifft“. Wie es dann mit dem imposanten dreischiffigen Backsteinbau mit dem 25 Meter hohen Foyer und dem über 1400 Plätze fassenden Theatersaal weitergeht? Jaekel verrät nur so viel: „Es wird kein belangloses Hotel werden.“ Bei einem der beiden Kauf-Interessenten sei eine kulturelle Nutzung zumindest im weiteren Sinne gegeben. Der Stage Entertainment-Sprecher schätzt außerdem, „dass das Haus vielen Menschen offen bleibt“. Das bisherige Nutzungskonzept schöpfe die Potenziale der über 5000 Quadratmeter fassenden Immobilie mit ihren Galerien, Seitenräumen und dem bislang kaum genutzten Studio-Theater „jedenfalls gar nicht richtig aus“.

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Als die Nachricht vom möglichen Verkauf des Colosseums in der vergangenen Woche bekannt wurde, war die Essener Situation rasch mit der wirtschaftlichen Lage in Oberhausen gleichgesetzt worden. Doch so schlecht wie in Oberhausen fallen die Zahlen in Essen offenbar gar nicht aus. Man habe das Haus „insgesamt in hoher Frequentierung vermieten können“, sagt Jaekel. Wirtschaftlich habe das Ergebnis „gerade so gereicht. Wir hätten unsererseits den Stecker vielleicht gar nicht gezogen“, bekennt Jaekel. Mit dem Aus fürs Oberhausener Metronom-Theater und dem Auftreten zweier Kaufinteressenten dürften nun zwei nicht ganz unwillkommene Anlässe zusammengetroffen sein, um das Essener Engagement nach zehn Jahren zu beenden.

„Das Colosseum ist eines der schönsten Musicaltheater der Republik“

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Ohnehin sei das Colosseum mit seinen wechselnden Nutzungen schon seit langem ein Unikat im Portfolio der Stage Entertainment, deren Markenkern nun mal der dauerhafte En-Suite-Betrieb ist, erklärt Jaekel. In Hamburg oder Berlin fänden Musicals wie „Pretty Woman“ und der unverwüstliche „König der Löwen“ nach wie vor viele Besucher aus dem Ruhrgebiet. Mit dem Aus für Metronom-Theater und Colosseum dürfte das Ruhrgebiet, wo doch einst der „Broadway an der Ruhr“ entstehen sollte, nun selber aber zur Unterhaltungs-Diaspora werden.

So fing es an: 1996 wurde im Colosseum die erste Musicalpremiere mit „Joseph And The Amazing Technicolor Dreamcoat“ gefeiert.
So fing es an: 1996 wurde im Colosseum die erste Musicalpremiere mit „Joseph And The Amazing Technicolor Dreamcoat“ gefeiert. © NRZ | Bodo Remo Tietz

Bedauert wird das nicht nur von zahlreichen Gästen. Auch für etliche Veranstalter war das Colosseum bislang ein bedeutsamer Standort im Revier. Dass das Colosseum zudem „eines der schönsten Musicaltheater der Republik ist“, steht für Dietmar Maier, Unternehmenssprecher von BB-Promotion, außer Frage. Das Mannheimer Live-Entertainment-Unternehmen zeigt seine hochklassigen Tourproduktionen seit Jahren in der umgebauten Krupp-Halle. Die Planungen für die nächsten Produktionen laufen schon bis Ende 2020 und darüber hinaus. Sollte der Standort in Essen ab dem kommenden Sommer tatsächlich zur Disposition stehen, sieht nicht nur Maier eine schwere Lücke für den Unterhaltssektor im Ruhrgebiet. Man seit zwar auch in Häusern wie dem Konzerthaus Dortmund präsent, doch für Großproduktionen wie beispielsweise die „West Side Story“ brauche es eine aufwendige Bühnentechnik, wie im Colosseum gegeben. Ein Umzug beispielsweise in die Philharmonie oder andere Säle wäre zumindest für solche Produktionen ausgeschlossen.

Die Colosseum-Chronologie

Der Name Colosseum bezieht sich auf ein bekanntes Essener Varieté-Theater, das von 1899- 1929 am Kopstadtplatz stand.

Um 1900 entstand auch die Mechanische Werkstatt der Firma Krupp. In dem Backsteingebäude wurden Lokomotivrahmen und Kurbelwellen hergestellt, später Dampf- und Gasturbinen.

1988 wurde das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt. Mitte der 1990er Jahre wurde die einstige Werkhalle dann zum Musical-Theater umgebaut.

Im Dezember 1996 feierte das Musical „Joseph And The Amazing Technicolor Dreamcoat“ im Colosseum Premiere. Es folgten Produktionen wie „Elisabeth“, „Aida“ und „Mamma Mia!“

Nach der Insolvenz der Stella Entertainment übernahm Stage Entertainment die Spielstätte als Eigentümerin.

Auch Essens Kulturdezernent Muchtar Al-Ghusain bedauert das Wegbrechen einer Sparte, die man seitens der Essener Theater und Philharmonie bislang gerne den Privatanbietern im Colosseum überließ. „Kultur auf gutem Niveau und in großer Vielseitigkeit“ sei ein wichtiger Standortfaktor für eine Stadt wie Essen. Eine reelle Chance auf Einflussnahme sieht Al-Ghusain freilich nicht. Die Aufgabe der Essener Kulturpolitik sei es nun mal nicht, schwächelnde Unterhaltungs-Unternehmen zu stützen.

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