Essen-Nordviertel. Die Bewohner im Essener Nordviertel sollen sich mehr mit ihrem Stadtteil identifizieren. So soll das erreicht werden.

Fliegende Einhörner im Essener Nordviertel? Dreiköpfige Drachen, Paradiesvögel und Luftschlösser? Das Auge kann sich gar nicht sattsehen an den fantasievollen Figuren. Die Farben knallen, die Motive sind fröhlich. Christiano Ronaldo darf auch nicht fehlen. An der Gertrudisstraße zaubern ein Garagenhof und eine Hauswand dem Betrachter ein Lächeln ins Gesicht. Das Kooperationsprojekt „Ich bin da, wo ich lebe!“ ließ 120 Viertklässler der Grundschule Nordviertel kreativ werden: „Wer bin ich? Wer möchte ich mal sein? Was ist mir wichtig?“ Auch Mieter der Wohnbaugesellschaft Vonovia konnten sich einbringen und mitbestimmen, wie ihr Haus zukünftig aussehen soll.

Vonovia hat Quartiersentwicklung im Essener Nordviertel im Blick

Alles begann bei einer Street Art-Aktion in Frohnhausen. Maria Garcia Lora von der Caritas-SkF-Essen war begeistert von den farbenfrohen Werken. Mit der „Perspektive Nord“ wirkt die cse seit Jahren an einer positiven Entwicklung des Quartiers mit. Marcia Garcia Lora handelte intuitiv und sprach den Künstler und Wandmaler Gábor Doleviczényi an.

Garagenwände an der Essener Gertrudisstraße im Nordviertel wurden nach Vorlagen von Kinderbildern bemalt.
Garagenwände an der Essener Gertrudisstraße im Nordviertel wurden nach Vorlagen von Kinderbildern bemalt. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Der 43-jährige Diplom-Kommunikationsdesigner war schnell überzeugt: „Maria ist eine Visionärin, die Nägel mit Köpfen macht.“ Nun kam Vonovia-Regionalmanager Ralf Feuersenger ins Spiel. Dem Unternehmen gehören 1400 Wohneinheiten im Nordviertel. Man sieht sich in der Verantwortung, die Identifikation mit dem Stadtteil zu fördern und sein Image zu verbessern: „Bei der Quartiersentwicklung spielen Kunst und Kultur eine wesentliche Rolle. Wir wollen den Ort bunter werden lassen und nehmen dabei die Bewohner mit.“

Essener Jugendhilfswerk will „Straßenkarrieren“ verhindern

Auch Eyyüphan Duy vom Jugendhilfswerk Dein-Kult erkannte das Potenzial: „So können wir Wertschätzung ausdrücken für die Menschen in einem Stadtteil, der zwischendurch in Vergessenheit geraten war.“ Das Jugendhilfswerk möchte frühzeitige „Straßenkarrieren“ verhindern und für Bildungschancen und Zukunftsperspektiven von Kindern aus sozial benachteiligten Lebensverhältnissen zu sorgen: „Um sich gegenseitig zu respektieren, muss man sich kennenlernen. Umso wichtiger, dass sich alle Akteure in Netzwerken zusammenfinden.“

Das Projekt „Ich bin…Mensch!“ soll für ein konfliktfreieres, tolerantes Miteinander stehen: „Menschen verändern sich mit der Situation. Kunst in öffentlichen Raum kann Veränderungen sichtbar machen.“

Neslihan Duy (Dein Kult, v.l.), Ralf Feuersenger (Vonovia), Eyyüphan Duy (Dein Kult), Gabor Doleviczenyi und Maria Garcia Lora (CSE) unterstützen das Essener Kooperationsprojekt „Ich bin da, wo ich lebe!“
Neslihan Duy (Dein Kult, v.l.), Ralf Feuersenger (Vonovia), Eyyüphan Duy (Dein Kult), Gabor Doleviczenyi und Maria Garcia Lora (CSE) unterstützen das Essener Kooperationsprojekt „Ich bin da, wo ich lebe!“ © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Schulleiterin Rabea Hepke, Kunstlehrerin Tanja Trebuth und Sozialpädagoge Robert Lamprecht waren sofort Feuer und Flamme. Mit Stiften und Zeichenblöcken bewaffnet, zog Gábor Doleviczényi los und begeisterte die Schüler. Als der Künstler anfing, die Schöpfungen der Kinder vergrößert auf Garagentore und -wände zu übertragen, war er stets umringt: „Die Kids kamen vorbei und wollten schauen, ob ihr Motiv auch dabei ist.“ So manche Zeichnung habe ihn berührt: „Oft war das nicht direkt klassisch schön gemalt, hatte aber eine unglaubliche Dynamik.“

Gigantisches Wandgemälde an Essener Gertrudisstraße

An einer Giebelfläche des Hauses Gertrudisstraße 1 war Platz. Viel Platz für ein gigantisches Wandgemälde. Künstler Doleviczényi stellte den Bewohnern des Hauses drei verschiedene Entwürfe vor: „Partizipation ist mir wichtig bei meinen Projekten.“ Per Stimmzettel wurde der Favorit gewählt: „Es gab ein tanzendes Paar, eine Version mit vielen Menschen und als drittes eine rein grafische Lösung. Die hat gewonnen. Den Hausbewohnern war etwas Zeitloses wichtig. Und bunt sollte es sein.“

Das Projekt auf Instagram

Die cse betreibt im Nordviertel den bunten Bauwagen Tiegelino als Anlaufstelle für die Bewohner, setzt mobile Quartiershausmeister und in der Grundschule eine Schulsozialarbeiterin ein. Gefördert wurde das Projekt „Ich bin da, wo ich lebe“ durch die Stadt, den Verfügungsfonds Altenessen-Süd/Nordviertel sowie Vonovia und dem Dein-Kult-Café. Jugendliche haben als Teil des Projekts auch verschiedene Interviews geführt. Diese können bei Instagram unter instagram.com/deinkult_eV eingesehen werden.

Ein sehr farbenfrohes Gemälde entstand: „Wegen der vogelkopfähnlichen Flächen habe ich es Paradiesvögel getauft.“ Auch hier hatte das Arbeiten Happening-Charakter: „Die Anwohner haben sich rührend gekümmert um uns. Da war so viel Herzlichkeit.“ Den „Ritterschlag“ habe er aber erhalten, als ihm ein älterer Herr sagte: „Jetzt sind alle Kinder hier im Viertel glücklich.“