Essen-Rüttenscheid. Zwei Stunden blieb am Samstag der Marktplatz in Essen-Rüttenscheid autofrei. Was hinter der Aktion steckte und welche Ziele damit verbunden sind.

Zwei Stunden lang war der Rüttenscheider Marktplatz am Samstag komplett autofrei. Stattdessen führten Kreide-Künstler die Regie, malten von Kindern unterstützt bunte Bilder auf den grauen Asphalt. Aufgerufen hatte dazu die Initiative Klimaentscheid, um Zeichen für eine Verkehrswende und den Klimaschutz zu setzen.

Künstler und Kinder waren mit bunter Kreide unterwegs

Erst vor kurzem hatte die Bezirksvertretung II über die Zukunft des Gestaltung des Platzes im Herzen von Rüttenscheid gesprochen. Die Aufenthaltsqualität müsse besser werden, hieß es am Ende, nicht ohne ein paar konkrete Vorschläge wie zusätzliche Bänke und mehr Grün auf den Weg zu bringen, mit denen sich die Verwaltung befassen soll. Die Akteure dieses Mal setzten viel grundsätzlicher an.

Initiative will klimaneutrales Essen bis 2030 erreichen

Die Initiative Klimaentscheid Essen setzt sich für ein klimaneutrales Essen ein und wirbt derzeit dafür, dass der Rat in seiner Sitzung am 30. Juni die Weichen stellt, dieses Ziel bis 2030 zu erreichen.An der Aktion auf dem Rüttenscheider Marktplatz waren die Künstler Gábor Doleviczényi, Aaron St., Ursula Meyer, The Top Notch, Lea Carla Diestelhorst, Leonie Eickenbusch und Nils mit von der Partie. Kulturmanagerin Inga Sponheuer half bei der Organisation.Die Akteure hatten am Samstag zunächst abgewartet, bis die Stadtreinigung den Platz nach dem Wochenmarkt gesäubert hatte. Im Anschluss an die Kreideaktion sorgten Helfer dafür, dass die bunten Bilder verschwanden und Autos wieder parken konnten.

Lea Carla-Diestelhorst gehörte zu dem Künstlerkreis, der den Leuten vor Augen führen wollte, welcher Freiraum entsteht, wenn der Platz nicht von Autos beherrscht werde, sondern farbenfroh Gestalt annehme. „Es würde dem Stadtteil gut tun, wenn er frei bliebe“, so die 33-Jährige. Schön wäre es doch sicher auch, wenn man nicht nur grüne Pflanzen malen, sondern sie auch ganz real hier unterbringen würde, meinte dazu eine Besucherin.

Graffiti-Künstlerin Ursula Meyer (l.) war mit von der Partie und brachte mit weiteren Besuchern Farbe auf den grauen Asphalt.
Graffiti-Künstlerin Ursula Meyer (l.) war mit von der Partie und brachte mit weiteren Besuchern Farbe auf den grauen Asphalt. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Nur wenige Meter von ihr entfernt hatte sich der Künstler Aaron St. eingefunden, St. steht für seinen Hausnamen Stratmann. Er beteiligte sich an den großen Lettern des Satzes: „Another world is possible“. Wie nun eine andere Welt möglich ist, darüber wurde an diesem Nachmittag sehr viel diskutiert, der Marktplatz als Chance gesehen, ein kleiner Baustein im Großen und Ganzen zu sein.

Lebensqualität im Stadtteil Rüttenscheid steigern

Wenn es an einem Samstag gelinge, die Autos fernzuhalten, dann müsse es doch auch generell Chancen geben, den Blechlawinen Einhalt zu gebieten, meinte Janusch Kutschker (40). Er besitze durchaus auch selbst ein Auto. Darauf zu verzichten, wäre sicherlich nicht einfach. Doch es sei an der Zeit, den Menschen öffentliche Flächen zurückzugeben, nachdem man dem Auto in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr Platz zugebilligt habe. Ein freier Marktplatz steigere die Lebensqualität insgesamt im Stadtteil, Kinder hätten hier auch mehr Platz zum Spielen.

Von den Jüngsten nutzten eine ganze Reihe die Gunst der Stunde, schnappten sich Kreide und malten nach Lust und Laune. Andere trafen sich zum Seilchenspringen ein oder tobten sich auf dem Platz aus. Nach den Monaten des Lockdowns kam die Gelegenheit dazu offensichtlich wie gerufen.

Suche nach Wegen, um den Autoverkehr zu verringern

Künstler Gábor Doleviczényi beteiligte sich an der Kunstaktion und inspirierte Kinder und Erwachsene, sich ihm anzuschließen.
Künstler Gábor Doleviczényi beteiligte sich an der Kunstaktion und inspirierte Kinder und Erwachsene, sich ihm anzuschließen. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Eine Familie hatte Decken und Obst mitgebracht, machte es sich für ein Picknick gemütlich. Die Aktion verdiene große Aufmerksamkeit, hob die 40-jährige Mutter hervor, die ihren Namen aber nicht so gerne in den Medien lesen möchte. Sicherlich biete Essen viel Natur, der Grugapark sei nicht weit. „Aber wo gibt es schon einen solch großen Platz inmitten eines Stadtteils?“ Architekt Jan Kucera wünscht sich, noch viel stärker als bisher, über intelligente Lösungen nachzudenken, wie man den Autoverkehr verringern kann, um am Ende auch weniger Parkplätze zu benötigen. Welche Schritte zum Ziel führen können, damit befasse er sich sehr eingehend, sagt der 40-Jährige Carsharing-Nutzer.

Ein Relikt aus der jüngeren Geschichte hatte Philipp Unger mitgebracht, eine gelbe Fahne aus der Aktion Schachtzeichen. Im Kulturhauptstadtjahr 2010 erinnerten solche Flaggen in Kombination mit gelben Ballons an frühere Bergbaustandorte und waren zugleich ein Zeichen für Wandel.