Essen-Altenessen. Das Jugendhilfswerk „Dein Kult“ startet die Aktion „Ich bin Mensch“. Ein Ziel ist es, dass Jugendliche nicht aus dem Essener Norden wegziehen.
„Ich bin Mensch“ heißt das neue Projekt des Altenessener Jugendhilfswerks „Dein Kult“. Ziel ist es, Jugendlichen eine berufliche Perspektive zu bieten und den Austausch mit anderen Bürgern im Norden zu verstärken.
Reza ist einer von acht Jugendlichen, der an der Foto-Aktion teilnimmt. Mit einem bunten Schild mit der Aufschrift „Ich bin Mensch“ macht er sich mit den anderen Teilnehmenden vom interkulturellen Stadtteilzentrum „KD 11/13“ an der Karl-Denkhaus-Straße auf zum nahe gelegenen Friseur. Dort angekommen, übergibt der 18-Jährige einer Friseurin das Schild und positioniert sie vor der Kamera. Erst ein Foto, dann ein kurzes Video. „Was wünscht du dir als Mensch? Und was kannst du dafür tun?“, fragt Reza sie.
Die Fragen hat er gemeinsam mit den anderen Projektteilnehmern erarbeitet. „Im Mittelpunkt des Projekts steht die Menschlichkeit“, so Eyyüphan Duy, Vorsitzender des Vereinsvorstands bei der Vorstellung des Projekts. Mit den Fragen sollen die Jugendlichen herausfinden, welche Themen ihren Mitmenschen wichtig sind und wie diese versuchen, ihre Ziele zu erreichen.
Jugendliche sollen Medienkompetenz lernen
Wie er auf andere Menschen zugeht, wie er ein gutes Porträtbild erstellt und es im Anschluss erfolgreich in den Sozialen Medien verbreitet, all das lernt Reza in insgesamt 15 Workshops bei „Dein Kult“. Ziel des neuen Projektes ist es laut Duy, den Jugendlichen eine berufliche Perspektive zu bieten, indem sie ihre Medienkompetenz verbessern und Erfahrungen in der Öffentlichkeitsarbeit sammeln.
Sie sollen lernen, professionell zusammenzuarbeiten und ihre eigenen Stärken zu entdecken, so Duy. Außerdem will er ihnen zeigen, wie sie Aufmerksamkeit auf Themen lenken, die ihnen wichtig sind. Viele von ihnen beschäftigen sich beispielsweise mit ihren Bildungschancen, Integration und Vorurteilen. Als Anreiz bekommen die Jugendlichen 25 Euro pro Tag.
Ziel der Foto-Aktion: Miteinander im Essener Norden fördern
Es gehe aber auch darum, „den Norden zu vernetzen“, betont Duy. Indem die Jugendlichen auf die Essener zugehen und mit ihnen ins Gespräch kommen, sollen sich alle besser kennenlernen können, Barrieren abgebaut werden.
„Wir wollen eine Gesellschaft unterstützen, in der wir alle zusammenleben können. Eine, in der die Menschen nicht aus dem Norden wegziehen, sondern hierbleiben“, erklärt Duy und spielt auf die Altenessen-Debatte an, in der Thomas Spilker, Vorsitzender der FDP im Essener Norden erklärt hatte, die Integration sei dauerhaft gescheitert. „Ich empfehle jedem, hier wegzuziehen, weil die Politik keine Änderung will“, erklärte der Politiker im Herbst vergangenen Jahres.
Dagegen wehrt sich das Dein-Kult-Projekt und startet auch eine Interviewreihe auf YouTube, in denen die Jugendlichen mit Politikern und Aktivisten darüber sprechen, was den Befragten wichtig ist und wie sie sich engagieren. Geplant ist unter anderem ein Interview mit dem Sprecher der Jüdischen Gemeinde.
Bei der Vorstellung des Dein-Kult-Projektes im Café des Jugendhilfswerks interviewte die zwölfjährige Celine direkt die Staatssekretärin für Integration im Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes NRW, Serap Güler.
„Was bedeutet ‘ich bin’ für Sie?“, so die Auftaktfrage des Mädchens, die Güler für ein Vorbild für Jugendliche mit Einwanderungsgeschichte hält. „Ich bin Frau, politisch und für andere da“, antwortet Güler. „Ich finde das Projekt sehr spannend. Ich liebe es, mit Jugendlichen zu arbeiten und junge Menschen zu motivieren“, begründet die Politikerin ihre Unterstützung. Mit Celine spricht sie auch über Bildung, Benachteiligung, Familie und Migration.
Weitere Projekte in Planung
Zum Auftakt wird ein weiteres Interview mit Ralf Bockstedte, dem Schirmherrn des Vereins, geführt. „Es fehlt an Kommunikation“, beklagt Bockstedte gegenüber der Interviewerin Tabea. Als Rollstuhlfahrer erlebe er häufig, dass Menschen sich nicht trauen würden, ihn anzusprechen. Die 18-Jährige ist in Karnap aufgewachsen und erwidert: „Jeder Stadtteil ist besonders. In Karnap kennt man sich untereinander.“
Bockstedte findet es besonders in der Corona-Pandemie wichtig, den Jugendlichen berufliche Perspektiven aufzuzeigen. „Die Zukunftsaussichten in der Corona-Zeit sind für viele junge Menschen ein Problem“, so Bockstedte, der auch im Essener Stadt- und Integrationsrat sitzt.
Die Foto-Aktion läuft noch bis Herbst. Dann starten gestaffelt neue Projekte. Geplant ist unter anderem ein Rap-Workshop für Mädchen sowie Upcycling-Kurse, in denen die Jugendlichen lernen, scheinbar unbrauchbare Gegenstände aufzuwerten und in etwas Neues zu verwandeln.