Essen. Der neue Königshof in Essen ist eine Baustelle der Superlative: Jetzt kommt ein innovatives Gerät zum Einsatz, das Lärm wie ein Düsenjäger macht.
Das Geknatter der Presslufthämmer dringt schon seit Monaten aus dem Innern des alten Kaufhof-Warenhauses am Willy-Brandt-Platz in Essen. Doch das ist nichts im Vergleich zu dem Spezialgerät, das seit wenigen Tagen an der Großbaustelle direkt am Eingang zur Innenstadt zum Einsatz kommt.
[Hier unseren kostenlosen Newsletter mit Nachrichten aus Essen abonnieren]
Die sogenannte Hochdruck-Wasserpumpe, im Baustellen-Jargon kurz „Lanze“ genannt, arbeitet mit 2500 bar Druck und dreifacher Schallgeschwindigkeit. „Die Lanze macht einen Höllenlärm“, sagt Architekt Jürgen Resch vom Düsseldorfer Büro „RKW Architektur +“.
Scharf, heiß, innovativ: Presslufthämmer sind im Vergleich zur „Lanze“ Spielzeuge
Aus zehn Schritten Entfernung hört sich das Hochdruck-Wunder an wie ein Düsenjäger auf der Startbahn. Ohne Gehörschutz kommt hier keiner auf die Baustelle. Am Dienstag haben sie das Gerät zum ersten Mal eingesetzt. Der Auftrag: Die Unterzüge müssen ertüchtigt und verstärkt werden. „Wir brauchen es, um Beton abzutragen und die Bewehrung freizulegen, damit statisch notwendiges Eisen eingeflochten werden kann“, fügt Resch hinzu.
Der Strahl der Hochdruck-Wasserpumpe ist messerscharf und heiß. Selbst der härteste Beton hat gegen den Strahl keine Chance. Mit dem wuchtigen Presslufthammer kämen sie kaum voran, der Wasserstrahl hingegen gewährleiste sogar eine schonende Vorgehensweise. Es sei mit die innovativste Technologie, die zurzeit auf dem Markt sei, betonen sie stolz.
Auch interessant
Waldemar Feit, der Mann an der „Lanze“, steht oben im vierten Obergeschoss auf dem zwei Meter hohen Gerüst, er trägt einen gelben Schutzanzug und Helm mit Visier vor dem Gesicht. Kaum trifft der Wasserstrahl auf Beton, prasseln die ersten Kieselsteine zu Boden. „Die Arbeit ist Stress pur, nach zehn Minuten ist eine Pause fällig“, sagt Resch. Die Arbeit an der Lanze erfordert allerhöchste Konzentration. Die anderen Arbeiter auf der Großbaustelle halten aus gutem Grund gebührend Sicherheitsabstand: Würde jemand aus Versehen in die Lanze laufen, wäre er auf der Stelle tot.
Damit der Lärm für die Passanten draußen auf dem Willy-Brandt-Platz gedämpft wird und kein Wasser nach außen dringt, haben sie die offene Fassade mit Holzwänden dicht gemacht. Pro Geschoss müssen 16 Unterträger mit der Lanze bearbeitet werden, das macht bei fünf Etagen insgesamt 80 Stück. „In gut sieben Wochen dürften wir damit durch sein“, schätzt Polier Uwe Hirzel.
Aus dem alten Kaufhof (früher Horten) entsteht der neue Königshof. Der Eigentümer, die Kölner Koerfer-Gruppe, baut das alte Warenhaus um in ein modernes Geschäfts- und Bürogebäude, das mit der abgerundeten Fassade stark an das frühere DeFaKa-Warenhaus erinnert. Als dieses 1977 dem neuen Horten-Warenhaus weichen musste, waren die Düsseldorfer RKW-Architekten ebenfalls schon mit am Werk. Der Neubau war ein Entwurf von Friedel Kellermann, er steht für das K in RKW.
Königshof erhält im Innern ein Atrium
Monatelang standen im alten Kaufhof Abbrucharbeiten auf der Tagesordnung. Abgeschlossen sind sie längst noch nicht, aber stellenweise hat schon der Aufbau begonnen – wie etwa an der Front zur Lindenallee hin, die durch neue Betonteile statisch verstärkt wird.
Die Großbaustelle Königshof teilt sich auf in 30 Rohbaustellen. Ganz unten an der tiefsten Stelle des Gebäudes, im gut zehn Meter unter dem Willy-Brandt-Platz liegenden Keller, werden mit viel Aufwand die Fundamente verstärkt, damit darauf Wände errichtet werden können, die neue Decken zu tragen haben.
Es sind Dimensionen der Superlative, mit denen es die Architekten und Arbeiter, Statiker und Prüfstatiker, auf der Baustelle Königshof zu tun haben. Mittendrin oben auf Etage vier sind sie an diesem Donnerstagvormittag dabei, dicke Quader aus der Betondecke zu lösen, um Platz für das große Atrium zu schaffen. Zuerst machen sie den Beton mit Kernbohrungen löcherig, dann schneiden sie portionsweise ganze Blöcke heraus, die der Groß-Kran ins Freie hievt und auf dem Willy-Brandt-Platz ablegt. „Vier Tonnen wiegt solch ein Betonklotz“, sagt der Polier.
Das künftige Atrium befindet sich in dem Schacht für die alten Rolltreppen, der nun auf 20 mal 10 Meter vergrößert werden muss. Hoch oben am Dach haben sie bereits 200 Quadratmeter Beton herausgenommen. Wenn Jürgen Resch in den blauen Himmel schaut und ihm das Licht entgegenflutet, geht ihm das Herz auf. „Wir schnitzen uns gerade ein ganz neues Gebäude“, sagt er und lächelt zufrieden.