Essen-Stoppenberg. Nach dem Abriss einer Fußgängerbrücke in Essen-Stoppenberg queren einige Menschen ungeschützt die Gleise. Das weckt schreckliche Erinnerungen.

Die alte Fußgängerbrücke über die Köln-Mindener-Eisenbahn in Essen-Stoppenberg ist seit einem Jahr abgerissen. Bauzäune auf der einen und eine Schallschutzwand auf der anderen Seite zeugen von dem Bauwerk, das in den kommenden Jahren ersetzt werden soll. Wer genau hinschaut, erkennt am Großwesterkamp ein paar Meter neben dem Bauzaun aber auch einen Trampelpfad in Richtung Gleise und eine Lücke in der Hecke neben der Schallschutzwand zur Köln-Mindener-Straße auf der anderen Seite.

Alle fünf Minuten kommt auf der Bahnstrecke in Essen-Stoppenberg ein Zug

„Wir haben Hinweise darauf erhalten, dass die Gleise an Stelle der ehemaligen Fußgängerüberführung häufig von Fußgängern gequert werden und fordern Stadtverwaltung und Bahn auf, kurzfristig Abhilfe zu schaffen“ erklärt Joachim Kluft, Ratsherr des Essener Bürgerbündnisses (EBB).

Auf dem Streckenabschnitt zwischen Essen-Altenessen und Gelsenkirchen Hbf fahren sowohl Züge des Personenverkehrs, also des Fern- und Nahverkehrs, als auch Güterzüge. Je nach Wochentag verkehren hier nach Angaben der Deutschen Bahn rund 170 bis 270 Züge, im Schnitt rast also alle fünf Minuten einer vorbei. „Während Bauarbeiten auf umliegenden Strecken dient der Abschnitt außerdem als Umleitungsstrecke, sodass sich das Zugaufkommen gelegentlich erhöht“, erklärt eine Bahnsprecherin.

Unfälle mit Toten in den 1970er-Jahren an der „Todesschranke“ in Essen-Stoppenberg

Die Essenerin Silvia Blaskowski erinnert sich an die Zeit in den 1970er-Jahren, als dort noch keine Brücke stand: „Wir sind ständig dort rüber gelaufen und auch mit den Rädern rüber gefahren: Als Jugendliche macht man sich da keine Gedanken.“ Für Kinder der nahen Rahmschule diente die Strecke schon damals als Schulweg, ebenso für jene des Schulzentrums am Stoppenberg. Die heute 66-Jährige nutzte die Strecke auf ihrem Weg zur Arbeit jedoch auch mit der Bahn.

Am Großwesterkamp in Essen steht dort, wo die Fußgängerbrücke abgerissen wurde, ein Bauzaun. Silvia Blaskowski erinnert sich an die Zeit, als dort noch ein Schrankenwärterhäuschen stand.
Am Großwesterkamp in Essen steht dort, wo die Fußgängerbrücke abgerissen wurde, ein Bauzaun. Silvia Blaskowski erinnert sich an die Zeit, als dort noch ein Schrankenwärterhäuschen stand. © Iris Müller

1973 passierten dann mehrere Unfälle: Innerhalb von neun Monaten starben acht Menschen an der Stelle, die damals mit Schranken gesichert war, die ein Schrankenwärter immer dann bedienen musste, wenn ein Zug kam. Er hat es nicht immer geschafft. Zweimal wurden Autos vom Zug erfasst, die Insassen starben an der „Todesschranke“, wie sie damals hieß. Das war auch der Grund, warum die Brücke gebaut wurde, die im Jahr 2019 abrissreif, weil marode war.

Deutsche Bahn ist für Sicherung der Strecken zuständig

„Jetzt kommt man wieder ohne Probleme von der Straße auf das Gleisbett“, klagt Joachim Kluft, der weiß, dass die Abkürzung auch für Radfahrer verlockend ist: Von Norden kommend, können sie über diese Route die Kokerei Zollverein auf direktem Weg erreichen. Ein paar hundert Meter weiter führt tatsächlich eine Brücke über die Bahngleise: „Den Umweg nehmen aber nicht alle in Kauf“, sagt Kluft, der bereits im März eine Anfrage an den Stadtplanungsausschuss gestellt hatte. Dieser verwies jedoch an den Verkehrsausschuss, der am Donnerstag, 12. Mai, tagt.

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Für die Sicherung der Strecken ist jedoch nicht nur die Stadt, sondern vor allem auch die Deutsche Bahn zuständig. Dort heißt es: „Trotz klarer Regeln und Hinweisschildern kommt es an Bahnanlagen leider immer wieder dazu, dass nicht nur Erwachsene durch leichtfertiges Verhalten und Unachtsamkeit ihr Leben und das anderer gefährden, sondern auch Jugendliche und Kinder.“

Die Deutsche Bahn verfüge bundesweit über ein Streckennetz von knapp 34.000 Kilometern Länge, das auch durch bewohnte Gebiete führt. „Somit wäre ein Zaun mit einer Länge, die zweimal um den Äquator reicht, erforderlich“, erklärt eine Bahnsprecherin und ergänzt, dass das Unternehmen stattdessen unter anderem in Kitas, Schulen und sozialen Medien auf Aufklärungs- und Präventionsarbeit setzt.

Essener Bürgerbündnis sieht erhöhtes Unfallrisiko

Das reicht Joachim Kluft nicht aus. Das Essener Bürgerbündnis sieht am Ort der ehemaligen Fußgängerüberführung an der Josef-Hoeren-Straße ein erhöhtes Unfallrisiko und fordert die Stadtverwaltung und die Bahn dazu auf, kurzfristig Maßnahmen zu ergreifen. „Wir hoffen, dass sich bis dahin kein Unglück ereignet.“ Das gefährliche Abkürzen über die Gleise mache deutlich, wie wichtig diese Fußgängerüberführung für die Bürger war. „Wir fordern deswegen die Stadtverwaltung dazu, auf die Planung und Realisierung einer neuen Fußgängerüberführung so schnell wie möglich umzusetzen“ resümiert Kluft. Die Stadt hatte zuletzt erklärt, dass der Planungs- und Genehmigungsaufwand für das neue Bauwerk nicht unerheblich sei. Einen Zeitplan für die Fertigstellung gibt es noch nicht.