Essen beherbergt in einer der größten Musikschulen Deutschlands Schauspiel, Ballett und bald Bildende Kunst. Doch kaum einer weiß das.

Die Folkwang Musikschule Essen gehört mit rund 200 Lehrkräften und 10.500 Schülerinnen und Schülern zu einer der großen Musikschulen Deutschlands. Dass auch Schauspiel, Ballett und bald Bildende Kunst eine Rolle spielen, ist kaum bekannt. Thomas Ladwig, einer der aktivsten Regisseure des hiesigen Theaters, will das ändern. Er hat neben seinem Bühnenschaffen den Fachbereich Schauspiel übernommen. Der führt mit rund 45 Teilnehmenden im Alter von 12 bis 34 Jahren ein Schattendasein innerhalb der Lehranstalt und in der öffentlichen Wahrnehmung. Ladwigs Anspruch zielt auf Öffnung und Vernetzung.

Viele kommen mit dem Wunsch, Schauspieler werden zu wollen

„Ich habe am Theater gelernt, schnell zu arbeiten“, sagt der gebürtige Essener, der in Aachen, Lüneburg, Hildesheim, Bochum und immer wieder am Schauspiel Essen inszenierte, wo er seit mehr als zehn Jahren unter anderem „Kaspar Häuser Meer“, „Biografie: Ein Spiel“, „Willkommen“, „Alles ist erleuchtet“ und „Kleiner Mann – was nun?“ herausbrachte. „Hier braucht man einen langen Atem, um Veränderungen durchzusetzen“, weiß Thomas Ladwig seit seiner Festanstellung im Oktober vergangenen Jahres. Allein die Taktung des Unterrichts von 45-Minuten-Einheiten auf zwei Stunden pro Woche ist so nicht vorgesehen.

Die benötigt er schon, um das Handwerk greifbar zu machen. „Ich arbeite mit Körper, Stimme, leichten Übungen mit Akrobatik und mache auch Stücke zu bestimmten Themen“, erklärt er, während sein Kollege Francesco Russo Improvisation anbietet. Viele der 26 Interessierten aus seinen vier Kursen „kommen mit dem Wunsch, Schauspieler werden zu wollen, haben aber bis auf das Weihnachtsmärchen keine Theatererfahrung. Sie wollen etwas für das Selbstbewusstsein tun, für das Auftreten oder die Vorbereitung auf eine Bewerbung.“

Ihnen möchte er eine Vorstellung von Theater vermitteln, sie mal als Beleuchtungsstatisten vor Ort einsetzen oder ein Gespräch mit einem Darsteller ermöglichen – was Corona bisher erschwerte. Vernetzung nach außen, wie mit dem Schauspiel Essen, stellt er sich vor, und innerhalb der Musikschule. „Es gibt tolle Schlagzeuger, die Rhythmusgefühl betonen können“, meint Thomas Ladwig. Zusammenarbeit mit dem Tanz kann er sich vorstellen. Mehr öffentliche Wahrnehmung wünscht er sich in Bezug auf Angebot und Aufführungen seines Bereichs. Eine Diskussion um den Namen der Musikschule sei bereits im Gange, berichtet er. Schließlich vereint der Folkwanggedanke alle Künste.

Ausbau der Angebote fürErwachsene und jüngere Kinder

Sein erster Schritt im Hause war ganz profan. Er erkämpfte einen eigenen Raum für das Schauspiel, der nicht ständig von Notenständern verstellt ist. Für das erste Stück „Und es gibt uns“ um Freundschaft, Loyalität und Gruppendruck baute er selbst eine Bühne, die seinen ästhetischen Ansprüchen und den Möglichkeiten genügt. Dabei hat er auch die Erwartungen der Schülerinnen und Schüler im Blick und ist mit den Eltern im Gespräch. Auch seine Arbeit ist ergebnisorientiert.

Seine jüngste Theaterarbeit: Regisseur Thomas Ladwig im Bühnenbild von „Extrem laut und unglaublich nah“ in der Casa des Schauspiel Essen. Foto: Kerstin Kokoska/ FUNKE Foto Services
Seine jüngste Theaterarbeit: Regisseur Thomas Ladwig im Bühnenbild von „Extrem laut und unglaublich nah“ in der Casa des Schauspiel Essen. Foto: Kerstin Kokoska/ FUNKE Foto Services © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Der Ausbau des Angebots soll folgen. Kurse für Erwachsene bis 50 Jahren soll es geben und für Kinder unter 12 Jahren. „Dafür müssten wir uns pädagogisch aufstellen. Da bin ich im Gespräch. Wir wollen ein Pilotprojekt starten, um zu sehen, wie die Nachfrage ist. Bis jetzt musste ich Interessierte vertrösten. Das Erweitern ist ein Platzproblem. Es gibt nur diesen einen Raum“, so Thomas Ladwig, der sich nicht unterkriegen lassen will. „Ich bin ausdauernd, wenn ich überzeugt bin. Menschen zu unterrichten, die sich in diesem multimedialen Überfluss auf analoge Erlebnisse einlassen, ist eine total schöne Aufgabe.“ Das helfe, wach zu bleiben für die eigene künstlerische Arbeit.

Am Theater Regie zu führen, ist für ihn ein unbedingtes Muss. In dieser Spielzeit hat er noch „Extrem laut und unglaublich nah“ am Schauspiel Essen inszeniert. Er vermutet, dass es wegen des Intendantenwechsels, seine vorerst letzte Produktion sein wird. Doch gleich nebenan ergibt sich eine neue Chance. Am Theater Oberhausen wird Kathrin Mädler Intendantin, mit der er schon in Münster und Memmingen zusammengearbeitet hat. „Ich hoffe, dass da eine Tür für mich aufgeht. Es würde für mich zurückgehen an den Ursprung. Mit 17 bin ich nach Oberhausen und habe meine erste Regiehospitanz gemacht.“