Essen. Das RTL-Event „Die Passion“ hat Essen eine Bühne gegeben. Vielen gefiel die Sendung gar nicht – viele waren schwer beeindruckt. Eine Betrachtung.

  • „Die Passion“ von RTL hat am Mittwochabend polarisiert – die einen fanden es peinlich, die anderen waren begeistert
  • Das TV-Event hat die Blicke auf die Stadt Essen gelenkt.
  • Für den Burgplatz in Essen könnte „Die Passion“ eine Chance gewesen sein

Man konnte einfach nicht wegsehen, ob man wollte oder nicht. „Die Passion“ von RTL hat am Mittwochabend wortwörtlich die Blicke nach Essen gelenkt. Das sollten auch diejenigen einsehen, die die TV-Produktion im Herzen des Ruhrgebiets mit reichlich Häme überzogen. Und ja: Da gab es so einiges, das bei der „modernen Passionsgeschichte“ als nicht stimmig bezeichnet werden konnte. Aber sei’s drum.

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Genau so viele wie die, die „Die Passion“ verdammten, waren es, bei denen die „bekannteste Geschichte der Welt“ ein Gefühlschaos im positiven Sinne auslöste. Bei dem einen oder der anderen scheinen sogar Tränen der Rührung gekullert zu sein. Vor allem als „Deutschlands erster Superstar“, Alexander Klaws, am Ende der Show aus schwindelerregender Höhe von der Lichtburg aus den Burgplatz und die 5000 Zuschauerinnen und Zuschauer als Jesus mit „Halt Dich an mir fest“ in die Arme nahm.

„Die Passion“ in Essen: Reaktionen hätten unterschiedlicher nicht sein können

Die Reaktionen auf das RTL-Spektakel hätten nicht unterschiedlicher ausfallen können. Entweder man hat es geliebt oder gehasst, was da vom Burgplatz in die Wohnzimmer der Republik gesendet wurde – fast drei Millionen Fernsehzuschauer schalteten ein. Das eine Lager kam aus dem Fremdschamgefühl wegen so skurriler Dinge wie einer Fahrt von Jesus und seinen Jüngern im Ruhrbahn-Bus nicht heraus. Das andere Lager wiederum bekam sich vor Glück gar nicht mehr ein. Grautöne gab es bei dieser TV-Passion nicht.

„Die Passion“ in Essen: Die Reaktionen auf das TV-Event zeigten, dass die meisten diese Inszenierung entweder verteufelten oder liebten.
„Die Passion“ in Essen: Die Reaktionen auf das TV-Event zeigten, dass die meisten diese Inszenierung entweder verteufelten oder liebten. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Wie also ist das Event aus Essener Sicht zu bewerten? Klar ist, dass dieser Stadt eine große Bühne geboten wurde. Millionen Menschen konnten sehen, wie abwechslungsreich Essen ist. Da war es auch egal, ob man die gesanglichen Qualitäten von Mark Keller als Judas mochte, als der auf dem Haus der Technik den Song „Durch den Monsun“ von Tokio Hotel sang. Die Fernsehzuschauer konnten in dem Einspielvideo aber eine echte und funkelnde Skyline bewundern. Nicht wenige vor den Fernsehern dürften am Mittwoch gelernt haben, dass Essen eine der größten Städte Deutschlands ist.

Aufnahmen zeigten, wie unterschiedlich die Stadt Essen ist

Sie sahen Drohnenaufnahmen vom Welterbe Zollverein, konnten einen Blick auf die geschichtsträchtige Margarethenhöhe im Dunkeln erhaschen und mit dem Limbecker Platz ein modernes Einkaufszentrum von innen sehen. Bei Live-Schalten zur Prozession vom Rüttenscheider Markt in Richtung Innenstadt waren die Fernsehzuschauer auf der Rü, auch wenn diese natürlich bei weitem nicht nur eine „Schlemmermeile“ ist, wie der geneigte Essener weiß.

Vom Rüttenscheider Markt aus startete eine Prozession in Richtung Innenstadt.
Vom Rüttenscheider Markt aus startete eine Prozession in Richtung Innenstadt. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Allen Essenerinnen und Essenern, die eingeschaltet haben, dürften vor allem diese ganz unterschiedlichen Orte ebenfalls aufgefallen sein. Sie waren für viele vielleicht sogar interessanter als das, was RTL aus der Leidensgeschichte Jesu schlussendlich gemacht hat. Und möglicherweise hat „Die Passion“ sogar einen Ort wieder in das Gedächtnis der Menschen hier gerufen, der lange Zeit zu Unrecht irgendwie vergessen wirkte.

Die Rede ist vom Burgplatz, wo für die Show die imposante Bühne mit 860 Scheinwerfern aufgebaut worden war. Dabei ist dieser Platz doch das Herz dieser Stadt – aber trotz unmittelbarer Nähe zur Kettwiger Straße mitten in der Innenstadt im Alltag nur wenig präsent. Eigentlich fristet er, wenn nicht gerade das Riesenrad steht, ein Schattendasein. Das ist schade.

Der Burgplatz in der Essener Innenstadt: Dort stand für „Die Passion“ die große Bühne.
Der Burgplatz in der Essener Innenstadt: Dort stand für „Die Passion“ die große Bühne. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Denn der Burgplatz ist die Keimzelle von Essen, hier fing alles an. Wohl kaum ein anderer Ort war so für „Die Passion“ gemacht, wie dieser. Der Dom und die Anbetungskirche gaben dem TV-Event den authentischen kirchlichen Touch, den es unbedingt brauchte. Im Zusammenspiel mit der Bühne, auf der Thomas Gottschalk durch den Abend führte, sah das schon stimmig aus.

Das wurde zusätzlich verstärkt, da in einigen Einstellungen das Rathaus mit seiner aktuellen Beleuchtung in den ukrainischen Nationalfarben zu sehen war. Auch so ein Symbol, das dafür sorgte, dass „Die Passion“ vor allem zwischen den Zeilen – in den Grautönen – interessant war. Werbung für Essen war sie allemal.

>>> INFO: „Die Passion“ – RTL denkt über Fortsetzung nach

  • Im Schnitt 2,91 Millionen Menschen haben das TV-Experiment „Die Passion – Live“ bei RTL am Mittwochabend am Bildschirm verfolgt. Das entsprach einem Marktanteil von 11,1 Prozent ab 20.15 Uhr. Der Fernsehsender zeigte sich mit dem Ergebnis zufrieden.
  • Man prüfe nun eine erneute Auflage für das nächste Jahr, hieß es. Nach dem niederländischen Vorbild würde die „Passion“ 2023 dann aber in einer anderen deutschen Stadt gezeigt.