Essen-Bredeney. Experte führt über den Friedhof in Essen-Bredeney. Welche anrührenden und teils kuriosen Geschichten sich um bekannte Essener ranken.

  • Auf dem Friedhof in Essen-Bredeney sind viele prominente Menschen begraben.
  • Viele von ihnen haben die Stadtgeschichte geprägt.
  • Führer Michael Maas hat zu vielen Gräbern etwas zu erzählen.

Die Stadtgeschichte lässt Friedhofsexperte Michael Maas auf dem städtischen Friedhof in Essen-Bredeney lebendig werden. Er erinnert an berühmte Essener Familien und gibt Einblicke in die Bestattungskultur im Wandel der Zeit. Bei einer Führung hörten 25 Teilnehmer viele Fakten, aber auch berührende Geschichten zu den dort begrabenen Prominenten.

Michael Ludger Maas ist Mitautor des Buchs „Friedhöfe in Essen-Bredeney – Menschen, Monumente, Geschichte(n)“. Die Gemeinschaftsproduktion mit Hellmut Holle, Michael Franke, Jürgen Lindenlaub und Robert Welzel war 2015 erschienen. Darin porträtieren die Autoren 100 Persönlichkeiten, die auf den drei Bredeneyer Friedhöfen begraben sind.

Das mit neun Metern Höhe größte Denkmal auf dem Friedhof in Essen-Bredeney erinnert an die Industriellenfamilie von Waldthausen, erläuterte Michael Maas (Mitte) der Gruppe.
Das mit neun Metern Höhe größte Denkmal auf dem Friedhof in Essen-Bredeney erinnert an die Industriellenfamilie von Waldthausen, erläuterte Michael Maas (Mitte) der Gruppe. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

„Die erste Auflage war damals schnell vergriffen, von der zweiten gibt es noch einige Exemplare“, sagt Maas, der seit Jahrzehnten Führungen über Essener Friedhöfe anbietet, um Interessierten das immaterielle Erbe der Friedhofskultur näherzubringen. Maas arbeitet bei der Stadt und ist in seiner Freizeit für den Historischen Verein aktiv.

An der Meisenburgstraße, wo der Bredeneyer Friedhof 1909 entstand, gab es vorher freies Feld. Katholische Verstorbene wurden seit 1887 der Kirche St. Markus begraben. Als Bredeney 1915 zu Essen eingemeindet wurde, übernahm die Stadt den Friedhof an der Grenze zu Schuir. Einige Gräber bedeutender Familien kamen erst in den 1950er Jahren dazu, als der Friedhof Kettwiger Tor am Südeingang des Hauptbahnhofs für die A 40 weichen musste und Verstorbene umgebettet wurden.

Auf dem Friedhof in Essen-Bredeney findet man viele bekannte Namen

Nicht alle Namen kamen den Teilnehmenden sofort bekannt vor. Wie der von Bauingenieur Heinrich Reisner, der das Haus der Technik gründete, oder von Walter Hohmann, ebenfalls Bauingenieur und verantwortlich für die Statik des Riesenrads im Wiener Prater. Er wurde vor allem durch sein Hobby bekannt: Hohmann interessierte sich für Himmelsmechanik und Raumfahrt und trug mit seinen Berechnungen entscheidend zu den Apollo-Mondmissionen bei. In Essen ist die Sternwarte nach ihm benannt.

Nächster Rundgang über den Ostfriedhof

Michael Maas lädt für Samstag, 30. April, 11 Uhr, zu einem Rundgang über den Ostfriedhof an der Saarbrücker Straße ein.

Auf dem Bredeneyer Friedhof wird in Kürze ein Memoriam-Garten mit fertig gestalteten Grabflächen entstehen, wie es ihn schon auf dem Parkfriedhof gibt.

Besucher aus anderen Gegenden Deutschlands wunderten sich über die glatten (Marmor-)Steine auf dem Friedhof. Die Erklärung ist laut Maas einfach: „Im Ruhrgebiet hat man kaum raue Natursteine oder Holzkreuze auf die Gräber gesetzt. Wegen der damals schmutzigen Luft mussten die Grabmale abwaschbar sein.“

Auch ein besonderes Urnengrab zeigte Maas: Die Urne mit der Asche von Franz Otto Müller, dem Privatsekretär Krupps, liegt nicht im Boden, sondern ist in das Denkmal integriert. „Urnenbestattungen sind in Deutschland erst seit 1909 möglich und waren dann auch eher die Ausnahme, weil es nur wenige Krematorien gab“, erklärte er. Ein Teilnehmer ergänzte: „Vorher durfte man sich nicht verbrennen lassen, weil man für die Auferstehung den kompletten Leib brauchte.“

Beim Grab der Familie Müller ist die Urne in das Grabmal integriert. Dort ist der Privatsekretär von Krupp begraben.
Beim Grab der Familie Müller ist die Urne in das Grabmal integriert. Dort ist der Privatsekretär von Krupp begraben. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Auf vielen Gräber des Bredeneyer Friedhofs finden sich akademische Titel. Dass in Bredeney auch viele Bergbauzeichen wie Schlägel und Eisen zu finden sind, obwohl es außer Langenbrahm keine nennenswerten Zechen dort gab, hat etwas mit dem bis heute in Essen existierenden Nord-Süd-Gefälle zu tun. Viele Bergwerksdirektoren beherzigten die Devise: „Im Norden arbeiten, in der Mitte handeln, im Süden wohnen.“

Auch eine Kunstfliegerin hat ein Ehrengrab auf dem Friedhof bekommen

Die Himmelsrichtungen spielen auch bei den Gräbern der Aldi-Gründer eine Rolle. Sie sind auf dem Bredeneyer Friedhof gemäß ihren Unternehmen begraben: Theo Albrecht (Aldi Nord) nördlicher als sein Bruder Karl (Aldi Süd). Kaum noch zu lesen ist dagegen die Schrift auf der Grabplatte von Fliegerin Thea Rasche, genannt „Unser Flying Fräulein“. Ihr Ehrengrab, eines von etwa 40 in Essen, erinnert an die 1971 in Rüttenscheid verstorbene Kunstfliegerin, die auch in den USA bekannt war.

Einen Ausflug in die Kunstgeschichte unternahm Michael Maas angesichts von Galvanoplastiken, der hohlen Frauenfiguren aus Metall, die zwischen 1895 und 1920 in Mode waren und per Katalog bestellt werden konnten – jedes Modell sollte nur einmal pro Gemeinde aufgestellt werden. Die dargestellten Frauen zeigen meist ein Stück Haut. „Vielleicht zeigen sie dem Tod die nackte, kalte Schulter“, so Maas.

Ein riesiger Adler ziert das Denkmal von Friedrich Alfred Krupp auf dem Friedhof in Essen-Bredeney.
Ein riesiger Adler ziert das Denkmal von Friedrich Alfred Krupp auf dem Friedhof in Essen-Bredeney. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Der Spaziergang führt auch am großen, aber eher schlichten Landschaftsgrab von Berthold und Else Beitz vorbei. Dort werde der Grabstein oft nach jüdischer Tradition mit kleinen Kieselsteinen versehen – in Erinnerung daran, dass der Industrielle während des Zweiten Weltkriegs jüdische Zwangsarbeiter gerettet hatte.

Die Gräber der Familie Krupp sind sehr unterschiedlich gestaltet

Monumental bis verspielt wirken dagegen die sehr unterschiedlichen Gräber der Industriellenfamilie Krupp, die auf einem „Friedhof im Friedhof“, hinter einem Tor, zu finden sind. „Die Krupps haben immer noch Fans. Hier liegen oft Rosen auf den Gräbern“, erzählt Michael Maas, der die Gruppe gleich anschließend zum höchsten Denkmal des Friedhofs führt, dem der Industriellenfamilie von Waldthausen.

Neben dem Hauptgrabmal gibt es weitere Gedenksteine mit interessanten Details: Auf einem Grabmal ist eine Skulptur mit dem Boot aus der griechischen Mythologie zu sehen, das die Toten gegen einen Obolus, eine kleine Münze, ins Jenseits bringt. In der Hand der dargestellten Passagierin: ein Beutel mit Brot als letzte Wegzehrung.