Essen. Das Haus der Technik Essen hat in der Pandemie einen digitalen Campus aufgebaut. Aber die Kosten für das denkmalgeschützte Gebäude laufen weiter.

Eingerüstet präsentiert sich derzeit das denkmalgeschützte Haus der Technik (HDT) gegenüber dem Essener Hauptbahnhof: In den kommenden drei Jahren laufen aufwendige Sanierungsarbeiten an den Arkaden und den Dachvorsprüngen. Unterdessen hat sich das Weiterbildungsinstitut im Gebäude bereits zum digitalen Campus umgebaut: coronabedingt geschah das in Höchstgeschwindigkeit.

Über Nacht entwickelte das Haus der Technik ein Digitalangebot

„Im März 2020 ist unser Geschäft komplett eingebrochen – fatal für ein gemeinnütziges Unternehmen“, sagt Werner Klaffke, Geschäftsführender Vorstand des HDT. Man schickte Mitarbeiter in Kurzarbeit, erhielt später Hilfen vom Land – und schuf quasi über Nacht ein digitales Angebot: „erst handgestrickt, dann professionell“. Manches sei ja schon „in der Pipeline“ gewesen.

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Vollständig auffangen konnte das HDT die pandemiebedingten Einbrüche damit nicht, schließlich bietet es in seinen Seminaren, Workshops und Tagungen neben der Weiterbildung auch den Austausch von Experten an: oft beiläufig in der Kaffeepause. Außerdem buchten viele Unternehmen im Corona-Jahr nur die Pflichtveranstaltungen für ihre Belegschaft und ließen andere – oft teurere – Seminare weg.

Im stilvollen Treppenhaus sitzt Werner Klaffke, Geschäftsführender Vorstand des Hauses der Technik in Essen. Das große Weiterbildungsinstitut hat inzwischen auch einen digitalen Campus aufgebaut.
Im stilvollen Treppenhaus sitzt Werner Klaffke, Geschäftsführender Vorstand des Hauses der Technik in Essen. Das große Weiterbildungsinstitut hat inzwischen auch einen digitalen Campus aufgebaut. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Das spiegelt sich nun in den Zahlen: 2020 sank die Anzahl der Veranstaltungen im Vergleich zu 2019 um 35 Prozent, die Teilnehmerzahl von zuvor 15.000 um 30 Prozent – der Umsatz ging jedoch sogar um 40 Prozent zurück. Zwar sind inzwischen wieder Präsenzveranstaltungen möglich, jedoch mache sich bemerkbar, dass mancher treue Firmenkunde neuerdings Reisebeschränkungen für seine Mitarbeiter erlassen hat. Die Abwesenheit vom Arbeitsplatz, Fahrtkosten, Hotel – all das verursache schließlich Kosten.

„Wir sind nun seit 17 Monaten im Krisenmodus“, resümiert Klaffke, weist aber darauf hin, dass die Krise die Digitalisierung enorm beflügelt habe: Das HDT habe nun einen digitalen Zwilling, der auf iPhone wie auf Android-Smartphones laufe: „Das Haus der Technik für die Hosentasche“. Hier sind die Seminare nicht nur Corona-sicher, sondern bringen auch keine Kosten für Anreise und Logis mit sich.

„Wenn ein gut gemachtes Online-Seminar eins ja nicht ist, dann die exakte Eins-zu-Eins-Übersetzung einer Präsenzveranstaltung in ein Streaming-Format“, sagt Michael Graef, der die Unternehmenskommunikation des HDT verantwortet.
„Wenn ein gut gemachtes Online-Seminar eins ja nicht ist, dann die exakte Eins-zu-Eins-Übersetzung einer Präsenzveranstaltung in ein Streaming-Format“, sagt Michael Graef, der die Unternehmenskommunikation des HDT verantwortet. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Entstanden sei ein Digitalcampus mit neuen Kursformaten. „Wenn ein gut gemachtes Online-Seminar eins ja nicht ist, dann die exakte Eins-zu-Eins-Übersetzung einer Präsenzveranstaltung in ein Streaming-Format“, sagt Michael Graef, der die Unternehmenskommunikation des HDT verantwortet. Der Erfolg digitaler Weiterbildung hänge davon ab, die medialen Besonderheiten etwa in didaktischer und rhetorischer Hinsicht zu berücksichtigen.

Geschichte des Hauses der Technik

1922 beginnt der Bau der Essener Börse, sie wird vom Architekten Edmund Körner errichtet, der auch die Alte Synagoge entworfen hat. 1924/25 bezieht die Börse ihr Domizil.

1927 wird der Verein Haus der Technik e.V. in Essen gegründet. Das HDT hat seinen Sitz ab 1930 im Gebäude der Sparkasse (Rathenaustraße). Nach Auflösung der Börse zieht das HDT 1936 in das freigewordene Gebäude am Hauptbahnhof. Bei einem Bombenangriff wird das Haus 1943 fast völlig zerstört. 1953 wird der Wiederaufbau abgeschlossen.

1946 wird das HDT Außeninstitut der Rheinisch-Westfälischen TH Aachen. Bis heute baut es sein Netzwerk mit Hochschulen und Unternehmen aus. Das HDT wird von einem gemeinnützigen Verein getragen und ist eine der bundesweit größten Weiterbildungseinrichtungen.

Es bietet Seminare, Tagungen sowie zertifizierte Lehrgänge und Bildungsabschlüsse an. Seit 2020 bündelt es unter der Marke hdt+ sein digitales Weiterbildungsangebot. Infos auf: www.hdt.de/hdt-plus

Selbst große Konferenzen haben sie ins Netz verlegt, etwa die Advanced Battery Power, bei der sich die rund 800 Teilnehmer sonst in Hallen in Münster oder Aachen treffen, um sich über das Kraftwerk Batterie zu informieren. „Diesmal haben wir die Veranstaltung aus einem Studio in Düsseldorf gefahren“, sagt Klaffke. Vorteil: Man könne Gäste von Nobelpreisträger-Niveau eher dazu gewinnen, sich eine Stunde zuschalten zulassen, als für einen Vortrag vom anderen Ende der Welt in die Halle Münsterland zu reisen.

Ein schmuckes Haus, das leider bröckelt

Selbst die Fachsimpelei am Stehtisch haben sie mit Chats und Foren nachgebildet; Gäste bleiben nach Veranstaltungsende vernetzt, erfahren neue Trends per Pushnachricht.

Auch Hörsäle und Seminarräume im weitläufigen Haus der Technik füllen sich wieder: Auch dank der Hybrid-Veranstaltungen, die zeitgleich digital übertragen werden. Wer früher abreisen muss, könne den Rest des Seminars im Zug verfolgen oder gleich einen Tag vor Ort und einen Streaming-Tag planen. Die Anforderungen an Ton, Technik und Seminaraufbau seien hoch, aber: „Die Tendenz geht zum Hybrid-Angebot.“ Bleibt die Frage, wie man das Gebäude mit seiner Bruttogeschossfläche von 22.000 Quadratmetern – davon etwa die Hälfte Gänge – in Zukunft bespielt, wenn der digitale Campus wächst.

Bei einem Bombenangriff 1943 wurde das Haus der Technik fast völlig zerstört.
Bei einem Bombenangriff 1943 wurde das Haus der Technik fast völlig zerstört. © HDT Essen

„Das Haus ist unser As, aber verursacht hohe Kosten, weil es alt ist und bröckelt. Unser ideeller Zweck ist ja Weiterbildung, nicht Denkmalschutz“, sagt Klaffke. 1980 haben sie das Haus für 99 Jahre in Erbpacht von der Stadt übernommen – und damit eine Verantwortung fürs Stadtbild. Allein für die Arbeiten an den Arkaden fallen in den nächsten drei Jahren je bis zu 200.000 Euro an; für die Dachsanierung könnten es leicht 500.000 Euro sein. Das HDT habe sich seiner Verantwortung nie entzogen, doch es werde schwieriger sie zu stemmen, zumal schon vor Corona längst nicht alle Räume ausgelastet waren. Doch da habe man als Verein immer eine schwarze Null geschrieben – 2020 werde man die nicht erzielen.

Ursprünglich gab es an den Arkaden am Haus der Technik keine runden, sondern eckige Bögen, wie das historische Foto beweist.            
Ursprünglich gab es an den Arkaden am Haus der Technik keine runden, sondern eckige Bögen, wie das historische Foto beweist.             © HDT