Essen. Wege zum Spiel: Essen erinnert an den Architekten Werner Ruhnau, der im April 100 Jahre alt würde. Sein Werk ist nun auch virtuell zu besichtigen
Für manchen Gast war dieser Abend zu Ehren von Werner Ruhnau vermutlich eine ganz besondere Premiere. Das Essener Grillo-Theater als Raumtheater zu erleben, so, wie es der Architekt beim Umbau des maroden, damals vom Abriss bedrohten Schauspielhauses (1986 bis 1989) konzipiert hat, war bislang nicht vielen vergönnt. Ganze drei Regisseure haben binnen 30 Jahren diese Möglichkeit genutzt. Volker Löschs aktuelle „Aufruhr“-Inszenierung ist eine davon.
Und so bot sich zum anstehenden runden Geburtstag Werner Ruhnaus, der am 11. April 100 Jahre alt würde, die seltene Möglichkeit, diesen „Spielraum der Moderne“ einmal wie gedacht zu erleben. Als multifunktional nutzbaren Ort, ohne Trennung von Bühne und Saal, in dem auch der neue, multimediale Auftritt Werner Ruhnaus auf zehn Großbildleinwänden mit 360-Grad-Rundumblick wirkungsvoll in Szene gesetzt werden konnte. Mit der Website „Ruhnau.info“ soll im Jubiläumsjahr bundesweit auf das vielseitige Wirken des 2015 in Essen verstorbenen Baumeisters aufmerksam gemacht werden.
Das Land NRW hat die virtuelle Begehung der wichtigsten Ruhnau-Bauten im Land finanziell gefördert - zu sehen sind neben dem Schauspiel Essen, dem Theater Münster und der Hauptverwaltung der Herta KG in Herten vor allem auch das Gelsenkirchener Musiktheater im Revier. „Eines meiner Lieblingsgebäude“, sagt NRW-Kulturministerin Isabel Pfeifer-Poensgen. Nicht nur, weil es exemplarisch steht für Ruhnaus Verständnis von Bauen, bei dem er Künstler wie Norbert Kricke, Jean Tinguely oder Yves Klein mit seinen berühmten Schwammreliefs als „Sonderfachleute für Ästhetik“ ganz selbstverständlich mit einbezog. Das MIR hebe mit seiner Glasfassade auch die Trennung zwischen Stadt und Spielstätte, zwischen Passanten und Theatergängern auf. Architektur mit demokratischem Ansatz, Kultur für alle.
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Ruhnaus Überzeugung, dass Kultur die Gesellschaft verändern kann, hob auch Oliver Scheytt in seiner Rede über den 1922 in Königsberg geborenen Architekten und Stadtplaners hervor, für den Essen doch „60 Jahre lang Wahlheimat war“, so Oberbürgerbürgermeister Thomas Kufen. Hier richtete Ruhnau mit Künstlerfreunden von Adolf Luther bis Otto Piene und Wolf Vostell Mitte der 1980er Jahre auch die denkwürdigen Folkwang-Tage aus.
Ruhnaus Credo: „Essen braucht mehr städtebauliche Qualität“
Mit seinem Credo „Essen braucht mehr städtebauliche Qualität“ sei Ruhnau mehrfach „der richtige Mahner an der richtigen Stelle“ gewesen, glaubt Scheytt. Sein Einsatz für Baukultur, mit dem der ebenso sendungsbewusste wie streitbare Professor unter anderem für Erhalt und Umbau des Saalbaus zur Philharmonie eingetreten sei, sei auch heute noch nachahmenswert.
Einen Entwurf, der Ruhnau vielleicht auch gefallen hätte, entwarf Scheytt, ehemaliger Essener Kulturdezernent, denn auch den Grillo-Gästen: Bei der Suche nach einem geeigneten Standort für die Stadtbibliothek können eine Art Lese-Brücke zwischen Universität und Gertrudiskirche zum architektonisch-aufregenden Verbindungsstück zur Essener Nordstadt werden, so sein Vorschlag. „Wenn ich noch im Amt wäre, würde ich diese Idee vorantreiben.“
Einige Ideen Ruhnaus haben sich eben auch postum umgesetzt. So soll der Architekt schon vor Jahrzehnten von einer „Folkwang“-Schriftzug über dem Hauptbahnhof geträumt haben, berichtet Scheytt Vor ein paar Wochen wurde daraus Wirklichkeit.