Architekt Werner Ruhnau ist im Alter von 92 Jahren gestorben. Bauen war für ihn vor allem ein Gesamtkunstwerk. Im Grillo realisierte er sein Raumtheater

Werner Ruhnau war Zeit seines Lebens Architekt. Aber vor allem war er ein begnadeter Gesamtkunstwerker. Einer, der nicht nur bedeutende Theater, Spielstraßen und gläserne Verwaltungsgebäude gebaut, sondern vor allem Verbindungsräume geschaffen hat. Die manchmal so streng gezogene Grenze zwischen Innen- und Außenraum, zwischen den Freiheiten der Kunst und baulichen Notwendigkeiten hat er mit spielerischer Leichtigkeit überwunden, manchmal eher Raum-Choreograf als Planer. Das Spiel der unterschiedlichen Disziplinen miteinander, das Öffnen der Räume war schließlich sein Credo. In der Nacht zum Freitag ist er im Alter von 92 Jahren in seiner Wahlheimat Essen friedlich eingeschlafen.

Sein Ideal war das Raumtheater

Den meisten Menschen im Ruhrgebiet werden mit dem Namen Werner Ruhnau vor allem das spektakuläre Gelsenkirchener Musiktheater im Revier verbinden. Der Innen-Umbau des Essener Grillo-Theaters zum modernen, variablen Raumtheater 1986-89 gehört ebenfalls zu den Arbeiten des gebürtigen Königsbergers. Bis zuletzt hat Ruhnau, der großere, hagere Mann mit der markanten Strickmütze, den Essenern bei seinen regelmäßigen Architektur-Führungen durch das Theater seine Idee von der Aufhebung der frontalen Trennung zwischen Bühne und Zuschauerraum vermittelt. Ein Eingriff in die historische Bühnen-Architektur, der anfangs nicht überall Applaus fand und seither kaum zum Einsatz kam. Doch für den Kükelhaus-Vertrauten war klar: „Die wahrnehmenden Sinne können erst durch Bewegung des Körpers im Raum ihre Funktion voll entfalten“.

Vom Musiktheater bis zur Spielstraße

Mit der Spielstraße in München hat Ruhnau anlässlich der Olympischen Spiele 1972 für einen Ort der kreativen Begegnung gesorgt.

Sein Meisterstück wurde das Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen. Begonnen hat die Karriere von Werner Ruhnau allerdings mit dem Stadttheater von Münster. In Frankfurt und Stendal hat er ebenfalls prägende Umbau-Akzente gesetzt.

Mit „Luftarchitektur“ hat sich Ruhnau früh beschäftigt. Er kreierte Dächer aus Luft, deren Strom vor leichtem Regen schützt oder warme Luftströme aus dem Boden, die die Eingangstüren ersetzen und heute noch in den Kaufhauseingängen angewendet werden.

Ruhnau blieb so bis zuletzt eine wichtige, streitbare Stimme in den Gremien der Stadt, der nicht nur im Kulturbeirat viele Jahre zu den prägenden Figuren zählte. Als es um den Erhalt und Umbau des Saalbaus zur neuen Philharmonie ging, setzte Ruhnau ebenso engagiert Akzente wie beim Stadtentwicklungsprozess Essen.2030.

Und immer war das Bauen für ihn auch eine direkte Brücke in die bildende Kunst. Dass er Künstler wie Norbert Kricke, Jean Tinguely und Yves Klein Ende der 1950er Jahre in den Neubau des Gelsenkirchener Musiktheater einbezog, gilt heute als genialer Coup. Mit dem späteren Weltstar Klein ging Ruhnau letztlich im Streit auseinander. Wer wem am Ende die richtige Pigmentmischung verdankte, blieb ungeklärt. Die blauen Schwammreliefs sind berühmt.

Viele Künstlerfreunde hat er im Laufe der Zeit für seine Projekte gewonnen, von Adolf Luther bis Otto Piene und Wolf Vostell, mit denen er Mitte der 1980er Jahre denkwürdige Folkwang-Tage ausrichtete. Die Idee einer Bauhütte war sein Ideal, der Alleingang nicht sein Ziel, das hatte ihm schon seine Mutter beigebracht, eine Malerin. „Sie sagte: Es gibt keinen Bau in Italien, in dem ein Architekt alles allein gemacht hätte“. Die Idee von der Einheit der Künste hat ihn wohl auch in der Folkwang-Stadt Essen heimisch werden lassen. Hier wurden seine vier Söhne groß, sein Sohn Georg ist in die Fußstapfen des Vaters getreten. Das „Archiv Baukunst. Anita und Werner Ruhnau“ befindet sich im Haus am Bögelsknappen in Kettwig, wo Ruhnau zuhause war. Es dokumentiert seine interdisziplinäre Kooperationen, umfasst Planungsdokumente, Fotos, Modelle, Kataloge, ein Architektur-Schatz.

Beigesetzt wird Ruhnau in der Künstler-Nekropole in Kassel, wo seine Grabstätte schon lange vorbereitet ist – als „ein Ort des Festes und des Spiels“.