Essen-Werden. Die Geschichte der Ruhrregion ist mehr als Kohle und Stahl. Das möchte die „Route Mittelalter Ruhr“ zeigen. Worum es bei diesem Projekt geht.
Wer im Ruhrgebiet wohnt oder es als Tourist erkundet, der stößt unweigerlich auf die „Route der Industriekultur“. Sie verbindet als Themenstraße die wichtigsten Industriedenkmäler. Doch Kohle und Stahl machen nur einen Bruchteil der Geschichte dieser Region aus. Es gibt ebenso zahlreiche Zeugnisse des Mittelalters, die von einer Zeit der Kirchen und Burgen, der Zünfte und einer landwirtschaftlich geprägten Gesellschaft künden. Diese Orte, Baudenkmäler und Objekte sollen besser sichtbar und erlebbar werden – auf der „Route Mittelalter Ruhr“. Ein Teil davon wird Essen – und speziell Werden mit seiner Basilika – sein.
Worum geht es? Entlang der Strecke des historischen Hellweges von Duisburg über Essen und Dortmund ostwärts sollen zunächst 100 Informationstafeln an mittelalterlichen Bauwerken angebracht werden. Über einen QR-Code werden Informationen mittels Website und Audioguide digital abrufbar sein. Für die digitale Infrastruktur des Projekts sorgt das Baukunstarchiv NRW.
NRW-Stiftung stellt 70.000 Euro für das Projekt zur Verfügung
Das Projekt ist eine Zusammenarbeit des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Landschaftsschutz (RVDL) mit dem Lehrstuhl für Kunstgeschichte und Kulturelle Bildung sowie dem Lehrstuhl für Geschichte und Theorie der Architektur an der Technischen Universität Dortmund. Für dieses Vorhaben stellt die NRW-Stiftung dem RVDL 70.000 Euro zur Verfügung. Bei einem Besuch in der Schatzkammer St. Ludgerus in Essen-Werden überreichte jetzt Barbara Schock-Werner, Vizepräsidentin der NRW-Stiftung, die Förderurkunde an den Vereinsvorsitzenden Tobias Flessenkemper.
„Mit der geplanten Themenroute werden die Geschichte und der kulturelle Reichtum des Ruhrgebiets ansprechend und zeitgemäß vermittelt. Das Konzept überzeugt durch das Engagement und die große fachliche Expertise der beteiligten Projektpartner“, begründet Barbara Schock-Werner die Förderzusage der NRW-Stiftung.
„Dank des Projekts werden Denkmäler und Geschichte sichtbar gemacht, die allzu oft im Schatten lagen“, findet Tobias Flessenkemper. Der Rheinische Verein für Landschaftspflege und Denkmalschutz unterstütze das wissenschaftliche Vorhaben durch sein bürgerschaftliches Engagement: „Die Denkmäler des Mittelalters an der Ruhr dürfen nicht weiter im Abseits stehen.“
Liudger war als Missionar wie eine Art Netzwerker unterwegs
Umgesetzt wird die „Route Mittelalter Ruhr“ von Studierenden der TU Dortmund. „Die jungen Menschen sind sehr interessiert, mehr über diese Zeit zu erfahren. Und sie haben den Blick dafür, wie man das für ihre Generation attraktiv aufbereiten kann“, berichtet Barbara Welzel von der TU Dortmund. So steht vor allem der digitale Zugang zu den Informationen im Vordergrund.
Vermittlung über Audioguide
Die Nordrhein-Westfalen-Stiftung hat seit ihrer Gründung 1986 rund 3.500 gemeinnützige Natur- und Kulturprojekte mit insgesamt 296 Millionen Euro gefördert. Das Geld dafür erhält sie vom Land NRW aus Lotterieerträgen von Westlotto, aus Mitgliedsbeiträgen ihres Fördervereins und Spenden.
Die einzelnen Orte der „Route Mittelalter Ruhr“ werden nach dem Vorbild der „Zukunfts-SPUREN“, dem kunstwissenschaftlich basierten Audioguide zu Stadtbauten der Metropole Ruhr (www.zukunftsspuren.info/start), erschlossen.
Es geht dabei auch um Wahrnehmung mit gezielter akustischer Einbindung in das städtische Umfeld. Weiterhin wird auf die überregionale Vernetzung und Bedeutung der Orte verwiesen. U.a. führen die Informationen zu mittelalterlichen Baudenkmälern in Essen auch nach Xanten und Wesel.
„Schon Liudger war auf seine Art ein Netzwerker, war in ganz Europa unterwegs“, sagt Welzel. Gut sichtbar sei dies anhand einer großen Karte, die in der Schatzkammer den Weg des Missionars und Werdener Klostergründers nachzeichne.
„Wir weisen in unserer Route auf die jeweiligen Orte hin, stellen Bezüge innerhalb der Umgebung her“, führt sie zum Projekt weiter aus. Im Falle von Werden sei dies aber nicht mit einer Führung durch die Schatzkammer und die Basilika St. Ludgerus gleichzusetzen. „Im Audioguide werden wir sicher besondere Exponate herausstellen, wie die Elfenbeinpyxis als älteste Darstellung der Weihnachtsgeschichte.“ Das solle auf den Ort neugierig machen. Auch sei geplant, die wichtigen Beziehungen zum Frauenstift in Essen darzustellen.
Angesprochen fühlen sollen sich (Rad-)Touristen wie auch Einheimische. Geplant sei, dass die „Route Mittelalter Ruhr“ künftig außerdem als niederschwelliges Kulturangebot für Schulen, Kitas und den Offenen Ganztag funktionieren soll, quasi als Ergänzung zur bekannten Heimatgeschichte.
Das Mittelalter-Projekt ist auf zwei Jahre angelegt
„Die ‚Route Mittelalter Ruhr‘ bringt eine Geschichtsschicht ins öffentliche Bewusstsein, die eine Erweiterung des Selbstverständnisses der Region und neue Perspektiven der Entwicklung der Metropole Ruhr ermöglicht“, fasst Wolfgang Sonne zusammen, der die digitale Infrastruktur durch das Baukunstarchiv NRW betreut. Das Baukunstarchiv kümmere sich um eine dauerhafte Pflege und Bereitstellung der Daten.
„Ich finde es wunderbar – und auch dringend an der Zeit –, dass die Mittelalter-Route nicht nur über diese Kulturlandschaft informieren, sondern auch Teilhabe an diesen bedeutenden europäischen Orten, Monumenten und Schätzen eröffnen wird“, freut sich Barbara Welzel. Sie rechne mit einem ersten sichtbaren Aufschlag der studentischen Arbeiten in der Öffentlichkeit im Sommer, spätestens im Herbst. Das Projekt sei auf zwei Jahre angelegt.