Essen-Bergerhausen. Keine Bewerbungen: Essener Firma fragt sich, warum niemand den Beruf des Technischen Produktdesigners lernen will. Was die IHK dazu sagt.
- Bergerhauser Firma will ausbilden und bekommt keine Bewerbungen.
- Verwirrung um Berufsbezeichnung.
- Industrie- und Handelskammer sieht Wandel in der Arbeitswelt.
Das neue Ausbildungsjahr beginnt zwar erst im Sommer, dennoch machen sich die Verantwortlichen bei den Unternehmen, zum Beispiel bei der Firma AMR Engineering GmbH in Essen-Bergerhausen, derzeit viele Gedanken über das Thema. Warum ihnen der derzeitige Stand der Bewerbungen Sorgen bereitet und was die Industrie- und Handelskammer dazu sagt.
„Normalerweise stellen wir jedes Jahr zehn Auszubildende zum Technischen Produktdesigner und zwei zu Bürokaufleuten ein. In diesem Jahr haben wir bis jetzt keine einzige Bewerbung erhalten. Und wie wir aus Gesprächen mit anderen Firmen wissen, sieht es bei denen auch nicht besser aus“, wundert sich AMR-Chef Dieter Ochel. Da mache man sich natürlich Gedanken, woran das liegen könne.
Einerseits wollen offenbar immer mehr junge Leute nach dem Abitur lieber studieren als eine Ausbildung beginnen, andererseits spiele wahrscheinlich auch Corona eine Rolle, vermutet Ochel. „Aber vielleicht können sich auch viele nichts unter der Berufsbezeichnung vorstellen. Früher hieß der Beruf Technischer Zeichner.“
Die AMR Engineering GmbH plant und baut Anlagen für die Chemie-, Pharmazie-, Kraftwerks- und Hüttenindustrie. „Wir sind für Firmen wie Bayer, Steag oder Thyssenkrupp tätig, sind für die Abwicklung des Genehmigungsverfahrens, den Bau und die Inbetriebnahme der Anlagen zuständig“, erläutert Ochel.
Unternehmen in Essen suchen noch Auszubildende
„Wir werden schon mal gefragt, ob man als Technischer Produktdesigner Kaffeetassen oder so etwas entwerfe. Unsere Produkte sind aber Industrieanlagen“, sagt Pascal Degen, bei AMR im Vertrieb tätig und mit der Rekrutierung von Auszubildenden befasst. Man stehe in engem Kontakt mit der Industrie- und Handelskammer (IHK) Ruhr und der Agentur für Arbeit. Gerade in Zeiten der Energiewende gebe es großen Bedarf an Nachwuchskräften. „Nach der Ausbildung bleiben eigentlich alle bei uns und werden auf unsere Kosten zum Techniker oder Ingenieur weitergebildet“, so Dieter Ochels Erfahrungen aus der Vergangenheit.
Die Ausbildung zum Technischen Produktdesigner sei anspruchsvoll, kreativ und abwechslungsreich, man arbeite am Rechner und mit dem 3D-Drucker. Bisher seien viele Auszubildende, darunter auch etliche Studienabbrecher, über Mundpropaganda gekommen. Aber womöglich sei das Berufsbild selbst bei technisch interessierten jungen Menschen einfach nicht präsent. „Da müssen wir uns natürlich überlegen, wie wir das ändern können“, so Pascal Degen.
Geplant sei deshalb in Kürze ein Tag der offenen Tür in der Firma in Bergerhausen, wahrscheinlich an einem Samstag nach jetzt anstehenden Abiturprüfungen. Wenn man keine Auszubildenden finde, fehle nicht nur dem eigenen Unternehmen der Nachwuchs. „Früher gab es noch eine Berufsschule für diesen Bereich in Essen, jetzt ist die nächste in Oberhausen. Aber auch dort braucht man eine Mindestanzahl an Schülern pro Jahrgang, sonst fällt die ganze Klasse weg und die verbliebenen Schüler müssen unter Umständen sehr weit fahren“, erläutert Degen mögliche Konsequenzen.
Firma plant einen Tag der offenen Tür
Mit der mühsamen Suche nach Auszubildenden steht die Bergerhauser Firma nicht allein da, bestätigt man bei der Industrie- und Handelskammer. Aktionen wie ein Tag der offenen Tür seien prinzipiell der richtige Weg, erklärt Franz Roggemann, Geschäftsführer für Aus- und Weiterbildung bei der IHK Ruhr. Man berate Firmen wie AMR auch gern. Die Zeiten hätten sich geändert: „Früher bekamen Unternehmen viele Bewerbungen und konnten sich Auszubildende aussuchen. Heute müssen sie schon selbst auf die jungen Leute zugehen.“
Firmenchef unterhält auch Seniorenwohnungen
Die Firma AMR-Engineering GmbH ist im Büropark Ruhrallee II ansässig und seit über 50 Jahren im Anlagenbau aktiv.Firmenchef Dieter Ochel unterhält außerdem den Schürmannhof in Bergerhausen. Der umgebaute Bauernhof beherbergt heute Seniorenwohnungen. Zum Konzept gehört das Leben mit Tieren.
Firmen sollten verstärkt als Arbeitgeber präsent sein, jungen Menschen zeigen, welche Arbeit die Auszubildenden erwarte und welche Weiterbildungsmöglichkeiten oder Sozialleistungen man zu bieten habe, so Roggemann. Ein erprobtes Mittel, Azubis für das Unternehmen zu gewinnen, seien auch die sogenannten Ausbildungsbotschafter. Diese berichten in Schulen über ihre persönlichen Erfahrungen während der Ausbildung und über Karrierechancen und rücken so die betriebliche Ausbildung in den Blick von Schülerinnen und Schülern.
Dass der Technische Zeichner heute Produktdesigner und die Arzthelferin Medizinische Fachangestellte seien, sei nur ein Aspekt des Problems. In der Tat stehe die Neubenennung von Berufen in der Diskussion. Einerseits wolle man eine attraktive, zeitgemäße Bezeichnung, die deutlich mache, um welche Tätigkeit es sich handele. Andererseits könne sich nicht jeder etwas unter dem neuen Namen vorstellen. Berufe hätten sich gewandelt. Bezeichnungen wie Technischer Zeichner stammten aus den 1950er Jahren, heute stehe keiner mehr am Zeichenbrett, sondern man arbeite am PC, so Roggemann.
Umbenennungen seien tatsächlich eher selten. Zuletzt sei die Ausbildung bei zwei bis fünf Berufen von 250 neu geordnet worden, was dann manchmal auch mit einem neuen Namen einhergehe, um die Wertigkeit der Ausbildung zu verdeutlichen. Der Mangel an Bewerbern für technische Berufe sei aber eher darin begründet, dass viele ein Studium der betrieblichen Ausbildung vorziehen würden.