Essen. Essener Museum Folkwang bewahrt in seiner Grafischen Sammlung mehr als 12.000 Werke von Kirchner bis Chagall. Ein Blick auf verborgene Schätze.
Sammeln, bewahren, erforschen, ausstellen: Das Publikum nimmt für gewöhnlich nur vom sichtbaren Teil des musealen Aufgaben-Vielklangs, den Ausstellungen, Notiz. Dabei schlummert ein Großteil der Folkwang-Schätze weitgehend verborgen in den Sammlungs-Depots. Mehr als 12.000 Blatt zählt allein der Bestand der Grafischen Sammlung. Zum 100. Jubiläum des Museum Folkwang gibt Kurator Tobias Burg Einblick in das verborgene Reich.
Die grafische Kunst ist im Essener Museum Folkwang kein Kellerkind
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Die grafische Kunst ist im Folkwang kein Kellerkind, sondern im Obergeschoss des Chipperfield-Neubaus unmittelbar an den Verwaltungstrakt gelagert. Ein Kunstdepot ist eben kein Ort des Aufbewahrens und Vergessens, sondern der aktiven Museumsarbeit. Das Folkwang hat schließlich so viel exquisite „Kunst auf Lager“, dass man in der mittlerweile kontinuierlich wechselnden Sammlungspräsention „Neue Welten“ stetig neue Entdeckungen machen kann.
Seit der Gründung des Museums werden parallel zu Meisterwerken der Malerei schließlich auch Aquarelle, Zeichnungen und Druckgrafiken gesammelt. Wie in der Gemäldesammlung liegt ein Sammlungsschwerpunkt auf Werken der Klassischen Moderne, insbesondere der Expressionismus ist stark vertreten.
Auf dem Tisch hat Burg an diesem Morgen ein Werk von Franz Marc ausgebreitet, der „Liegende Stier“ wird im Folkwang-Jubiläumsjahr wieder ins Scheinwerfer-Licht gerückt. Auch wenn die Kunst auf Papier prinzipiell zu den besonders lichtscheuen Gattungen gehört. Maximal sechs Monate, eher kürzer, werden die empfindliche Arbeiten gezeigt, erklärt Burg. Dann kehren die Kunstwerke zurück in die Kassetten und säurefreien Schachteln, in denen die grafische Kunst aufbewahrt wird. Was zu groß ist für die Schubladen, kommt in die deckenhohen Schieberegale, die die Schaulust wecken. Da prangen die poppigen Herzen von Jim Dine über Arbeiten von Marc Chagall oder Edvard Munch. Viele unterschiedliche Motive und Formate sorgen für ein buntes Kaleidoskop der Kunstgeschichte.
„Hier hat man die gesamten Epochen und Techniken beieinander“, freut sich Tobias Burg. Vor wenigen Monaten hat sich der Kurator noch um das grafische Werk des großen Filmemachers Federico Fellini gekümmert, nun laufen die Vorbereitungen für die große Sonderausstellung „Entdeckt – Verfemt – Gefeiert. Expressionisten am Folkwang“ im August.
Caspar David Friedrichs „Felsentor im Uttewalder Grund“ geht demnächst als Leihgabe nach New York
Neben der Grafik des Expressionismus sowie jüngeren Arbeiten von Horst Janssen bis Pablo Picasso bilden Zeichnung und Druckgrafik des 19. Jahrhunderts einen Schwerpunkt innerhalb der Grafischen Sammlung des Museum Folkwang. Eines der ganz frühen Werke ist das „Felsentor im Uttewalder Grund“ von Caspar David Friedrich. Die Sepiazeichnung aus dem Jahr 1801 sei „ein absolutes Highlight“, so Burg, und immer wieder angefragt. Eine der nächsten Auslands-Stationen dieses Folkwang-Schatzes soll das New Yorker Metropolitan Museum sein.
Die Bestände des 19. Jahrhunderts werden vor allem durch das druckgrafische Werk Ludwig Richters und Adolph Menzels geprägt. Aber auch die Vielzahl der Arbeiten des Brücke-Künstlers Erich Heckel sei in dieser Fülle ziemlich einmalig, erklärt der Kurator. Sie geht auf eine Initiative des einstigen Folkwang-Direktors Paul Vogt zurück, der schon Mitte der 1960er damit begonnen hat, von den ausgestellten Künstler möglichst eine Arbeit auf Papier dauerhaft ans Museum Folkwang zu holen.
Hinzu kommt ein umfangreicher Bestand an illustrierten Büchern und Mappenwerken. Etwa die noble, lederbezogene Kassette, die einst ein Jubiläumsgeschenk an Museumsgründer Karl Ernst Osthaus war. Zum zehnten Bestehen seines Folkwang-Museums, das 1902 ja schon in Hagen gegründet wurde, schickten zahllose Kunst-Stars wie Lehmbruck, Hodler und Kokoschka ihre Gratulation in Form von Papierarbeiten.
Zu Burgs ersten Amtshandlungen im Museum Folkwang gehörte indes, das Grafik-Depot komplett auszuräumen. Der Abriss des baufälligen Erweiterungstrakts von 1983 und der Neubau des Chipperfield-Baus forderte eine zeitweilige Auslagerung und Schließzeit, die der Kunsthistoriker vor allem dafür nutzen konnte, den Grafik-Schatz gründlich zu durchforsten: „Im Grunde hatte ich jedes Blatt einmal in der Hand.“ Um die schöne, alphabetisch oder nach Gattung sortierte Ordnung nicht wieder durcheinander zu bringen, achte man nun „höllisch darauf, dass jedes Blatt wieder in die Schublade kommt, in die es auch gehört“, Schließlich wächst der Bestand durch Neuerwerbungen kontinuierlich weiter. „Sammeln, bewahren, erforschen, ausstellen“ lautet schließlich seit 100 Jahren der Auftrag im Museum Folkwang.