Essen. Die Politik folgt mehrheitlich der gutachterlich untermauerten Haltung der Verwaltung. Initiative droht Klage an – und plant eine Geberkonferenz.

Sie hatten zehn Minuten Redezeit im Rat, um ihren Protest kundzutun. Es wurden am Ende fast zwölf, aber auch die waren letztlich für die Katz: Gegen den empörten Protest der Initiative für einen Klinik-Entscheid hat der Rat der Stadt das Vorhaben am Mittwoch mehrheitlich für „unzulässig“ erklärt. Er folgte damit einer gutachterlich untermauerten Position der Stadtverwaltung, die formelle Gründe, vor allem aber massive finanzielle Bedenken gegen das Vorhaben ins Feld geführt hatte. Ende der Geschichte? Noch nicht.

Man wolle keine Ruhe, wolle sich nicht einfach geschlagen geben – so formulierte trotzig Jutta Markowski, eine der drei Vertretungsberechtigten des Begehrens, das die Bürgerinnen und Bürger über die Gründung einer städtischen Klinik-GmbH entscheiden lassen wollte. Es wäre der erhoffte Einstieg in einen kommunalen Krankenhaus-Betrieb, mit dem man die durch zwei Klinikschließungen gerissene „gefährliche Versorgungslücke im Essener Norden schließen“ wollte.

3572 Unterschriften mehr als erforderlich nützen nichts

Die erste Hürde für ihr Klinik-Begehren hatten die Initiatoren mit komfortablem Vorsprung genommen: Von 19.237 eingereichten und geprüften Unterschriften waren 16.964 gültig.

Zu den 2273 ungültigen zählten etwa 764 Personen, die nicht die vorgeschriebene Wahlberechtigung für eine Kommunalwahl aufwiesen, bei 381 Personen fehlte ein Essener Hauptwohnsitz, 153 Personen konnten nicht eindeutig ermittelt werden, und 975 Personen hatten kurzerhand mehrfach unterschrieben.

Das das erforderliche Quorum aber bei nur 13.392 gültigen Unterschriften lag – drei Prozent der Wahlberechtigten bei der letzten Kommunalwahl 2020 –, verfügte man über einen Puffer von über 3500 Stimmen. Für die Frage der Zulässigkeit waren die allerdings ohne Wert.

SPD wirft der Stadtverwaltung „fehlende Neutralität“ und mangelnde Unterstützung vor

Dass der Stadtrat das Begehren für „unzulässig“ erklärt und dem Ansinnen damit den einstweiligen K.o.-Schlag versetzt hat, hält die Initiative für einen „skandalösen Umgang“ mit tausenden Unterstützer-Unterschriften: „Sie interessieren sich nicht für die einfachen Leute, das ist die Message“, kritisierte Markowski und sprach von einer großen Frustration bei den Betroffenen.

Korrigieren lässt sich der mit Stimmen von CDU, Grünen und FDP gefasste Ratsbeschluss nur vor dem Verwaltungsgericht in Gelsenkirchen. Eine solche Klage kostet nach groben Schätzungen einige tausend Euro, Geld, das die Initiative nicht in der Portokasse hat. Im Gespräch sei deshalb eine „Geber-Konferenz“, kündigte Markowski an, um der Stadt vor dem Kadi zu zeigen, was eine Harke ist. Unterstützung finden die Initiatoren bei den Linken, aber auch bei der SPD, deren Sprecher Michael Schwamborn der Stadtverwaltung eine „andauernde zermürbende Blockade-Haltung“ und „fehlende Neutralität“ vorwarf.

Kromberg: Initiative hatte eine Vorabprüfung der Zulässigkeit ausdrücklich abgelehnt

Dabei zeigt sich die Verwaltung ganz und gar nicht schuldbewusst, im Gegenteil: Ordnungs- und Rechtsdezernent Christian Kromberg erinnerte daran, dass man den Machern des Bürgerbegehrens wegen absehbarer juristischer Bedenken schon vor knapp zwei Jahren „dringend angeraten“ habe, die Zulässigkeit des Begehrens vorab prüfen zu lassen. „Man hat davon ausdrücklich abgesehen“, betonte Kromberg in der Ratssitzung.

„Mit fadenscheinigen, rechtsbeugenden Argumenten soll das Bürgerbegehren kaltgestellt werden“, empörte sich Jutta Markowski, eine der drei Vertretungsberechtigten des Klinik-Begehrens. Sie habe bei den einfachen Leuten im Norden „große Frustration“ erlebt.
„Mit fadenscheinigen, rechtsbeugenden Argumenten soll das Bürgerbegehren kaltgestellt werden“, empörte sich Jutta Markowski, eine der drei Vertretungsberechtigten des Klinik-Begehrens. Sie habe bei den einfachen Leuten im Norden „große Frustration“ erlebt. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Dass die Stadt sich nicht nur auf die Position des eigenen Rechtsamtes verlassen hatte, sondern die Düsseldorfer Rechtsanwalts-Kanzlei einschaltete, um die juristischen Fallstricke offenzulegen, verstand man im Rathaus stets als Versuch, unabhängige Dritte die rein formellen Rahmenbedingungen klären zu lassen.

„Ich frage mich mittlerweile, wer hier in der Stadt wirklich eine Spaltung vorantreibt“

Genau darum handle es sich, verteidigte Dirk Kalweit von der CDU die Entscheidung: Um eine „rein formal-rechtliche und eben keine politische Entscheidung“. Auch Sandra Schumacher von den Grünen rechtfertigte den strengen juristischen Blick, weil er „eine transparente und ehrliche Aufklärung der Menschen garantiert, die unterschreiben, und sicherstellt, dass Forderungen überhaupt umsetzbar sind“.

Schumacher dankte der Initiative gleichwohl für ihren Einsatz, der sei „belebend für die Demokratie“. Ein Lob, das von dort höhnisch kommentiert wurde, was wiederum die grüne Ratsfrau ärgerte: „Ich frage mich mittlerweile, wer hier in der Stadt wirklich eine Spaltung vorantreibt.“