Essen. TV-Prominenz nimmt Besucher mit auf eine virtuelle Zeitreise durch die Essener Innenstadt. Henning Baum und Nelson Müller erscheinen als Avatare.
Sie tragen dicke, schwarze Brillen, stehen bisweilen etwas sperrig im Weg herum und sehen Dinge, die andere nicht sehen: Herren mit Frack und Zylinder, Frauen mit Haube, Kühe und Kutschen – und das mitten in der Essener City. Traum oder Realität? „Mixed-Reality“ lautet die Antwort. Ab Freitag, 1. April, wird man wohl mehr Menschen sehen, die sich dank der innovativen Technik auf eine Zeitreise ins „Essen 1887“ begeben. Am Montag, 28. März, gab’s auf Einladung des Veranstalters, der Essen Marketing GmbH, einen ersten Proberundgang.
Stadtführungen, dazu gehört bislang zumeist ein Guide mit Schirm, der eine mehr oder minder interessierte Menschentraube vor Sehenswürdigkeiten um sich schart. Bei „Essen 1887“ kann nun jeder auf eigene Faust die Stadtgeschichte erkunden. Ausgestattet mit dazugehörigem Handy und der Mixed-Reality-Brille, die für ein ganz besonderes Erlebnis sorgt. Anders als bei einer VR-Brille ist man dabei nicht komplett von der Außenwelt abgeschirmt, sondern nimmt seine Umgebung noch wahr.
Gut für alle Stadtspaziergänger, die schließlich nicht über andere Passanten und Blumenkübel stolpern sollen und trotzdem in eine andere Welt eintauchen können. Die zaubert virtuell animierte Jugendstilfassaden herbei, wo heute eher triste Nachkriegsbauten stehen und lässt Schauspieler wie Henning Baum und Tatjana Clasing vor Gebäuden wie dem alten Essener Rathaus oder dem Grillo-Theater als Hologramme erscheinen, wo sie dem Publikum Essens Stadtgeschichte näher bringen. Gastauftritte gibt es auch für Harry Wijnvoord als Magier, Alicja Rosinksi als Magd und Sternekoch Nelson Müller als Koch.
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Auch Essens prominente Rapper, die „257ers“ aus Kupferdreh, mischen sich verkleidet als Leierkastenspieler stilecht unter die Jahrhundertwende-Truppe: „Wir als Avatare in unseren eigenen Stadt? Da müssen wir dabei sein“, hatten Schneezin und Mike ziemlich schnell beschlossen. Und sie singen diesmal nicht über „Holland“ oder „Holz“, sondern über Alfred Krupp, denn der ist tot.
Die Rahmenhandlung erzählt vom Tag im Sommer 1887, an dem Alfred Krupp begraben wird. Einer der vielen prägenden Industriellen, die Essen damals zur Boomtown des 19. Jahrhunderts machen. Darunter auch Friedrich Grillo, der Essen noch kurz vor seinem Tod den Bau eines Stadttheaters zusichert. Seine Frau Wilhelmine setzt die Planung um und erscheint in Gestalt der bekannten Theater und TV-Schauspielerin Tatjana Clasing nun in Essens Fußgängerzone, wo sie die die Besucher in Empfang nimmt.
Die Story folgt nicht streng den Geschichtsbüchern, die historischen Gebäude seien aber nicht ausgedacht „sondern haben alle so dagestanden“, sagt EMG-Touristikleiter Lars Büttner, der die Idee einer virtuellen Stadtführung vorangetrieben hat. Anfangs waren es historische Bilder, die im Rahmen einer Führung auf die aktuellen Gebäude gebeamt wurden. Binnen Monaten wurde daraus ein Digital-Projekt, das es nach Angaben der EMG in dieser Form weltweit noch nicht gegeben hat.
Über insgesamt 24 Stationen erstreckt sich die auf circa zwei Stunden angelegte Tour, die von der Tourist Info am Willy-Brandt-Platz über Burgplatz und Flachsmarkt zur Viehofer Straße führt. Die Handy-App weist dabei den Weg und gibt den Nutzern Instruktionen, wohin der Blick wandern muss und wie man die nächste Szene scharf stellt. Manchmal sind es Ansichten historischer Kulissen oder animierte Schaufenster. Manchmal sind es kleine Spielszenen, in denen der Betrachter praktisch Teil der Handlung wird, die virtuellen Figuren sogar umrunden und den Raum näher erkunden kann, um beispielsweise ins Kondolenzbuch zu schauen, das Henning Baum als Kneipenwirt Hannes auf der Theke ausgelegt hat.
So funktioniert Mixed-Reality
Die Tickets für „Essen 1887 – eine Mixed-Reality-Zeitreise“ kosen 25 Euro pro Person und sind online und in der Tourist Info Essen buchbar. www.essen1887.de
Alle Besucher erhalten ein Handy und die entsprechende Mixed-Reality-Brille. Die Tour dauert etwa zwei Stunden. Pro Tag sind maximal 144 Führungs-Slots zu vergeben.
Die Brille erkennt digitale Marker in der Innenstadt, Personen, Zeittore und Häuserfassaden werden dann auf die Innenseiten der Gläser projiziert. Ein Tutorial hilft, sich an die Benutzung der Mixed-Reality-Brille zu gewöhnen.
80 Mixed-Reality-Brillen wurden für die süffige aber vermutlich auch recht kostspielige Stadtgeschichts-Tour ausgegeben. Über die Höhe der Kosten hat die EMG bislang keine Angaben gemacht. Das Projekt sei auf mehrere Jahre ausgelegt, um sich über die Tickets zu refinanzieren, hatte EMG-Chef Richard Röhrhoff im Vorfeld erklärt. Ziel sei es, „die Innenstadt von einer anderen Seite zu zeigen“. Und zwar mit der virtuellen, statt der rosaroten Brille.