Essen. Zu Weihnachten legen die „257ers“ ihren Fans ein neues Album unter den Baum. Auf „Hömma“ überrascht das Essener Rap-Duo nicht nur musikalisch.

Wo die 257ers sind, da herrscht normalerweise Partystimmung. Das Essener Rap-Duo gehört zu den erfolgreichsten Gute-Laune-Garanten des Genres. Schräge Spaß-Hits wie „Holz“ und „Holland“ wurden mit Platin veredelt. 2016 gab’s die 1Live-Krone für die 257ers, die ihren Bandnamen an die Postleitzahl ihres Heimat-Stadtteils Kupferdreh angelehnt haben.

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Zuhause waren Daniel „Shneezin“ Schneider und Mike Rohleder während der Corona-Pandemie oft. Nicht nur darüber haben sie einen Song geschrieben, eine Hymne an ihre Heimat Essen. Wie sich der Lockdown auf die Musik ihre neuen Albums „Hömma“ ausgewirkt hat, darüber sprach Mike Rohleder mit Martina Schürmann.

Selters statt Sekt. Euer neues Album startet mit einer Ode ans Wasser. Predigt ihr dem Publikum jetzt Abstinenz?

Mike Rohleder: Nee, bei uns steckt ja kein Konzept dahinter. Wir machen Songs, wie uns das gerade in den Plan passt. Und der Beat hat das hergegeben. Einfach mal auf ein Wässerchen vorbeikommen ist ja auch Corona-konform. Man schlägt nicht über die Stränge. Mit Alkohol ist da ja nicht zu spaßen.

Aber ihr habt die Corona-Zeit nicht nur mit Tee und Mineralwasser verbracht?

Tatsächlich mehr denn je. Wir hatten ja kaum Konzerte, bei denen sonst schon mal das ein oder andere Bierchen getrunken wird. (lacht) Und unsere Stauder-Flatrate wollten wir in dieser Zeit auch nicht beanspruchen.

Ihr habt eine Stauder-Flatrate?

Wir haben die Stauder-Brüder mal privat besuchen dürfen, danach gehört man quasi zur Familie. Und darf auch mal anrufen, wenn der Durst zu groß wird.

Nach dem Echo-Eklat: „Beim Rap ist der alte Drive raus“

„Vom Saufen kriegt man Durst“ heißt auch ein Song auf „Hömma“. Da bricht sogar ein richtiges Punk-Gitarrengewitter los. Neue Töne bei den 257ers?

Ich würde sagen, die waren schon immer da. Auf unseren Alben gab es ja schon oft ein buntes Potpourri. Dazu kommt, dass es den Rap, wie wir ihn kennen, leider nicht mehr gibt. Dieses Punchline-Schreiben und möglichst shocky sein mit seinen Texten ist nicht mehr en vogue, wie man ja beim Echo festgestellt hat. Der alte Drive ist weg.

„Zuhause“ zwischen Kupferdreh und Katernberg: Daniel „Shneezin“ Schneider und Mike Rohleder marschieren im Video durch ihre Heimatstadt Essen.  
„Zuhause“ zwischen Kupferdreh und Katernberg: Daniel „Shneezin“ Schneider und Mike Rohleder marschieren im Video durch ihre Heimatstadt Essen.   © Sony

Nach der Verleihung des Musikpreises Echo an Kollegah und Farid Bang 2018 haben viele Musiker protestiert. Der Preis wurde abgeschafft. Auch ein Tiefschlag für den Rap?

Früher hat man sich richtig ausgetobt mit Gleichgesinnten, etwa wie beim Poetry Slam. Das ist von der Gesellschaft leider falsch aufgenommen worden. Klar gibt’s die Gangsterrapper, die möglichst krass sein wollen. Aber alles andere ist für mich lyrischer Sport. Wie beim Boxen, da schickt man den anderen auch auf die Matte, ohne ihm wirklich wehtun zu wollen.

Das neue Album heißt „Hömma“ und darauf habt ihr eurer Heimat Essen mit „Zuhause“ auch noch eine Hymne geschrieben. Wollt ihr bald Ehrenbürger des Ruhrgebiets werden?

(lacht) Wenn’s was gibt, das sich gut an der Wand macht! Wir haben ja tatsächlich schon einen Preis, den Tacken des Marketing Club Ruhr bekommen. Das war schon was Besonderes und komplett unwirklich. Eigentlich sind wir doch immer noch die Kellermusiker, die irgendwann mal das Internet für sich entdeckt haben und damit durchgestartet sind.

Zwei Megahits der Kellermusiker wurden schon mit Gold und Platin veredelt. Ihr seid die Headliner auf großen Festivals. Aber aus Essen wollt ihr trotzdem nicht weg?

Da wir sowieso viel rumreisen ist für uns ist klar, dass wir für immer hierbleiben. Hier ist einfach Heimat, mit allen Höhen und Tiefen. Hier quatscht mich keiner doof an in Kupferdreh.

Die Pandemie hat auch für nachdenklichere Songs gesorgt

Neben dem fast melancholischen „Essen“-Song überrascht ihr in „Jedes Ende hat zwei Seiten“ auch mit sehr persönlichen Zeilen über eure verstorbenen Väter. Hat Corona euren Stil verändert?

Corona hat schon was bewirkt. Man denkt momentan nicht so sehr darüber nach, wie man die Leute mitreißt und zum Springen und Abgehen bewegt. Uns war ja klar, dass unsere Fans die Songs vorerst nicht auf Konzerten oder Partys hören können. Natürlich hatten wir anfangs auch ein bisschen Sorge, dass das nicht so gut ankommt. Aber jetzt sind die Weichen gestellt. Und wir werden auch so weitermachen. Rap-mäßig müssen wir uns einfach nichts mehr beweisen.

Inzwischen seid ihr auch Familienväter und womöglich sogar richtige Vorzeige-Papas?

Wir sind natürlich auch noch die verrückten Vögel und vermutlich lockerer als der Großteil da draußen. Aber ich finde uns da ganz vorzeigbar. Weil wir halt so locker sind und tagsüber auch viel Zeit für unsere Kids haben.

„Viele sind an Corona erkrankt. Ich verstehe nicht, wie man das nicht wahrhaben will“

Ihr habt während der Coronakrise auch einen Stadt-Spot gedreht und die Leute zum Durch- und Distanzhalten animiert. Weil ihr auch selber betroffen seid?

Meine Mutter und meine Oma sind an Corona erkrankt. Und ich kenne viele, die das hatten, die auch schwer krank waren. Eine YouTuberin, die wir aus dem Netz kennen, ist mit 29 daran gestorben. Meine Frau ist außerdem Krankenschwester, ich weiß, was da draußen passiert. Ich verstehe einfach nicht, wie man das nicht wahrhaben will.

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Du hast ja selbst mal an der Supermarkt-Kasse gesessen. Kannst du was anfangen mit Begriffen wie „Helden des Alltags“?

Meiner Meinung nach ist das vor allem eine mediale Geschichte. Wer ein Held ist, dem würde ja auch entsprechend gehuldigt. Und der müsste auch so bezahlt werden. Das betrifft nicht nur die ganzen Pfleger in den Krankenhäusern, auch die Supermarktleute. Ich hab damals als gelernter Einzelhandelskaufmann 900 Euro rausbekommen. Helden werden, glaube ich, anders bezahlt.

„Es muss etwas passieren. Lange wird das die Musikbranche nicht mehr überstehen“

Ihr macht zwar momentan keine Konzerte, seid in den sozialen Netzwerken aber ziemlich aktiv und habt euch sogar eine kleine Studio-Kneipe eingerichtet.

Da drehen wir derzeit unsere YouTube-Formate und interviewen bei einem Bierchen alle möglichen Leute für unser „Akk.TV“. Kay Shanghai war mal da, wir haben im ersten Lockdown auch schon einen Tätowierer eingeladen. Inzwischen sind wir auch bei Twitch aktiv, auf unserem Kanal „Konsolenmutanten“ kann man uns zwei, drei Mal die Woche sehen.

Ein Loblied aufs Wasser

Mit „Hömma“ legen die „257ers“ ihr inzwischen achtes Album vor. Es versammelt zwölf Titel, vom partytauglichen „Wasser“ in der Tradition von „Holz“ und „Holland“ bis zum „Ikea“-Song.

Musikalisch bedienen die „257ers“ diesmal so ziemlich jedes Genre von Punkrock über Pop bis Rap. Richtig ab geht’s mit dem „Roboterpferd“. Die „Warteschleife“ ist eine etwas andere Telefontherapie. Ungewohnt melancholisch: „Jedes Ende hat zwei Seiten“

Gibt es eigentlich schon Pläne für 2021?

Die Tour ist angesetzt für den April, keine Ahnung, ob’s klappt. Wir wären natürlich froh, endlich wieder mit unseren Mutanten feiern zu können. Es muss etwas passieren, lange wird das die Musikbranche nicht mehr überstehen. Und gemeinsam feiern ist nun mal Leben. Wenn es trotzdem nicht so schnell geht, haben wir aber noch ein paar Sachen in Planung. Wenn das funktioniert, dann wird das wirklich jeder mitbekommen.

Hier geht’s zum „Essen“-Lied: https://www.youtube.com/watch?v=vfh28RFAFpo