Essen. . Das älteste Stadttheater des Reviers feiert Geburtstag. Es hat glanzvolle Zeiten erlebt, wurde zerstört und ständig neuen Bedürfnissen angepasst

Wenn das Grillo-Theater am 16. September Geburtstag feiert, dann wird es ein wenig so sein wie vor 125 Jahren. Das Essener Orchester wird Beethovens „Weihe des Hauses“ spielen, der Bürgermeister wird eine stolze Rede halten. Und mit Friedrich Grillo werden sie einen Stifter von Rang hochleben lassen. Grillo, der Unternehmer und Kaufmanns-Sohn, hat seiner Heimatstadt vor 125 Jahren das erste Stadttheater des Ruhrgebiets geschenkt. In der großzügigen Geste verbinden sich damals Bürgerstolz und Engagement fürs Gemeinwohl.

Der Stifter des Grillo-Theaters: Friedrich Grillo.
Der Stifter des Grillo-Theaters: Friedrich Grillo. © Ruhr Museum

Als Grillo im Oktober 1887 vor dem Essener Stadtrat verkündet, er wolle eine halbe Million Mark, notfalls sogar mehr, spenden und auch Zeit seines Lebens für den Unterhalt des Theaters aufkommen, geht ein Raunen durch den Saal. Doch noch vor der Beurkundung stirbt Grillo, ein halbes Jahr nach seiner Zusage. Seine Witwe Wilhelmine, geborene von Born, fühlt sich dem Beschluss ihres Mannes allerdings verpflichtet. Sie stiftet das elterliche Grundstück für den Bau im I. Hagen und übernimmt mehr als zwei Drittel der Gesamtkosten von 937 997 Mark. Für den Betrieb werden aber weitere Unterstützer gebraucht. Nachdem die Schenkungsurkunde unterschrieben ist, erklärt sich auch Alfred Krupp bereit, das Haus mit jährlich 10 000 Mark zu unterstützten, obwohl der Industrielle wenig Begeisterung für die Materie zeigt. „Ich habe kein Interesse am Essener Theater, denn ich gehe nicht hin.“

Aus 34 Architektur-Entwürfen wird das vom Berliner Theaterarchitekten Heinrich Seeling im neobarocken Stil entworfene Modell ausgewählt. Am 16. September 1892 eröffnete das Theater mit Lessings „Minna von Barnhelm“ .

Den Namen Grillo trägt das Haus aber eigentlich erst, seit es das Aalto-Theater gibt. Davor ist der Bau lange Schauspiel- und vor allem städtisches Opernhaus in einem. Ein Drei-Sparten-Haus, das mit dem rasanten Wachstum der Stadt bald räumlich an seine Grenzen stößt. Schon 1894 und 1896 erfolgen Umbaumaßnahmen, bald kommt ein neues Kulissenhaus hinzu, die Hinterbühne wird erweitert. Denn der Ansturm auf das Theater ist riesig, wie ein Zeitung-Bericht aus dem November 1906 dokumentiert. Unter der Überschrift „Sturm auf die Stadttheaterkasse“ wird da ein heute unvorstellbarer Vorverkaufs-Andrang geschildert: „Man drängt, man schiebt, dort fliegen Hüte, splittern Schirme, kreischen Frauen und Mädchen. Manchmal stürzt auch der eine oder andere und wird übel getreten. Bis auf die Kettwiger Straße stehen Leute, um sich dieses Gratis-Schauspiel vor dem Stadttheater anzusehen. Wo bleibt da die Polizei, um Ordnung zu halten?“ In den 1920er Jahren wird das Sprechtheater zeitweise in eine eigene Spielstätte an der Hindenburgstraße verlagert.

Von der Schnörkelfassade zum rosafarbenen Raumwunder

Die Fassade ist heute schnörkelloser, die Platzzahl wurde von einst 800 auf inzwischen 400 Sitze halbiert, die Rolle aber bleibt unverändert: Seit 125 Jahren steht das Essener Grillo-Theater für die Idee eines Volkstheaters. Nicht von fürstlicher Hand errichtet, sondern aus bürgerlichem Gemeinwohl-Gedanken entstanden, sollte das Theater schon zur Eröffnung ein Haus für alle Essener sein. Allerdings gab es zunächst zwei getrennte Zugänge – einen für die Großbürger, einen für das Volk.

Historische Aufnahme vom und aus dem Grillo Theater in Essen. Foto: Ruhrmuseum, Bestand Stadtbildstelle Essen
Historische Aufnahme vom und aus dem Grillo Theater in Essen. Foto: Ruhrmuseum, Bestand Stadtbildstelle Essen

Die Zwei-Klassen-Ordnung soll nach dem Zweiten Weltkrieg endgültig Geschichte sein. Um den „Charakter eines Volkstheaters“ zu erhalten, werden die „klassifizierenden“ zwei Ränge durch einen größeren Rang ersetzt, die Logen abgerissen, jeder Pomp und Plüsch der Gründerjahre entfernt. Auf die Wiederherstellung der wilhelminischen „Schnörkelfassade“ verzichtet man ebenfalls und verpasst dem Haus eine neue sachlich-neoklassizistische Front. Nicht jeder, der die Bilder des vom Bombenhagel zerstörten Hauses heute betrachtet, teilt wohl die damalige Ansicht, dass ein Teilabriss und Neuaufbau unumgänglich war. Aber dem Essener Theater ging es wie vielen Gebäuden der Stadt, die vom Veränderungs-Furor der Stadtväter betroffen waren: Die neue Zeit sollte auch mit einer neuen Formensprache einhergehen.

Ein Blick in den Theatersaal heute: Foto: Ruhrmuseum, Bestand Stadtbildstelle Essen
Ein Blick in den Theatersaal heute: Foto: Ruhrmuseum, Bestand Stadtbildstelle Essen

Ende der 1980er Jahre bekommt das Grillo-Theater noch einmal einen neuen Look. Da ist das Haus so baufällig, dass es nach den Plänen der Stadt wegen Baumängeln 1988 sogar geschlossen werden soll. Der damalige Intendant Hansgünther Heyme wendet das Ende ab. In dem Jahr, in dem das Aalto-Theater nach langer Vorgeschichte endlich als Opernhaus der Stadt in Betrieb geht, startet auch der Umbau des Theaters, jetzt zum reinen Sprechtheater. Nun verschwindet auch das Nachkriegsinterieur der 1950er Jahre und von den zuletzt 600 Plätzen gehen weitere 200 verloren. Denn zusammen mit dem Essener Architekten Werner Ruhnau treibt Heyme die Umgestaltung des Grillo-Theaters zum Raumtheater voran, das die Guckkasten-Bühne ablösen und eine variable Bespielung nach antikem Vorbild möglich machen soll. Ein Vorhaben, das nicht bei allen Experten auf Begeisterung stößt. Auch Nachfolger wie Jürgen Bosse und Anselm Weber haben die – kostenaufwendige – Möglichkeit der Raumbühne später nicht genutzt. Bei der Wiedereröffnungspremiere 1990 aber kann das renovierte Haus mit Shakespeares „Sommernachtstraum“ in einer Raumbühnen-Inszenierung aufwarten. Aus dem ältesten Stadttheater im Ruhrgebiet ist eine der modernsten Sprechbühnen der Republik geworden.

So wird das Grillo-Jubiläum gefeiert

Das Grillo-Theater feiert seinen 125. Geburtstag am Samstag, 16. September, ab 14 Uhr mit einem großen Fest, zu dem alle Essener eingeladen sind. Auf vier Bühnen rund ums Theater wird bis in den Abend gesungen, getanzt und gespielt.

Neben dem Schauspielensemble werden auch Sänger, Tänzer, Musiker und Chöre des Aalto-Theaters mitwirken. Akteure der Freien Essener Theaterszene, Bands und Chöre unterstützen das bunte Jubiläums-Programm.

Ab 19 Uhr wird beim „Dinner for all“ dann aufgetischt. An der vielleicht längsten Geburtstagstafel der Stadt, einmal rund ums Grillo, organisieren die TuP-Ensembles, der Essener Theaterring, die Theatergemeinde Metropole Ruhr sowie der TuP-Freundeskreis ein Geburtstagsbuffett, an dem sich auch die Besucher mit selbst gemachten Leckereien beteiligen sollen.

Das Grillo-Theater früher und heute

So sah das Leben um die Jahrhundertwende rund ums Grillo-Theater aus. Das Gebäude ist von Wohnhäusern umgeben. In einem  alten Schulgebäude gleich hinter dem Theater ist das Kulissenhaus untergebracht.
So sah das Leben um die Jahrhundertwende rund ums Grillo-Theater aus. Das Gebäude ist von Wohnhäusern umgeben. In einem alten Schulgebäude gleich hinter dem Theater ist das Kulissenhaus untergebracht. © Sammlung Effertz
Das neugebaute Haus im Jahr 1892.
Das neugebaute Haus im Jahr 1892. © Ruhrmuseum/Bestand Stadtbildstelle Essen
Dem prachtvollen Interieur der frühen Jahre trauert so mancher Theaterfreund bis heute nach. Das Foto zeigt den Theatersaal von der Bühne aus gesehen vor 1902. Der Theatersaal bot damals 800 Zuschauern Platz
Dem prachtvollen Interieur der frühen Jahre trauert so mancher Theaterfreund bis heute nach. Das Foto zeigt den Theatersaal von der Bühne aus gesehen vor 1902. Der Theatersaal bot damals 800 Zuschauern Platz © Ruhrmuseum/Bestand Stadtbildstelle Essen
Die Nationalsozialisten benutzen das Theater und flaggen beim Hitler-Besuch 1936.
Die Nationalsozialisten benutzen das Theater und flaggen beim Hitler-Besuch 1936. © Willy van Heekern/Fotoarchiv Ruhr Museum
Getroffen von den Bomben des Zweiten Weltkriegs, büßt das Haus nach dem Willen der Stadtväter seine wilhelminische Schnörkelfassade ein und...
Getroffen von den Bomben des Zweiten Weltkriegs, büßt das Haus nach dem Willen der Stadtväter seine wilhelminische Schnörkelfassade ein und... © Ruhrmuseum/Bestand Stadtbildstelle Essen
...wird 1950 im neoklassizistischen Stil wiedereröffnet.
...wird 1950 im neoklassizistischen Stil wiedereröffnet. © Ruhrmuseum/Bestand Stadtbildstelle Essen
Glanzvolle Wiederauferstehung. 1950 wird das Theater mit veränderter Fassade neu eröffnet. Den Haupteingang zieren nun drei Reliefs des Bildhauers Herbert Lungwitz.
Glanzvolle Wiederauferstehung. 1950 wird das Theater mit veränderter Fassade neu eröffnet. Den Haupteingang zieren nun drei Reliefs des Bildhauers Herbert Lungwitz. © Ruhrmuseum/Bestand Stadtbildstelle Essen
Anfangs braust der Verkehr noch unmittelbar am Theater vorbei.
Anfangs braust der Verkehr noch unmittelbar am Theater vorbei. © Ruhrmuseum/Bestand Stadtbildstelle Essen
Heute hat das Haus mit dem markanten rosa Anstrich den Theatervorplatz.
Heute hat das Haus mit dem markanten rosa Anstrich den Theatervorplatz. © Socrates Tassos
Dichtes Gedränge im Foyer: Das Theater ist in den ersten Jahrzehnten Heimat für Oper, Ballett und Sprechtheater – und wird vom Publikum regelrecht bestürmt.
Dichtes Gedränge im Foyer: Das Theater ist in den ersten Jahrzehnten Heimat für Oper, Ballett und Sprechtheater – und wird vom Publikum regelrecht bestürmt. © Ruhrmuseum/Bestand Stadtbildstelle Essen
Wer in den Nachkriegsjahren ins Theater will, muss sich sputen. Viele „ausverkauft“-Schildchen dokumentieren die Nachfrage.
Wer in den Nachkriegsjahren ins Theater will, muss sich sputen. Viele „ausverkauft“-Schildchen dokumentieren die Nachfrage. © Ruhrmuseum/Bestand Stadtbildstelle Essen
Empfing das Publikum 1976 elegant: der Logenschließer.
Empfing das Publikum 1976 elegant: der Logenschließer. © Marga Kingler/Fotoarchiv Ruhr Museum
Zeitlose Eleganz: das Theater-Foyer vor dem Umbau.
Zeitlose Eleganz: das Theater-Foyer vor dem Umbau. © Ruhrmuseum/Bestand Stadtbildstelle Essen
Architekt Werner Ruhnau hat das Grillo Ende der 1980er Jahre zum Raumtheater umfunktioniert. Bespielt wurde es in der Form nur einmal.
Architekt Werner Ruhnau hat das Grillo Ende der 1980er Jahre zum Raumtheater umfunktioniert. Bespielt wurde es in der Form nur einmal. © Ruhrmuseum, Bestand Stadtbildstelle Essen
Ein Blick in das Theater vor dem letzten Umbau. Zwischenmauern und Stuhlreihen sind herausgerissen, der nackte Betonboden sichtbar.
Ein Blick in das Theater vor dem letzten Umbau. Zwischenmauern und Stuhlreihen sind herausgerissen, der nackte Betonboden sichtbar. © Ruhrmuseum/Bestand Stadtbildstelle Essen
Historische Aufnahme vom und aus dem Grillo Theater in Essen.Foto: Ruhrmuseum, Bestand Stadtbildstelle Essen
Historische Aufnahme vom und aus dem Grillo Theater in Essen.Foto: Ruhrmuseum, Bestand Stadtbildstelle Essen © Ruhrmuseum/Bestand Stadtbildstelle Essen
Das  Grillo-Theater aus der Luft betrachtet (fotografiert im Mai 2004).
Das Grillo-Theater aus der Luft betrachtet (fotografiert im Mai 2004). © Hans Blossey
Der Eingangsbereich des Grillo-Theaters (fotografiert im März 2010).
Der Eingangsbereich des Grillo-Theaters (fotografiert im März 2010). © Dirk Bauer
Der Eingangsbereich des Grillo-Theaters (fotografiert im März 2010).
Der Eingangsbereich des Grillo-Theaters (fotografiert im März 2010). © Dirk Bauer
Das Grillo-Theater im Dezember 2016.
Das Grillo-Theater im Dezember 2016. © Ulrich von Born
Das Grillo-Theater im Dezember 2016.
Das Grillo-Theater im Dezember 2016. © Ulrich von Born
Das Grillo-Theater im Dezember 2016.
Das Grillo-Theater im Dezember 2016. © Ulrich von Born
Das Grillo-Theater im Dezember 2016.
Das Grillo-Theater im Dezember 2016. © Ulrich von Born
Das Grillo-Theater im Dezember 2016.
Das Grillo-Theater im Dezember 2016. © Sebastian Konopka
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