Essen-Altenessen. Die ersten Geflüchteten sind im ehemaligen Marienhospital in Essen untergebracht. Bei einem Besuch zeigt sich, wie die Situation dort ist.
Geflüchtete aus der Ukraine sind jetzt in drei Etagen des ehemaligen Marienhospitals in Altenessen untergebracht. Insgesamt bietet das Krankenhaus für diesen Zweck 220 Betten. Zweisprachige Schilder am Empfang, den Toiletten, auf dem Weg zur Cafeteria und im Aufzug sollen den Gästen Orientierung in dem riesigen Krankenhaus geben.
Lehren aus der Flüchtlingsbewegung 2015
Empfangen werden sie dann mit der Frage: „Wie geht es Ihnen?“ – Eine Frage, die eigentlich eine Überforderung ist für jene, die geflohen sind vor dem Krieg in der Ukraine. Wie soll es jenen gehen, deren Zuhause zerstört ist, die Freunde, Verwandte, Spielsachen und soziales Umfeld zurücklassen mussten? Stefanie Horstmann von der CSE (Caritas-SkF-Essen gGmbh) leitet die Einrichtung und weiß: „Die meisten wirken gefasst und müde.“ Horstmann merke, dass ein kleiner Teil der Last abfällt, wenn die Menschen sehen, dass sie ein Zimmer haben, ein Bett und im besten Fall noch Wlan, um Kontakt zur Heimat zu halten.
Die Geflüchteten dürften sich dann zunächst ausschlafen und zur Ruhe kommen. Tatsächlich ist es sehr still auf dem Flur der ehemaligen Neugeborenenstation in der vierten Etage. Ab und an piept es auf dem Gang – die Klingel ist nicht in allen Zimmern abgestellt worden. Verantwortliche laufen geschäftig über den Gang, hier fehlt noch ein Mülleimer, dort geht das Licht nicht. Ansonsten scheint es wie die Ruhe vor dem Sturm – für die Mütter mit ihren Kindern, die in den vergangenen Tagen hier angekommen sind ist es eher die Ruhe nach dem Sturm: „Das haben wir aus der Flüchtlingsbewegung 2015 gelernt“, erklärt Horstmann. „Es dauert, bis die Menschen realisieren, was passiert ist.“ Dennoch müsse dann auch schnell geklärt werden, wie es weitergeht.
Corona-Situation bringt im Altenessener Marienhospital niemanden aus der Ruhe
Und so arbeitet ihre Kollegin den Fragenkatalog für die Familie, die bei der Ankunft positiv auf das Coronavirus getestet wurde, weiter ab: „Sind Sie in der Ukraine in ärztlicher Behandlung, benötigen Sie Medikamente?“ Die Corona-Situation bringe hier niemanden mehr aus der Ruhe, sagt Stefanie Horstmann. „Brauchen Sie irgendetwas?“ Vladyslav Shyfman ist ehrenamtlich als Dolmetscher im Einsatz. „Ich habe gehört, dass hier Hilfe gebraucht wird, deswegen komme ich hierher, wenn ich nicht gerade in meinem Hauptberuf im Reisebüro im Einsatz bin.“
Der 27-Jährige erklärt, dass sich die Familie Zahnbürsten wünscht – und Seife, um sich und ihre Wäsche zu waschen. Dann geht es um die Bürokratie: Die Familie muss in der Unterkunft gemeldet werden. Erst mit einer Meldeadresse können sie ein Konto eröffnen. Außerdem brauchen sie eine SIM-Karte, um telefonieren zu können. Die CSE arbeitet eng mit der Stadt, dem Amt für Soziales und Wohnen, der Telekom, der Sparkasse und weiteren Institutionen zusammen.
Ukrainer können nicht auf ihr Geld zugreifen
Auf ihr Geld in der Ukraine können die Geflüchteten nicht mehr zugreifen, weiß Horstmann. Das ist eine andere Währung, die spuckt der Geldautomat nicht aus. Außerdem ist diese Währung nichts mehr wert, weil die Ukraine jetzt Kriegsgebiet ist. Horstmann: „Mit Schecks und Lebensmittelgutscheinen werden die Ukrainer hier zunächst von der Stadt versorgt.“ Im Marienhospital wurde unterdessen die ehemalige Cafeteria wieder reaktiviert. Das Küchen-Team serviert drei Mahlzeiten am Tag.
So kann gespendet werden
Um bedarfsgerechte Spenden entgegen zu nehmen, hat die Caritas-SkF-Essen gGmbh eine Internetseite eingerichtet. Dort steht ganz genau, was für die Geflüchteten in den verschiedenen Einrichtungen gerade gebraucht wird oder worüber sie sich freuen würden. Die Spendenmöglichkeiten reichen von Überraschungseiern über Thunfisch in Dosen bishin zu Spielsachen und Schuhen in speziellen Größen: www.cse.ruhr/sachspenden
Die Geflüchteten im Marienhospital sind überwiegend Mütter mit ihren Kindern. Die Altersspanne reicht von einem bis 60 Jahren. Es wird versucht, Familien in einem Raum unterzubringen, in Einzelfällen kann es laut Stadt zu Gemeinschaftsbelegungen der Zimmer kommen.
Das fünfköpfige Team der CSE geht die Sache unaufgeregt an: „Jetzt geht es erstmal um die Aufnahme und im zweiten Schritt um die weitere Organisation“, erklärt Horstmann. Ehrenamtliche hätten sich nicht nur zum Dolmetschen bereiterklärt, sondern auch, um Fahrdienste zu übernehmen. Einiges könne auch per E-Mail geklärt werden, die Geflüchteten müssten gar nicht immer selbst zu den einzelnen Ämtern.
CSE Sozialarbeiter stehen als Ansprechpartner im Marienhospital bereit, wollen in den kommenden Wochen auch Kinderbetreuung und Gruppenaktionen anbieten. Sie helfen auch, wenn die Kinder die Frage nach dem „Warum“ stellen. „Warum musste Papa zu Hause bleiben,warum können wir nicht zurück?“