Essen-Steele. Seit fast 30 Jahren gibt es in der kirchlichen „Kleiderstube“ in Essen-Steele Kleidung aus zweiter Hand zu kaufen. Wie es dazu kam.
Wer möchte, kann sich im Untergeschoss des Gemeindezentrums der Friedenskirche in Essen komplett einkleiden. „Wir haben alles. Von Socken über Jeans bis zum Mantel“, sagt Erika Schulte zur Begrüßung. Die 70-Jährige gehört zum festen Team der Steeler „Kleiderstube“, wie Gabriele Carstensen (69), die nach wie vor amtierende Leiterin des Frauentreffs an der evangelischen Friedenskirche.
Beide haben vor knapp drei Jahrzehnten den Verkauf von gut erhaltener Gebrauchtkleidung in der Königssteeler Gemeinde mit angekurbelt. „Wir wollten all die Schätze anbieten, die jeder im Kleiderschrank hütet und aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr braucht. Zunächst dachten wir an einen Flohmarkt oder eine Tauschbörse für Freundinnen“, erzählt Schulte. Schnell sei die Idee zu einem Laden entstanden, der bis heute weit über Steele hinaus beliebt ist.
„Kleiderstube“ in Essen-Steele besteht seit 1993
Rund 15 Frauen zwischen 65 und 80 Jahren halten die „Kleiderstube“ seit der Gründung 1993 am Laufen. Sie nehmen textile Spenden entgegen, sortieren sie für Kleiderständer und Regale und helfen regelmäßig beim Verkauf. Die Auswahl auf rund 140 Quadratmetern ist riesig. Gabriele Carstensen stellt ein paar Schnäppchen fürs Foto zusammen: Schlupfbluse, Stiefeletten, Rock und Handtasche im Biker-Stil. Sogar ein Sommerhut findet sich, dazu ein leichtes Top für 1,50 Euro.
An den Drehständern hängen unzählige Übergangsjacken für Damen und Herren getrennt. Nur Kinderkleidung hat der kirchliche Secondhand-Laden nicht im Sortiment. „Doch hin und wieder verirrt sich das ein oder andere Teil“, so Carstensen. Diese Kindersachen gibt das Team gern an Bedürftige ab. Denn anderen zu helfen, gehört zu den Gründungszielen des Kleider-Projekts. So gehen überzählige Decken ans Tierheim an der Grillostraße, auch Kissen und Handtücher, die sich nicht mehr für den Verkauf eignen. Und auch die Diakonie sowie der Verein „Fairsorger“, der sich um wohnungslose Mitbürger kümmert, erhalten bei Bedarf gesammelte Textilien.
2015 versorgte der Secondhand-Shop in Essen-Steele syrische Geflüchtete
Nachhaltigkeit und Klimaschutz waren Mitte der 1990er Jahre kaum ein Thema. „Anders als heute, wo viele beim Einkauf auf Umweltaspekte achten“, so Schulte. Im Lauf der Jahre gab es immer wieder Phasen, in denen die textilen Spenden von Privatleuten aus der Gemeinde und dem Stadtteil stärker nachgefragt wurden, etwa 2015, als man syrische Geflüchtete versorgte.
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Einnahmen fließen in die Gemeindearbeit
Die „Kleiderstube“ an der Kaiser-Wilhelm-Straße 39 öffnet jeden ersten und dritten Samstag im Monat von jeweils 10 bis 12 Uhr sowie an jedem 1. Montag von 16 bis 18 Uhr.Die evangelische Kirchengemeinde Königssteele unterstützt in einem Hilfsprojekt seit über 20 Jahren Menschen in Rumänien und anderen osteuropäischen Ländern sowie Geflüchtete. Die Einnahmen gingen 20 Jahre an soziale Projekte.Seit 2014 fließen sie in die Stiftung Friedenskirche, die sie in die Gemeindearbeit investiert. Gefördert werden Familienfreizeiten, Kinder-, Jugend- und Seniorenarbeit.
Mittlerweile bekommt die „Kleiderstube“ Ware aus ganz Essen und aus Nachbarstädten. „Dass die Sachen noch Verwendung finden und nicht im Reißwolf landen, motiviert die Leute“, weiß Gabriele Carstensen. Nach Farben sortiert hängen die Kleidungsstücke ordentlich an den vielen Ständern und Stangen. „Die Größenschilder fehlen oft. Die meisten Sachen muss man einfach anprobieren“, erklärt Schulte. Richtige Umkleiden fehlen im Laden, aber es gibt eine geschützte Ecke zum Überziehen. Bett- und Tischwäsche, Daunendecken, Gardinen, Handtücher, Koffer, Taschen und ein wenig Geschirr liegen auch bereit.
Ehrenamtliche wünschen sich jüngeren Nachwuchs
Das Wichtigste: Jeder kann hier einkaufen, man muss keine Berechtigung nachweisen. Wie in einem privaten Secondhand-Shop. Nur in den selteneren Öffnungszeiten unterscheidet sich das Projekt von anderen Läden. Eines ist den Damen besonders wichtig: „Wir heißen Kleiderstube, nicht etwa Kleiderkammer.“ Der Name solle den wertschätzenden Umgang mit den Textilien unterstreichen. Sauber und aufgeräumt werde die Kleidung präsentiert, Kunden würden freundlich bedient und beraten. „Und die Arbeit macht allen hier Spaß“, betont Gabriele Carstensen. Dennoch: Über jüngeren Nachwuchs nach all den Jahren würde sich der ehrenamtliche Kreis freuen.