Essen-Steele. Bunt und 20 Quadratmeter groß: Wie die Essenerin Maria Wuch auf besondere Weise die Geschichte des alten Amtshauses von Königssteele erzählt.

Im alten Amtshaus von Königssteele lebt Maria Wuch seit ihrer Kindheit. Ihr Vater, Dr. Eduard Kitschenberg, hatte das Gebäude 1948 als Kriegsruine gekauft und von Grund auf wieder aufgebaut. Wie ein schlichtes Vorstadthaus wirkt der frühere Verwaltungssitz heute. Doch hinter den schwarzen Fassadenplatten an der Bochumer Landstraße 175 a steckt viel Königssteeler Ortshistorie. Die erweckt die Essener Malerin auf besondere Weise zu neuem Leben.

Die Atelierräume im Erdgeschoss waren von 1885 bis 1926 Amtsstuben. Hier erledigten Einwohner des von Steele unabhängigen Ortsteils amtliche Angelegenheiten: Sie meldeten Geburten oder Todesfälle, bestellten das Aufgebot für die Hochzeit oder zeigten ihren Umzug an. Gleich nebenan war eine Polizeistation mit einer Zelle für Kriminelle. An all das erinnert seit kurzem das rund 20 Quadratmeter große Gemälde im Innenhof, das Maria Wuch schon so lange gestalten wollte.

Collage vereinigt persönliche mit lokalen Erlebnissen

Diese historische Fotografie zeugt von imposanten Präsenz des Gebäudes. Im Zweiten Weltkrieg wurde es schwer beschädigt.
Diese historische Fotografie zeugt von imposanten Präsenz des Gebäudes. Im Zweiten Weltkrieg wurde es schwer beschädigt. © Unbekannt | Archiv

„Pläne dafür hatte ich bereits 2014“, erzählt sie. Immer sei etwas dazwischen gekommen, zuletzt hinderte der Verkauf des Nachbarhauses die Künstlerin an der Umsetzung. In der Pandemie verspürte Wuch den Wunsch, ihr Projekt endlich umzusetzen. Vor allem wollte die 1955 in Steele geborene Malerin den eher grauen Corona-Alltag mit etwas Buntem aufhellen. Herausgekommen ist eine Collage, die persönliche mit lokalen Erlebnissen ebenso knallig wie lebendig vereint.

Bis zu seiner Schließung hatte das alte Amtshaus drei Behördenleiter. Maria Wuch zeigt historische Fotos der Amtmänner Wilhelm Klaus (1885-1905), Hermann Freiherr Bock von Wülfingen (1903-1917) und Dr. Adolf Maria Hechelmann (1919-1926).
Bis zu seiner Schließung hatte das alte Amtshaus drei Behördenleiter. Maria Wuch zeigt historische Fotos der Amtmänner Wilhelm Klaus (1885-1905), Hermann Freiherr Bock von Wülfingen (1903-1917) und Dr. Adolf Maria Hechelmann (1919-1926). © Unbekannt | Archiv

Rund einen Monat insgesamt habe sie draußen daran gearbeitet, mit viel Farbe, Riesen-Pinseln und Sprühdosen. So entstand Maria Wuchs bisher größtes Freiluft-Werk: eine Mischung aus Graffiti und Malerei, zusammengesetzt wie ein Puzzle aus einzelnen Motiven. Jedes davon erzählt Orts- oder Familiengeschichte.

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1926 wurde Königssteele zu Essen eingemeindet

Der Königssteeler Kindheit mit dem jüngeren Bruder ist der weihnachtliche Hase links außen gewidmet: eilig aus dem bunten Stanniolpapier gewickelt, um gleich aus der Hand gegessen zu werden. Schokofiguren mit kleinen Macken – Hasen oder Nikoläuse – hatte einst der Edeka-Kaufmann den Geschwistern spendiert. „Gleich um die Ecke war sein Laden“, weiß Maria Wuch noch gut. Die Zahlen „1885 -1926“ auf der Mauer sind der Zeitrahmen für rund 40 Jahre Lokalhistorie. Sie beginnt mit dem wiehernden Amtsschimmel. „Das Pferd war das Lieblingstier meiner Eltern“, erklärt die Künstlerin.

Die Atelierräume im Erdgeschoss waren von 1885 bis 1926 Amtsstuben.
Die Atelierräume im Erdgeschoss waren von 1885 bis 1926 Amtsstuben. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Daneben hockt ein Schreiberlein in Ärmelschonern an einem Holzpult. Ein Register, Paragrafenzeichen sowie ein Stempelständer beschreiben die Behördengeschichte. 1926 wurde das Amtshaus überflüssig, als man Königssteele eingemeindete. Arnd Hepprich, Leiter des Steeler Archivs, kennt die Hintergründe: „Der Ortsname geht auf die erste evangelische Gemeinde zurück, die 1697 gegründet wurde.“ Genau an der Grenze zu Steele, am Steeler Berg. Die Grafschaft Mark war 1666 an das von Königen regierte Preußen gefallen. So bedeute die Ortsbenennung Königssteele „dem König sein Steele“.

Konterfei Kaiser Wilhelms II. darf nicht fehlen

Bis zu seiner Schließung hatte das alte Amtshaus drei Behördenleiter. Maria Wuch zeigt historische Fotos der Amtmänner Wilhelm Klaus (1885-1905), Hermann Freiherr Bock von Wülfingen (1903-1917) und Dr. Adolf Maria Hechelmann (1919-1926). „Das Amtshaus war der Verwaltungssitz für die märkischen, also zu Westfalen gehörenden Gemeinden Königssteele, Freisenbruch, Horst und Eiberg. Die Grenze zum rheinische Steele verlief mitten durch den heutigen Stadtteil.“

Atelier öffnet zur Kunstspur 2021

Zum zweiten Termin der diesjährigen Kunstspur, am 25. und 26. September, sind interessierte Besucher auch an der Bochumer Landstraße 175 a im Atelier von Maria Wuch willkommen. Wer vorher etwas Historie gucken will, darf auch vorbeischauen.Maria Wuch ist seit rund 25 Jahren als freischaffende Künstlerin tätig. Ihre Bereiche sind abstrakte Malerei, Objekte, Fotografik, Collage und Zeichnung.Wer mehr über die Essener Künstlerin erfahren möchte: Die Homepage www.maria.wuch.de gibt Auskunft unter anderem über ihre Vita, die künstlerischen Arbeiten sowie die Kursangebote der Kunstpädagogin.

Zurück zu Maria Wuch und ihrer Geschichte im Haus am „Amtmannsberg“, wie die Bochumer Landstraße früher im Volksmund auch hieß: An die Eltern – Vater Tierarzt, Mutter Klara Kitschenberg, später Tierheilpraktikerin – erinnern der blau-graue Kater namens Sokrates auf dem OP-Tisch, aber auch der Hund auf dem Fußboden. Lupenlampe, Spritze sind kleine Details. Groß im Bild ist Flottenkaiser Wilhelm, dem die Malerin auch einige Papierschiffchen widmete. „Da das Amtshaus zu Zeiten Kaiser Wilhelms II. existierte, durfte auch sein Konterfei in der Aufzählung nicht fehlen“, sagt sie. Damit setzt sie dem letzten deutscher Kaiser bildlich wieder ein Denkmal. Früher hat ein echtes gleich neben dem Amtshaus gestanden.

Mit diversen Farbbällen auf dem Wandgemälde schlägt Wuch den Bogen zur Gegenwart. Seit 2014 hat sie im alten Amtshaus eines ihrer zwei Ateliers. Ihr Wandgemälde sei noch nicht fertig, erklärt die 66-Jährige. „Ergänzungen können durchaus folgen.“ Wie die Geschichte weitergeht, bleibt also spannend.