Essen. Das Sirenennetz in Essen soll 2022 fertiggestellt werden. Der dritte und letzte Bauabschnitt fällt in die Zeit des Ukraine-Kriegs. Ein Zufall?
Das Sirenennetz in Essen wird ausgebaut, der dritte und letzte Bauabschnitt soll bis Ende des Jahres abgeschlossen sein. Dann sollen insgesamt 86 Sirenen dafür sorgen, dass die Bevölkerung bei Katastrophenfällen, Fabrikunfällen oder Großbränden in „erhöhte Aufmerksamkeit“ versetzt werden. Den dritten Bauabschnitt hat der Ordnungsausschuss jüngst empfohlen, an den noch 37 fehlenden Standorten im Stadtgebiet sollen Sirenen aufgestellt werden.
Steht dieses Vorhaben im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine? Essens Ordnungsdezernent Christian Kromberg: „Zeitlich ist das ein Zufall.“ Bereits vor Jahren hatte der Rat die Stadtverwaltung damit beauftragt, für ein neues flächendeckendes akustisches System für den Zivilschutz der Bevölkerung zu sorgen.
Sirenensystem in Essen wurde zunächst im Norden ausgebaut
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In einem ersten Schritt wurden 30 Sirenen zunächst vor allem im Norden der Stadt aufgestellt, wo die Bevölkerungsdichte groß ist und sich Industrieanlagen befinden – auch die Nähe zum Rhein-Herne-Kanal spielte eine Rolle, da über diesen, auch Gefahrgüter transportiert werden. Im zweiten Bauabschnitt kamen dann 19 weitere hinzu, von denen 17 bereits fertiggestellt sind. Auch im Essener Süden wurden dabei Anlagen aufgestellt. Nun sollen 37 weitere Standorte im Stadtgebiet folgen, sodass auch wirklich jeder Winkel der Stadt versorgt ist.
Dem Ordnungsdezernenten Kromberg ist indes nicht entgangen, dass mit dem Ukraine-Krieg die Bürger „sehr sensibel“ für das Thema Krisenkommunikation geworden sind. Darin sieht er nun sogar eine langfristige Chance. Denn laut Kromberg herrscht in der Gesellschaft Nachholbedarf, was das Thema Katastrophenschutz anbelangt. Was er damit meint?
Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine am 24. Februar ist sicherheitspolitisch in Europa nichts mehr so, wie es jahrzehntelang war. „Seit 1945 leben wir in Frieden“, sagt Kromberg. Das gehe einher mit einer „ganz anderen Sensibilität“ in Sicherheitsfragen. Er verweist da beispielsweise auf die Situation in Südkorea, wo Kinder bereits in den Schulen mit Fragen des Katastrophenschutzes konfrontiert und unterrichtet werden. Das sei hier nicht der Fall – wenn man einzelne Basics wie Erste-Hilfe-Kurse einmal außen vor hält.
Essens Ordnungsdezernent wünscht sich „Grundkenntnisse des Katastrophenschutzes“ in den Schulen
Kromberg wünscht sich für die Zukunft, dass dieses Basiswissen deutlich ausgebaut wird, sodass es „Unterrichtsmodule“ gibt, die „Grundkenntnisse des Katastrophenschutzes“ vermitteln – das Thema müsse eine „Selbstverständlichkeit“ werden. Jeder müsse auf folgende Frage sofort Antworten wissen: Wie verhalte ich mich konkret, wenn eine Katastrophe geschieht?
Panik schüren will Christian Kromberg aber auf keinen Fall: „Ich möchte nicht, dass die Menschen mit Angst schlafen gehen und aufwachen. Die Leichtigkeit des Lebens darf nicht verloren gehen.“ Aber in Zeiten einer neuen Sicherheitslage in Europa sagt er: „Es geht darum, eine Risikokompetenz zu erlernen. So ist die Welt jetzt nun einmal.“ Das Ganze sei ein Lernprozess.
Zurück aber zu den Sirenen, von denen künftig im ganzen Stadtgebiet 86 stehen sollen. Was ist zu tun, wenn diese schrillen? Laut Kromberg sind diese nur Teil der Krisenkommunikation, stehen quasi am Anfang einer Informationskette. Sobald sie laut warnen, sollte etwa das Radio eingeschaltet werden oder die Kommunikationskanäle der Stadt im Internet aufgerufen werden. Die Menschen sollen wachsam sein und sofort wissen, wie sie an relevante Informationen kommen. Die Aufgabe der Verwaltung sieht der Ordnungsdezernent in Zukunft darin, „deutlich stärker zu sensibilisieren“.
>>> INFO: Sirenen in Essen
- Die Kosten für den dritten Bauabschnitt der Sirenen (37) belaufen sich auf 894.382 Euro – hinzukommen jährliche Wartungskosten in Höhe von 20.350 Euro.
- Die Stadt Essen kann für den dritten Bauabschnitt Fördergelder in Höhe von 433.950 Euro erhalten, wenn die Sirenen noch im Jahr 2022 aufgebaut werden. Ordnungsdezernent Christian Kromberg ist zuversichtlich, dass das funktioniert: „Wir haben Verträge geschlossen.“
- Der Stadtrat befasst sich mit dem dritten Bauabschnitt voraussichtlich in seiner Sitzung am 30. März.
- Übrigens: Eigentlich hätten am vergangenen Donnerstag (10. 3.) in ganz NRW Sirenen im Zuge eines landesweiten Warntags zu Testzwecken heulen sollen. Angesichts des Krieges in der Ukraine wurde dies per Erlass aber abgesagt.