Essen. Corona hat Verdis Oper „Don Carlo“ am Essener Aalto-Theater zwei Jahre lang gestoppt. Nun bekommt das Drama um Liebe und Krieg neue Dringlichkeit

Totgesagte, so behauptet der Volksmund, leben länger. Und in der Oper, wo es immer wieder zu wundersamen Wiederauferstehungen kommt, herrscht ohnehin ein anderes Zeitmaß. Dass zwischen der Generalprobe und der Premiere allerdings zwei Jahre Wartezeit liegen, das hat man auch im Aalto-Theater noch nicht erlebt. Am kommenden Samstag, 12. März, aber hat das Warten nun ein Ende. Verdis „Don Carlo“ in der Inszenierung von Robert Carsen kommt auf die Bühne.

Die Generalprobe hat am Aalto 2020 noch stattgefunden. Dann kam Mitte März der Lockdown und seitdem haben sich die schwarzen Särge im Kulissenlager der Theater und Philharmonie Essen erst einmal gestapelt. Bei der Einführungsmatinee am vergangenen Sonntag wurden auch die Totenschädel – barocke Vanitas-Symbole einer ansonsten eher auf szenische Reduktion setzenden Produktion – erstmals wieder auf die Bühne gerückt.

Die französische Prinzessin und der spanische Infant haben sich heimlich ineinander verliebt

All das dürfte in diesen Tagen noch einmal stärker wirken. Denn dass die auf dem Schiller-Drama „Don Carlos“ basierende Verdi-Oper nicht nur von der aussichtslosen Liebe zwischen Don Carlo, dem Infanten von Spanien und seiner Stiefmutter Elisabetta erzählt, sondern ja auch vom Kampf um Freiheit und Menschenrechte in einem durch Religionskriege zerrissenen Europa und von der gnadenlosen Mechanik eines unerbittlichen Machtapparats – all das wird man in diesen neuen, kriegerischen Zeiten noch einmal anders wahrnehmen

Hier gibt’s die Tickets

„Don Carlo“ hat am Samstag, 12. März, um 19 Uhr, im Aalto-Theater Premiere.

Weitere Vorstellungen 19., 25., 30. März; 10., 22., 30. April; 21. Mai; 9., 19. Juni 2022

Tickets an der Aalto-Kasse, im Ticket-Center der TUP, II. Hagen 2, unter Tel. 0201-8122-200 und online: www.theater-essen.de

Im Mittelpunkt aber steht die Dreiecksgeschichte zwischen dem spanischen König Philipp II., der Elisabetta von Valois zur Frau erwählt, derweil auch sein Sohn heimlich von einer Beziehung zu der französischen Prinzessin träumt. Der Vater-Sohn-Konflikt eskaliert, Don Carlo wird in den Kerker geworfen auf auf den Scheiterhaufen der Inquisition landen nicht nur die Ketzer. „Don Carlo“ ist ein komplexes Dramma lirico und und ein Fest für große Stimmen.

Die Essener Produktion bringt denn auch eine illustre Gästeschar ans Haus. Neben Ante Jerkunica als spanischer König und dem schon als Essener „Otello“ gefeierten Gaston Rivero als Don Carlo ist Jordan Shanahan als Marquis von Posa zu erleben. Gabrielle Mouhlen kehrt für die Partie der Elisabetta ans Haus zurück. Die Rolle der strippenziehenden Prinzessin Eboli übernimmt Nora Sourouzian.

Am Essener Aalto-Theater wird die Mailänder Fassung gezeigt

Gezeigt wird in Essen die erstmals 1884 am Teatro alla Scala präsentierte Mailänder Fassung, die sich in besonderer Weise auf das Seelenleben der Figuren konzentriert. Der gefragte kanadische Regisseur Robert Carsen hat die Inszenierung 2016 an der L’Opéra national du Rhin in Straßbourg herausgebracht. Um die Essener Einstudierung hat sich in den vergangenen Wochen Jean-Michel Criqui gekümmert. Am Pult der Essener Philharmoniker steht Andrea Sanguineti. Der Italiener hat am Aalto bereits Produktionen wie „Carmen“, „La Bohème“ und „Der Nussknacker“ dirigiert. Nun widmet er sich Verdis Meisterschaft, „Gefühle direkt in Musik zu transportieren“.

In Essen hat diese Musik schon einige Emotionen hervorgerufen. Mancher wird sich womöglich noch an Dietrich Hilfsdorfs radikale „Don Carlo“-Deutung erinnern – einer der ersten und bis heute unvergessenen Aufreger am Essener Opernhaus.