Essen. Die Leidenschaft darf im Aalto-Theater wieder lodern: „Der Bajazzo“ soll zeigen, wie man Eifersucht und Hingabe in Pandemie-Zeiten transportiert.
Wer den italienischen Verismo auf die Bühne bringt, der denkt nicht unbedingt an Theater auf Distanz. „Das Genre ist eigentlich sehr körperintensiv, es wird geliebt und gemordet“, sagt Regisseur Roland Schwab. Deshalb hat ihn der Vorschlag des Aalto-Theaters zunächst erstaunt, den „Bajazzo“ in Zeiten der Pandemie auf den Spielplan zu heben. Wie der Trip in die Eifersuchtshölle trotz Corona-Beschränkungen funktioniert, kann das Publikum am 3. Juni nun endlich live erleben.
Einen „Bajazzo gegen alle Erwartungen“ kündigt Schwab an, der schon mit dem „Otello“ für Furore gesorgt hat. Und in gewisser Hinsicht habe Corona dem Stück sogar genützt, „das sonst immer zwangsverheiratet wird mit der „Cavalleria rusticana““, sagt Schwab. Für gewöhnlich im Doppel gespielt, habe der Bajazzo nach der düsteren Cavalleria meist die Aufgabe, aufzuheitern, mit bunten Luftballons, allerlei Jahrmarkts-Tand und der wohl berühmtesten Tenor-Arie aller Zeiten: „Lache, Bajazzo!“ „Aber das tut dem Stück nicht gut“, erklärt Schwab, „da funktioniert kein Mord, kein Wahnsinn.“ Was er dem Publikum in einer guten Stunde entfachen möchte, das ist ein Inferno der Leidenschaft, „kein possierliches Theater“.
„Es muss wieder gespielt werden. Theater lässt sich nicht einsperren!“
Dieser Doppelmord auf einer Wanderbühne, den Komponist Ruggero Leoncavallos angeblich selbst erlebt hat, sei schließlich eine traumatische Erfahrung gewesen. Und Vorlage für sein Opernwerk, das Schwab in einer Art Arena präsentiert. „Nur für Verrückte, Eintritt kostet den Verstand“ steht drüber. Und so kommt es auch bald, wenn Spiel und Realität verschwimmen und aus dem eifersüchtigen Ehemann Canio auf der Bühne ein rasender Bajazzo wird. Am Ende sind zwei Menschen tot. Und das Publikum ist hoffentlich endlich wieder durchgeschüttelt von so viel Tiefe und Emotion – und von der Kraft des Theaters.
Nach monatelanger Zwangspause sei der Bajazzo nämlich auch ein „perfektes Stück, um zu zeigen: Es muss gespielt werden, Theater lässt sich nicht einsperren, diese Message werde ich auch im Stück unterbringen“, erklärt Schwab. Da kann man es dann in blutigen Lettern lesen: „Theater muss sein.“
„Wir wollen wieder berauscht werde“, zeigt sich der Opernexperte überzeugt. Streams seien für ihn in Zeiten der Pandemie nur bedingt Ersatz gewesen. Es fehle „diese Extraportion Adrenalin“, die nur im Live-Kontakt mit dem Publikum entstehe.
Videoeinspielung in Stummfilmmanier
Auch das Lodern der Leidenschaft wird der Zuschauer trotz Corona-Beschränkungen erleben. Dafür wird mit Videosequenzen gearbeitet, die die Sänger mal durch das Aalto-Theater hetzen, mal die Liebenden in Stummfilmmanier an bessere Zeiten erinnern. Und statt Luftballons gibt es dann zumindest Luftküsse.
Der Bajazzo: Premiere 3. Juni, 18 Uhr. Weitere Termine: 6., 13., 18., 20. Juni. Tickets und Infos: www.theater-essen.de