Essen. Auf unfassbare 34 Millionen Euro haben sich die Sanierungskosten für das Grugabad erhöht. Auch weil die Politik das Thema zu lange vertagt hat.

Wie sieht das Grugabad der Zukunft aus? Diese Frage hat die Stadt ihren Bürgern gestellt, und diese im sogenannten Beteiligungsprozess im Jahr 2017 mit tollen Architekten hemmungslos fantasieren lassen, mit welcher Looping-Rutsche, welchem spektakulären Entrée oder praktischem Schiebedach aus dem sanierungsbedürftigen Freibad eine Attraktion wird, für die Badegäste aus der ganzen Republik anreisen.

Ja, das ist sehr zugespitzt. Richtig ist, dass viele Bürger den Prozess für ein Bekenntnis zum Bad genutzt haben. Und dass sie – Stichwort Grugabad-Freunde – dieses Bekenntnis mit großem Einsatz für ihr Bad unterlegen.

In der Stadtspitze fehlt die Leidenschaft für das Grugabad

Leider vermisst man in der Stadtspitze einen Verantwortlichen, der sich mit ähnlicher Leidenschaft für das Bad engagiert; der bereit ist, die den Bürgern gestellte Frage endlich zu beantworten: „Wie sieht das Grugabad der Zukunft aus?“

Diese Frage stellt sich ja nicht erst seit gestern. Jahrzehntelang wurde das Bad auf Verschleiß gefahren, und viele Jahre war nun auch schon bekannt, dass ein zweistelliger Millionenbetrag für die Sanierung fällig wird. Genauer wollte es offenbar niemand wissen. Auch den Denkmalschutz hat man lieber vertagt, um sich bei der Gestaltung des Bades nicht zu sehr zu binden.

Wer will in einer Stadt ohne Kultur-, Freizeit- und Sportangebote leben?

Jetzt hat sich die Politik des Vertagens als wenig zielführend erwiesen: Aus zuletzt 15 Millionen Euro sind unfassbare 34 Millionen geworden – ganz ohne Schiebedach und Looping. Dafür kann man drei Hallenbäder bauen. Da ist es fast konsequent, die Schließung des Grugabades zu fordern, wie es die Beratungsfirma Rödl & Partner schon 2015 getan hat. Es ist zu teuer, keine kommunale Pflichtaufgabe und nicht kostendeckend zu betreiben.

Bloß gilt vieles davon auch für die Angebote von Theater und Philharmonie (TuP), die ganzjährig knapp so viele Besucher erreichen wie die fünf Freibäder im Sommer. Mit dem Unterschied, dass die TuP deutlich höhere Zuschüsse erhält. Trotzdem fordert niemand, das Grillo-Theater zu schließen. Mag sein, dass eine Stadt ganz ohne Kultur-, Freizeit- und Sportangebote prima haushalten kann – doch wer will in einer solchen Stadt leben?

Freibäder sind ein Angebot an alle Bevölkerungsschichten

Freibäder sind ein Angebot an alle Bevölkerungsschichten, hätten aber leider keine annähernd so gute Lobby wie Theater, beklagt die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft (DLRG). Allein 2017 machten bundesweit 62 Freibäder zu.

Die DLRG erkennt an, dass die teuren Sanierungen der Bäder viele Städte überfordern. Sie verlangt daher ein Umdenken bei den Bundesländern, nicht nur Hallenbäder, sondern auch Freibäder mitzufinanzieren. In Bayern und Hessen wird das geprüft, bzw. bereits umgesetzt. In NRW ist eine solche Förderung zumindest nicht ausgeschlossen.

Das Grugabad ist ein architektonisches Juwel und eins der beliebtesten Freibäder bundesweit

Für das Grugabad, eines der raren architektonischen Juwele in Essen, gibt es vielleicht auch Mittel aus dem Denkmalschutz. Die Stadt sollte sich um solche Fördertöpfe kümmern. Sollte auch prüfen, wo Kosten zu drücken sind: 34 Millionen Euro liegen schließlich nirgendwo ‘rum. Auch höhere Eintrittspreise sollten kein Tabu sein: Erstens bewegt sich Essen hier am unteren Rand, zweitens sorgt der Ferienpass im Sommer für extrem günstige Preise und damit für einen sozialen Ausgleich.

Das Grugabad zu schließen, ist keine Option. Ja, es zieht nicht mehr jene fabulösen 350.000 Besucher wie in seiner Anfangszeit, aber im vergangenen Jahr waren es fast 200.000. Das Grugabad ist eines der populärsten Bäder in Deutschland, hat doppelt so viele Gäste wie die Freibäder im Bundesschnitt. Diese Badegäste kann man nicht auf die anderen Essener Freibäder verteilen – oder nur zu dem Preis, dass es dort sehr ungemütlich wird.