Essen. Der Unmut im Bistum über Roms Segensverweigerung für homosexuelle Paare ist groß. Aus Protest hat St. Joseph die Regenbogenfahne gehisst.

Normalerweise weht hoch oben am Kirchturm von St. Joseph in Horst-Eiberg die gelb-weiße Kirchenfahne. Wahlweise das Fahnentuch des Bistums. Seit wenigen Tagen flattert dort die Regenbogenfahne – gemeint als ein Zeichen des Protestes und der Solidarität mit homosexuellen Paaren, denen der Vatikan die Segnung verweigert.

Noch ehe droben die große Fahne aufgehängt wurde, haben sie unten am Fahnenmast bereits eine kleine Regenbogenfahne gehisst. „In einer Videokonferenz über Whatsapp waren wir uns im Gemeinderat einig: Wir müssen was tun“, berichtet Rainer Führer, Vorsitzender des Gemeinderates. Nicht nur die 16 Mitglieder des Kirchengremiums seien fest entschlossen gewesen, Flagge zu zeigen. Auch der Seelsorger der Gemeinde, Diakon Ewald Hillmann, habe voll hinter dem Plan gestanden.

Regenbogenfahne steht für Frieden und Toleranz, sie ist auch Symbol der Schwulen- und Lesbenbewegung

Die Regenbogenfahne steht für Toleranz und Sehnsucht, für die Friedensbewegung, sie ist aber auch Symbol der Schwulen- und Lesbenbewegung. Das bunte Fahnentuch, zwei mal drei Meter groß, war schnell aufgetrieben. Es hängt normalerweise in einem Jugendhaus unter der Decke.

Neugotischer Kirchenbau aus Ruhrsandstein

Die dreischiffige, neugotische Pfarrkirche St. Joseph in Horst-Eiberg ist am 7. Juni 1887 eingeweiht worden. Bis 1903 kamen Sakristei, Turm und Kreuzschiff hinzu. Architekt ist Hermann Wielers (Bochum).Seit 1989 steht der aus der Ruhrsandstein errichtete Bau unter Denkmalschutz.Die Gemeinden St. Joseph, St. Barbara Kray und St. Antonius Freisenbruch bilden zusammen mit St. Laurentius Steele die Pfarrgemeinde St. Laurentius.

Auf die Facebook-Seite der Josephs-Gemeinde stellten die Katholiken einen Text zur Fahnen-Aktion, den Eva Kruk, das jüngste Gemeinderatsmitglied, verfasst hat. Er beginnt mit dem Satz „Unser Gott diskriminiert nicht, unser Gott liebt jede und jeden!“ und schließt mit den Worten: „Wir möchten uns gegen Diskriminierung einsetzen und gemeinsam laut werden.“

Die Katholiken im Essener Osten sind mit die ersten im Ruhrbistum, die auf diese Weise gegen die ihrer Ansicht nach verknöcherte und unzeitgemäße Haltung Roms zur Sexualmoral demonstrieren. Am Kirchturm einer Bottroper Gemeinde, so heißt es, soll ebenfalls eine Regenbogenfahne flattern, ferner in Oberhausen und angeblich auch in Gelsenkirchen-Buer.

Bischof: „Menschen mit homosexueller Orientierung fühlen sich gekränkt und verletzt“

Der wachsende Unmut in den Kirchen unten ist die eine Seite, die Positionierung der Kirchenoberen die andere der Medaille. In einem Brief an die Pfarreien hat sich Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck am vergangenen Freitag für eine „ernsthafte und zutiefst wertschätzende Neubewertung der Homosexualität“ ausgesprochen – und Rom damit Kontra gegeben.

Nach dem Segnungs-Verbot für gleichgeschlechtliche Paare durch die Glaubenskongregation, so berichtet der Oberhirte, habe er zahlreiche Rückmeldungen aus den Gemeinden erhalten. In den Zuschriften vieler Seelsorgerinnen und Seelsorger sei „eine offene Ablehnung der lehramtlichen Position“ zum Ausdruck gekommen, die nicht mehr ignoriert werden dürfe.

Die kirchliche Lehre verlange „dringend eine erweiterte Sichtweise auf die menschliche Sexualität“, schrieb Overbeck – und fügte hinzu: „Menschen mit einer homosexuellen Orientierung fühlen sich gekränkt und verletzt.“ Der Essener Bischof spricht sich dafür aus, dass „homosexuelle Christen mit unserer Kirche in Verbindung bleiben, weil sie als Getaufte ein Teil von ihr sind“. Segenfeiern für gleichgeschlechtliche Paare bedeuteten auch: „Im Namen der Kirche ist Gott in dieser Beziehung gegenwärtig.“

Zu den wenigen verheirateten Homosexuellen in Essen, die in der katholischen Kirche öffentlich mehr Rechte einfordern, gehört Rainer Teuber, der im Domkapitel Leiter der Museumspädagogik und des Besucherservice Domschatz Essen ist. Viel Lob für sein Engagement, so berichtet er, erhalte der nicht nur von guten Freunden. „Das Echo geht weit darüber hinaus, ich erhalte viele E-Mails von Menschen, die ich gar nicht kenne.“