Essen. Schwule und lesbische Beschäftigte in der katholischen Kirche „outen“ sich im großen Rahmen. Der Essener Rainer Teuber lobt sein Bistum.
„Out in Church“ nennt sich eine neue Initiative, die um die Gleichberechtigung schwuler, lesbischer und transsexueller Menschen in der katholischen Kirche kämpft. Zu den Gesichtern dieser bundesweiten Kampagne zählt der Essener Rainer Teuber, der sich schon vor längerer Zeit als homosexuell geoutet hat und Leiter von Museumspädagogik und Besucherservice der Essener Domschatzkammer ist. „Wir wollen in der Kirche ohne Angst arbeiten und leben“, sagt der 53-Jährige über seine Beweggründe. Ziel der Initiative sei es, queeren Menschen einen „diskriminierungsfreien Zugang zu allen kirchlichen Berufen zu ermöglichen“ – also auch im so genannten Verkündigungsdienst.
„Wie Gott uns schuf“: 125 schwule und lesbische Kirchen-Beschäftigte „outen“ sich in TV-Doku
Im Magazin der Süddeutschen Zeitung haben sich vor fast einem Jahr 185 Schauspielerinnen und Schauspieler als lesbisch, schwul, queer oder transsexuell geoutet. 125 Beschäftigte der katholischen Kirche folgen diesem Massen-Outing und bekennen sich in der ARD-Doku „Wie Gott uns schuf – Coming Out in der katholischen Kirche“ am Montag (24. Januar) zu ihrer sexuellen Orientierung. Sie sind Priester und Seminaristen, Religionslehrerinnen und Kantorinnen, Ärzte und Krankenpfleger, Theologen und Caritasmitarbeiter: Als schwul, lesbisch oder trans müssen sie fürchten, schlimmstenfalls ihre Arbeit zu verlieren. Denn die Doktrin der katholische Kirche duldet unter Berufung auf die Bibel offiziell keine Homosexualität. Sie ist ein absolutes Tabu und das kirchliche Arbeitsrecht erkennt darin einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Loyalitätsprinzip.
Queere Kirchenmitarbeiter berichten in der Dokumentation von ihrem Leid: Viele führen ein Doppelleben und leben in der ständigen Angst, dass ihr Versteckspiel auffliegt und ihre Existenz vernichtet werden könnte. Sie sprechen – zum Teil unter Tränen – über Selbstmordversuche und -absichten, über Demütigung und Kränkung durch die Kirche und beklagen sich bitterlich über mangelnde Rechtssicherheit und drohende Denunziation.
Essener Bistum gilt im bundesweiten Vergleich als „tolerant und aufgeschlossen“
Das Bistum Essen, das jüngste und kleinste in Deutschland, kommt in der ARD-Doku ausgesprochen gut weg, denn es präsentiert sich im Umgang mit homosexuellen Beschäftigen als „tolerant und aufgeschlossen“. Die Diözese veröffentlicht im sozialen Netzwerk demonstrativ ein Video mit Rainer Teuber und in der Kirchenzeitung erscheint ein Porträt des homosexuellen Mitarbeiters, der schon seit 25 Jahren im Kirchendienst steht und Zehntausenden Besuchern die Goldene Madonna und andere Kostbarkeiten des Essener Domschatzes nähergebracht hat.
Ein Schlüsselerlebnis war für Teuber die Debatte um den Missbrauchsskandal, der auch das Bistum Essen seit Jahren erschüttert. Als die Vergehen und Übergriffe pädokrimineller Priester 2018 in einer Diskussionsveranstaltung auf Homosexualität begründet wurden, sei Teuber nach eigenen Worten „die Hutschnur geplatzt“. Derselbe, der lange Zeit nicht habe auffallen wollen, outet sich und plädiert vehement für eine scharfe Trennung von Missbrauch und Homosexualität. Teuber, der in Freisenbruch aufwuchs, am Carl-Humann-Gymnasium das Abitur machte, lebt inzwischen mit seinem Mann in Schönebeck. Zuletzt engagierte er sich in der Aktion „Liebe gewinnt“ für die öffentliche Segnung homosexueller Paare durch Priester in der Kirche.
Mit der Kirche zu brechen, kommt Teuber nicht in den Sinn. „Von Kirchen-Bashing halte ich nichts“, sagt er dieser Zeitung. Sein Wunsch: Die neue Initiative „Out in Church“ soll Gleichgesinnte ermutigen „auf den rollenden Zug aufzuspringen“. In der TV-Dokumentation kommt auch die Essener Religionslehrerin Rut Neuschäfer zu Wort. Ihren Verbleib in der Glaubensgemeinschaft begründet sie so: „Ich möchte die Kirche nicht den radikalen Kräften überlassen.“