Essen. Eine blinde Essenerin vertraut auf ihre Hündin. Da die kein ausgebildeter Blindenhund ist, sind Hundesteuern fällig. Der OB verteidigt die Regel.

Ronja ist ein Border-Collie-Husky-Mischling und eine wichtige Begleiterin von Sylvia Pape. Die ist blind und seit Jahrzehnten auf einen Schutzhund angewiesen. Wo immer sie und ihr Ehemann Marc Pape gelebt haben, seien sie von der Hundesteuer befreit gewesen. Mit dem Umzug nach Essen im Herbst 2019 änderte sich das: Seither ist die Hündin steuerpflichtig, die Stadt moniert, dass Ronja quasi eine ungelernte Vierbeinerin ist.

Essen erhebt Hundesteuer, wenn der Blindenhund nicht ausgebildet ist

Ausgebildete Blindenführhunde zahlen in Essen nämlich keine Steuern. Doch diese Qualifikation fehlt Ronja. Trotzdem schütze sie ihre Halterin, stärke ihr Sicherheitsgefühl, sagen die Papes. Auch für solche Fälle gibt es einen Passus in der Essener Satzung: Steuerbefreit werde ein Hund, der „ausschließlich dem Schutz und der Hilfe einer blinden, tauben oder sonst hilflosen Person dient“. Als amtlich hilflos gilt, wer im Schwerbehindertenausweis entsprechende Kürzel wie B (Begleitung) oder H (hilflos) hat.

[In unserem lokalen Newsletter berichten wir jeden Abend aus Essen. Den Essen-Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen.]

„Das hat meine Frau natürlich – sie ist ja blind!“, sagt Marc Pape. In 36 Ehejahren und an verschiedenen Wohnorten sei ihre Hilflosigkeit nie bezweifelt worden. Tatsächlich hegt auch die Stadt Essen keinen Zweifel daran. Bloß reiche es für die Steuerbefreiung „nicht aus, wenn der Hundehalter in seiner Person die auf den Menschen bezogenen Voraussetzungen erfüllt“. Auch der Hund müsse „für den angegebenen Verwendungszweck hinlänglich geeignet sein“, heißt es in einem Schreiben vom März 2021, mit dem die Stadt den Widerspruch der Papes gegen die Steuer zurückweist. Nicht mal eine Ermäßigung wird gewährt, obwohl Sylvia Pape Blindenhilfe – also eine Sozialleistung – erhält.

In anderen Städten war Hündin Ronja steuerbefreit

„Die Hündin Ronja ist ein Blindenbegleithund und dient dem Schutz von Frau Pape“, hat die Tierärztin bescheinigt. Das genügt der Stadt nicht: Ronja benötige „antrainierte Fähigkeiten“, um ihrer Halterin einen „spezifischen Ausgleich zu vermitteln“. Es reiche nicht, dass ein Hund einige Hilfestellungen beherrsche, und sich „die persönliche Beziehung förderlich für den schwerbehinderten Halter auswirkt“. Die Fähigkeiten des Hundes müssten auch „für dritte, nicht an der Hundehaltung beteiligte Personen objektiv nachvollziehbar“ sein.

Hundesteuersatzung: Welcher Hund von der Steuer befreit wird

Ausgebildete Blindenführhunde sind in Essen laut Hundesteuersatzung von der Steuer befreit.Befreit werden solle auch „ein Hund, der ausschließlich dem Schutz und der Hilfe einer blinden, tauben oder sonst hilflosen Person dient“. Darunter fallen Inhaber eines Schwerbehindertenausweises mit den Merkzeichen B (Begleitperson), aG (außergewöhnliche Gehbehinderung) oder H (hilflos). Außerdem müsse der Hund für den angegebenen Zweck „hinlänglich geeignet“ sein. Für einen Hund werden in Essen jährlich 156 Euro Steuern fällig, für zwei Hunde sind es 216 Euro je Hund, für drei Hunde 252 Euro je Hund. Für einen gefährlichen Hund fallen stolze 852 Euro an.

Die Stadt Mönchengladbach, in der die Papes zuletzt lebten, orientierte sich offenbar eher am Handicap des Halters: Hier wurde dem Ehepaar noch 2019 – vor den Wechsel nach Essen – die Hundesteuer erlassen. Die Hundesteuer werde eben von der jeweiligen Gemeinde erhoben und gestaltet, legt Oberbürgermeister Thomas Kufen in einem Brief vom April 2021 dar. Ermäßigungen und Befreiungen seien „das Ergebnis eines demokratischen Prozesses“. Dabei müsse die Deckung des städtischen Haushaltes ebenso berücksichtigt werden wie die Lebenssituation der Bürger. Soziale Aspekte spielten eine Rolle, doch am Ende müsse man den Kreis berechtigter Personen eingrenzen.

Es gehe nicht um einen Ausgleich für die Behinderung, sagt der OB

Was nun die Lebenssituation von Sylvia Pape angeht, erklärt der OB, dass die Absicht des Rates nicht sei, „die Hundesteuer als Ausgleich oder Entschädigung für die Behinderung und die damit verbundenen Schwierigkeiten im Leben zu erlassen“. Das mag ein wenig engherzig klingen, zumal der Rat im Dezember 2021 beschloss, drei Jahre lang keine Steuer für Hunde zu erheben, die aus dem Tierheim stammen.

Auf Antrag von Grünen und der CDU, der Kufen angehört, wird zudem geprüft, ob nicht Rettungs- und Suchhunde die bisher die halbe Steuer zahlen, ganz befreit werden. Und ob man Jagdgebrauchshunden, „die nicht Berufsjägern zuzuordnen sind“ die Steuer erlassen solle. Beschlossen ist noch nichts, aber Hobbyjäger scheinen eine größere Lobby zu haben als Blinde.

Arbeitsgemeinschaft fordert, Behinderten keine Hindernisse in den Weg zu legen

Wie viele blinde Menschen in Essen leben, kann die Stadt nicht exakt sagen. Erfasst sind nur jene 998, die einen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkmal BL (blind) haben; doch den beantragt nicht jeder Blinde. Von den aktuell 26.773 in Essen registrierten Hunden sind übrigens nur 44 von der Steuer befreit; acht von ihnen als ausgebildete Blindenführhunde. Da Ronja kein solcher sei, „ist zu prüfen, inwieweit Ihr Hund ausschließlich dem Schutz und der Hilfe einer blinden Person dient“, schreibt Kufen.

Die Prüfung könnte durchaus im Sinne der Papes ausgehen, findet die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfe behinderter Menschen in Essen, Angela Ströter. Diene die Hündin doch dem Schutz von Sylvia Pape. Andere Kommunen seien kulanter, so Ströter: „Während man hier schwerbehinderten Personen Hindernisse in den Weg legt“.