Essen-Bergeborbeck. Am 1. Februar feiert Rot-Weiss Essen 115. Geburtstag. Wir suchen nach den Wurzeln des Kultvereins. Welche Rolle dabei der TB Bergeborbeck spielt.

In der Tabelle der Regionalliga West liegen die Fußballer von Rot-Weiss Essen derzeit ganz vorn. Aber auch sonst haben die Fans ordentlich was zu feiern: Am 1. Februar wird RWE offiziell 115 Jahre alt. Grund genug, einmal an die Wurzeln des Vereins zu erinnern. Und dabei spielt auch der Turnerbund Bergeborbeck eine gewichtige Rolle.

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Wer etwas über die Historie des Essener Kultvereins erfahren will, der ist bei Georg Schrepper genau an der richtigen Adresse. Im wahren Leben Studiendirektor für Sport und Geschichte am Don-Bosco-Gymnasium in Borbeck, verfasste der nach eigenen Worten „Fußballverrückte“ nicht nur knapp 150 Beiträge in der RWE-Vereinszeitung „Kurze Fuffzehn“, sondern brachte gemeinsam mit Uwe Wick drei Bücher über den Traditionsverein von der Hafenstraße heraus. Im Jahr 2019 erschien schließlich sein Buch „Rot-Weiss Essen für Klugscheißer“. Wer also sonst sollte Licht ins Dunkel bringen, wenn es um die Anfänge der Kicker aus Bergeborbeck geht.

Den Namen Rot-Weiss Essen gibt es erst seit dem Jahr 1923

Ehrenmitglied Georg Melches

Der Gründer von Rot-Weiss Essen, Georg Melches, war nie Vorsitzender des Vereins. Allerdings ernannte der Vorstand von RWE auf seiner Sitzung am 13. August 1932 Georg Melches und Kassierer August Schmitz zu Ehrenmitgliedern. Der „RWE-Historiker“ Georg Schrepper war von 2009 bis 2011 Lehrbeauftragter für Sportgeschichte an der Sportfakultät der Ruhr-Universität Bochum („Entscheidend ist auf´m Platz“) und war 2009 Kurator einer RWE-Ausstellung in der Alten Cuesterey in Borbeck. Seit 2010 ist er ehrenamtlich als Vereinshistoriker für RWE im Einsatz.

„Wer über RWE redet, der kommt am Verein ,Spiel und Sport 1912 Emscher’ nicht vorbei“, ist Schrepper überzeugt. „Den Namen Rot-Weiss-Essen gibt es erst seit 1923. Deshalb muss man zum rot-weißen Geburtstag auch einmal an den SuS 1912 erinnern dürfen, der als Vorläufer der Kicker aus Bergeborbeck gilt.“

Die Sache ist knifflig, denn bei aller akribischen Recherche lassen sich die Einzelheiten der Gründung von Rot-Weiss Essen heute nicht mehr ganz genau nachvollziehen. Zumindest gibt ein früher Bericht des RWE-Mitbegründers Karl Utzat erste Hinweise. Utzat wohnte in direkter Nachbarschaft von Klublegende Georg Melches und schrieb im Jahr 1925 in den ersten beiden Vereinszeitschriften von Rot-Weiss Essen inhaltsschwere Zeilen „Aus der Urgeschichte des Vogelheimer Fußballs“.

Ein Fußball als Weihnachtsgeschenk brachte die Mannschaft ins Rollen

Georg Schrepper hat als RWE-Historiker schon vier Bücher über den Kultverein von der Hafenstraße geschrieben.
Georg Schrepper hat als RWE-Historiker schon vier Bücher über den Kultverein von der Hafenstraße geschrieben. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Demnach gilt als sicher, dass ein Fußball als Weihnachtsgeschenk im Jahr 1905 oder 1906 die Initialzündung für Melches und dessen Bruder Hermann gab, regelmäßig mit Freunden zu kicken und auch einen richtigen Verein zu gründen. Utzat schreibt: „Der Ball selbst war die Hauptsache, das andere fand sich von selbst: Spieler, mehr als nötig waren, an Platz fehlte es auch nicht. Die ersten Wettkämpfe fanden zwischen Straßen- und Gartentor auf Melches Hof statt. Des Weiteren zwischen Bäumen und Sträuchern der Zehenwiesen.“

Wie Georg Schrepper herausfand, versammelten sich die Kicker nach Utzats Worten in Melches Waschküche, die praktisch als Vereinslokal diente, weil es dort im Winter immer schön mollig warm war. Auch ein Name war schnell gefunden: SV Vogelheim. „Doch das war eine amtlich nicht registrierte, lose Spielgemeinschaft von Jugendlichen um dem damals 14-jährigen Georg Melches“, wie Schrepper sagt. „Erst nach einem kurzen Intermezzo als zweite Mannschaft des Turnerbundes Bergeborbeck gelang im Jahr 1913 endlich die eigenständige Aufnahme in den Westdeutschen Spielverband sowie die Teilnahme am Spielbetrieb in der untersten Klasse.“

Dunkelroter Jersey mit weißer Schärpe und weißer Hose

Die Mannschaft von SuS 12 vor der Borbecker Jugendhalle an der Germaniastraße mit Georg Melches in der oberen Reihe (Bildmitte).
Die Mannschaft von SuS 12 vor der Borbecker Jugendhalle an der Germaniastraße mit Georg Melches in der oberen Reihe (Bildmitte). © Unbekannt | Archiv Georg Schrepper

In den Amtlichen Mitteilungen der Zeitschrift „Fußball und Leichtathletik“ des Westdeutschen Spielverbandes erschien über die Neuaufnahme am 18. September 1913 folgende kurze Mitteilung: Spiel und Sportverein Emscher, Vogelheim, Heinrich Melches, Vogelheim bei Bergeborbeck, Emscherstraße 74, 26 Mitglieder; dunkelroter Jersey mit weißer Schärpe und weißer Hose. „An dieser Adresse stand das Haus der Familie Melches“, sagt Schrepper. „Damit war die Sache dann amtlich.“

Unter dem eingetragenen Vereinsnamen „Spiel- und Sportverein Emscher“ spielten Georg Melches und seine Freunde also nun im lokalen Meisterschaftsspielbetrieb. Erst im Jahr 1920 wechselte man an die heutige Hafenstraße und ließ sich knapp ein Jahr später am 19. Februar 1921 unter leicht verändertem Namen ins Vereinsregister beim Amtsgericht Borbeck eintragen: Der „Spiel und Sport 1912, Essen Bergeborbeck“ war geboren. „Auf den Trikots war allerdings nur SuS 12 zu lesen“, sagt Schrepper.

Viele Spieler vom Turnerbund Bergeborbeck im neuen Team

Wahrscheinlich waren die Auseinandersetzungen zwischen Turnen und Sport um die sogenannte „Reinliche Scheidung“ verantwortlich für die mittelfristige Gründung von Rot-Weiss Essen. Schrepper: „In ganz Deutschland mussten sich die Vereine entscheiden, ob sie beim Deutschen Turnerbund, dem katholischen Sportverband DJK oder im ,bürgerlichen’ DFB am Spielbetrieb teilnehmen wollten.“ In der Folge dessen verließen die spielstärksten Kicker den benachbarten Turnerbund Bergeborbeck, um sich im Frühsommer 1923 dem neuen Verein „Spiel und Sport 1912“ anzuschließen. „Daraus resultierte schließlich der neue Großverein Rot-Weiss Essen, der im Dezember des gleichen Jahres zum ersten Mal unter diesem Namen an Meisterschaftsspielen teilnahm“, so Schrepper weiter.

Damit wäre die Sache dann wohl geklärt, auch wenn Schrepper zu bedenken gibt, dass in späteren Vereinssatzungen von Rot-Weiss Essen das Gründungsdatum lange Zeit im Wechsel am 26. Dezember 1906 beziehungsweise am 1. Februar 1907 angegeben wurde. „Also die beiden Daten, an denen der Ball auf dem Weihnachtsgabentisch im Hause Melches lag oder angeblich zum ersten Mal so richtig zum Einsatz kam“, wie Schrepper augenzwinkernd sagt. Wichtig sei aber: „Am Ende steht der RWE“.