Essen. . Der Name Georg Melches ist aufs engste verbunden mit Rot-Weiss Essen. In der Stadt erinnert jedoch nur wenig an den Gründervater des Vereins.

  • Vor 110 Jahren gründete Georg Melches Rot-Weiss Essen.Alles begann mit einem Weihnachtsgeschenk
  • Georg Melches ist Spieler, wird Mäzen und Meister-Macher. Seiner Zeit ist er im Fußball voraus
  • Seit dem Abriss des Georg-Melches-Stadions erinnert wenig an Melches. Historiker gibt Denkanstoß

Am 1. Februar des Jahres 1907 ereignete sich in Vogelheim Historisches: Zwei Jungs treten zum ersten Mal vor ihren neuen Fußball! Was sonst allenfalls eine Notiz im Familienalbum wert wäre, ist die Geburtsstunde von Rot-Weiss Essen. So hat es Georg Melches (1893 - 1963) kolportiert, weiß Uwe Wick, Historiker und Autor diverser Publikationen über die Geschichte von Rot-Weiss Essen.

Georg Melches, legendärer Gründer von RWE, war einer der Jungs, sein jüngerer Bruder Hermann der andere. Das vermeintliche Gründungsdatum war willkürlich gewählt.

Seit 1923 trägt der Club den Namen RWE

Den Fußball hatte die Melches am 26. Dezember 1906 bekommen: ein Weihnachtsgeschenk. Streng genommen wäre das der Anfang, müsste die Vereinsgeschichte umgeschrieben werden, meint Uwe Wick mit einem Schmunzeln auf den Lippen.

RWE ging freilich erst aus diversen Fusionen kleinerer Vereine hervor, darunter der von Melches gegründete SV Vogelheim. Erst 1923 trägt der Club den Namen RWE.

Welling: Rot-Weiss Essen ist ohne Melches nicht vorstellbar

110 Jahre alt ist Rot-Weiss Essen am 1. Februar. Bis heute ist der Verein aufs engste verbunden mit seinem Gründer. „RWE ist ohne Georg Melches nicht vorstellbar“, betont Michael Welling, der dem Club seit 2010 vorsteht.

Melches war Spieler, Förder und Vaterfigur. Aus einer Clique sportbegeisterter Jugendlicher, die sich in der Waschküche des elterlichen Hauses traf, formte er in den 1950er Jahren einen Verein, dessen Ruf bis nach Südamerika reichen sollte.

Melches vermittelte den Spieler ein „Zubrot“

Als Vorstand eines Industrieunternehmens, der Firma Didier-Kogag-Hinselmann nutzte Melches seine wirtschaftlichen Kontakte. Spieler, die laut Verbandsstatuten nicht mehr verdienen durften als 320 D-Mark im Monat – für damalige Verhältnisse sehr viel Geld – lockte er nach Essen, indem er ihnen ein „Zubrot“ vermittelte: eine Arbeitsstelle in der Firma oder die Übernahme einer Lotto-Annahmestelle.

Überliefert, so Uwe Wick, ist der Satz von „Boss“ Helmut Rahn, den Melches 1951 für die sagenhafte Summe von 7000 D-Mark von den Sportfreunden Katernberg an die Hafenstraße lockte, und den er als Chauffeur beschäftigte: „Drei Räder drehen sich für die Firma, eins für Rot-Weiss Essen.“

RWE setzte Standards im modernen Fußball

Melches professionalisierte den Fußball. Und er baute an der Hafenstraße ein Stadion, wie es bis dahin in diesem Land kein zweites gab: Ein deutsches Highbury, wie es in Anlehnung an die berühmte Spielstätte des FC Arsenal hieß, mit einer überdachten Haupttribüne ohne Säulen, die das Blickfeld störten.

1956, ein Jahr nach der feierlichen Eröffnung, wurde an der Hafenstraße Deutschlands erste Flutlichtanlage eingeweiht. RWE setzte Standards im modernen Fußball. Dass sich der Verein damit wirtschaftlich übernahm, wie Wick zu berichten weiß, und wohl auch deshalb die Qualifikation für die Fußball-Bundesliga verpasste, deren Gründung Georg Melches mit angestoßen hatte, wirft einen Schatten auf dessen Erfolgsgeschichte. Im selben Jahr, 1963, starb Melches überraschend während eines Kuraufenthalts.

Melches war seiner Zeit voraus

Heute dümpelt der Club von der Hafenstraße, den Melches 1955, zur deutschen Meisterschaft geführt hatte, in den Niederungen der Regionalliga. „Melches würde sich im Grabe rumdrehen“, zitiert Uwe Wick einen Kommentar, des ehemaligen WAZ-Sportchefs Hans-Josef Justen aus den 1980er Jahren. Der Niedergang von RWE hatte da längst begonnen.

„Seiner Zeit war Georg Melches voraus“, sagt Michael Welling. Wer einen Vergleich ziehen will zum aktuellen Fußball, dem mag Dietmar Hopp einfallen, Mäzen der TSG 1899 Hoffenheim, dessen Wirken gerade von traditionsbewussten Fans sehr kritisch gesehen wird.

Michael Welling sieht eher Parallelen zum Präsidenten des FC Bayern München, Uli Hoeneß. Dessen Ruf hat durch die Steuer-Affäre arg gelitten. Doch zweifellos hat Hoeneß seinen Verein als Spieler und Funktionär zu dem gemacht, was er ist.

Eine Straße nach Melches benennen?

Das Gedenken an Georg Melches wird in Essen von Fans und Verein hochgehalten. Erstaunlich aber: Seit dem Abriss des Georg-Melches-Stadions erinnert kaum noch etwas an den Gründer.

Das Fanprojekt trifft sich in der „Melches-Hütte“, im Foyer des „Stadion Essen“, dessen Name die Stadt bewusst neutral gehalten hat, steht eine Melches-Büste. Immerhin konnte eine Fan-Initiative den alten Schriftzug „Georg-Melches-Stadion“ retten. Die Buchstaben wurden an der Zufahrt angebracht – ganz in der Nähe, aber weit genug entfernt. Das Verhältnis zwischen Stadt und Verein ist bis heute kein einfaches.

„Eine andere Würdigung Melches’ wäre wunderbar“, sagt Michael Welling, fügt aber diplomatisch hinzu. „Das muss die Stadtgesellschaft entscheiden.“

Historiker Uwe Wick hätte eine Idee: „Es wäre schön, wenn die Stadt eine Straße nach Melches benennen würde.“ Einen Gedanken wäre es wert.

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