Essen. Bei der Essener Volksbühne steht „Kunst“ auf dem Spielplan. Die Erfolgs-Komödie erweist sich als guter Griff – und ist nun stadtweit zu sehen.
Was ist „Kunst“? In der Diskussion darüber geraten die drei Charaktere der französischen Komödie von Autorin Yasmina Reza in einen temperamentvollen Streit. In der Textvorlage „Art“, 1994 in Paris uraufgeführt, gibt es drei männliche Hauptrollen. Bei der Inszenierung der Essener Volksbühnespielen zwei Frauen und ein Mann die intelligente Satire.
Rollentausch in Essen: „Kunst“ wird hier nicht nur von Männern gespielt
Der Pariser Dermatologe Serge (Thomas Grömling) liebt die Bildende Kunst. Für viel Geld gönnt er sich ein Ölgemälde des fiktiven Malers Antrios: ein weißes Bild mit weißen Streifen. Das hängt unsichtbar zwischen Bühne und Zuschauerraum. Der Kunstliebhaber präsentiert es voll Stolz den besten Freundinnen Yasmin (Gisa Nachtwey) und Yvonne (Claudia Granath). Und die staunen nicht schlecht. Sie schauen und rätseln mit ausdrucksstarker Mimik, als sie das Bild nacheinander betrachten. Verdiente, erste Lacher für die Darsteller im Theater Freudenhaus.
Chapeau: Wie bemüht die rationale Ingenieurin Yasmin auf 1,20 mal 1,60 Metern fiktiver Fläche nach Farbnuancen sucht. Ihr Kommentar zum Weiß in Weiß ist vernichtend direkt: Das Bild sei wörtlich „eine Scheiße“. Wie konnte Serge das nur kaufen? Die stets vermittelnde Yvonne stuft das Gemälde einen Deut höher ein – als „eine Scheiße mit einem Gedanken dahinter“. „Sinnfällig“ und „magnetisch“ erklärt hingegen der kunstbegeisterte Serge, wirke das Kunstwerk auf ihn. Es löse eine „Vibration“ aus.
Essener Volksbühne sorgt für amüsante Spitzen und Gemeinheiten
Auch bei weiteren Treffen finden die drei keinen gemeinsamen Nenner. Dazu sind die Charaktere einfach zu verschieden. Schon mit den Kostümen werden die unterschiedlichen Typen klar differenziert: Yasmin erscheint in elegantem Weiß, avantgardistisch-schwarz kommt natürlich Kunstfreund Serge daher. Und immer dazwischen steht im Einheitsgrau Yvonne. Der Konflikt um die Kunst will nicht abreißen. Er provoziert turbulente Wortgefechte, die von den Zuschauern mit viel Amüsement honoriert werden.
Feiner, ironischer Humor zeichnet die in 40 Sprachen übersetzte Satire aus. Das Stück stellt in seiner Diskussion über scheinbar absurde Kunst das Leben der drei Figuren infrage. Sie werfen sich im Verlauf der Handlung vieles vor. Dinge, die sie schon lange dachten, aber nie zu sagen wagten. Die von Thomas Grömling und Geli Stückradt inszenierte Produktion der Essener Volksbühne bringt den Disput über Gefühle, Karriere, Partner, Träume und die Freundschaft überzeugend auf die Bühne, mit amüsanten Spitzen und Gemeinheiten.
Ein Akkordeonspieler trennt die Szenen mit französischen Chanson-Klängen
Höhepunkt nach der Pause: Yasmin wird auch noch handgreiflich. Yvonne gerät zwischen die Fronten und kriegt einen Schlag aufs Ohr ab. Ein Jammer zum Vergnügen des Publikums. Vier Stühle auf einer schwarzen Bühne bilden den Rahmen der Aufführung. Auf einem Stuhl sitzt Christian Sprock am Akkordeon. Gekonnt trennt er die Szenen mit französischen Chanson-Klängen.
Mehr Infos zum Stück
Weitere Aufführungen von „Kunst“ gibt es nach aktuellem Stand und entsprechend der jeweils gültigen Corona-Schutzverordnung im Rüttenscheider Katakomben-Theater (28./30. Januar und 25. Februar), im Steeler Theater Freudenhaus (29. Januar), im Alten Bahnhof in Kettwig (20. Februar) und im Kleinen Theater am Gänsemarkt, 13. März.
Karten und weitere Informationen: www.essener-volksbühne.de
Alles in allem ein guter Griff: Leicht und flüssig gespielt von den Theateramateuren, die das „Kunst“-Stück gleich doppelt besetzt haben. Neben Gisa Nachtwey, Claudia Granath und Thomas Grömling sind alternierend auch Johanna Fuchs, Geli Stückradt und Klaus Kuli zu sehen.