Essen. Maximilian Freiherr von Fürstenberg ist Herr über Schloss Hugenpoet in Essen und westfälischer Uradel. Einblicke ins Schloss zu Weihnachten.

Von der eigenen Familiengeschichte umgeben zu sein, ist für Maximilian Freiherr von Fürstenberg Alltag. Großvater Maximilian Reichsfreiherr von Fürstenberg schaut dem Enkel bei der Arbeit heute ebenso über die Schulter wie die Urahnen Friedrich Leopold und sein Sohn Clemens. Dem Antlitz der Ahnen praktisch auf Schritt und Tritt zu begegnen, gehört eben dazu, wenn man ein Haus mit Geschichte führt wie das Kettwiger Schlosshotel Hugenpoet. Doch die noble Herberge, seit 1955 als Hotel geführt und bereits seit 1831 im Familienbesitz, ist nur ein Kapitel der langen Familien-Historie. Für die Ausstellung über den „Adel an Rhein und Ruhr“ im Ruhr Museum hat Maximilian Freiherr von Fürstenberg nun die Schränke weit geöffnet und zahllose Exponate aus dem privaten Besitz beigesteuert.

Mit dem Freiherrn aus Kettwig haben zahlreiche Adelsgeschlechter der Region ihre eigene Geschichte erstmals in die Museums-Vitrine gestellt. Dabei zählt für den 49-Jährige mit der Vorliebe für Astrophysik, Hüte und farbige Socken beileibe nicht nur das Gestern. Genau deshalb habe er bei einem Ausstellungsprojekt mitgemacht, das eben nicht nur in der nostalgischen Erzählung von Burgen und scheppernden Ritterrüstungen schwelge, sondern sich auch mit der Erforschung und Entwicklung des Adelsstand beschäftige, erklärt der Baron beim vorweihnachtlichen Gespräch auf Schloss Hugenpoet.

Malerei aus dem Archiv von Schloss Hugenpoet: Das nicht signierte Gemälde „Küchenstillleben mit Hummer und Jagdwild“ könnte von dem  flämischen Stilllebenmaler und Brueghelschüler Frans Synders stammen. Es präsentiert die Opulenz der adeligen Küche und die Exklusivität der teilweise exotischen Speisen.
Malerei aus dem Archiv von Schloss Hugenpoet: Das nicht signierte Gemälde „Küchenstillleben mit Hummer und Jagdwild“ könnte von dem flämischen Stilllebenmaler und Brueghelschüler Frans Synders stammen. Es präsentiert die Opulenz der adeligen Küche und die Exklusivität der teilweise exotischen Speisen. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Maximilian Freiherr von Fürstenberg hat sich intensiv mit der Familienhistorie beschäftigt. Die Geschichte von einer der weitest verzweigten Adelsfamilien Europas geht schließlich bis ins späte 13. Jahrhundert zurück, als auch an Rhein und Ruhr noch etliche unzerstörte Burgzinnen in die Landschaft ragten und keine Fördertürme. 1295 wird das westfälische Adelsgeschlecht erstmals erwähnt. Die Familie stellte Fürstbischöfe und Äbtissinnen, manche Ahnen bekleidete führende Ministerstellen, andere waren Diplomaten oder Domprobst, einige zogen in den Heiligen Krieg, andere förderten die Künste und Bildung, waren selber als Maler und Kupferstecher aktiv oder engagierten sich in der Orchideenzucht – wie der Großvater Maximilian, dem der junge Nachfahre schon zu Schulzeiten nacheifert und das Internats- in ein Tropenzimmer umfunktioniert.

Zur Hochzeit in Essen-Kettwig kommt das Who is Who des deutschen Adels

Nach ausschweifendem Jet Set-Leben klingt das nicht. Immerhin: die Hochzeit des Freiherrn von Fürstenberg mit Stephanie Gräfin Adelmann von Adelmannsfelden sorgt 2002 in Kettwig für gesellschaftlichen Glanz. Zum Who is Who des deutschen Adels gesellt sich damals die Wirtschaftselite. 400 Gäste feiern mit Kutsche, Frack und Zylinder auf Schloss Hugenpoet die Liebeshochzeit des adeligen Paares, das die ersten gemeinsamen Jahre sehr bodenständig in einer Bonner Studentenbude verbringt.

Die Uniform eines Malteserritters stammt ebenfalls aus dem Hugenpoet-Archiv. Der schlicht gehaltene Uniformrock gehörte Friedrich Leopold Freiherr von Fürstenberg (1828-1901). Nur wer 16 adelige Vorfahren aufweisen konnte, wurde im 19. Jahrhundert in den Orden aufgenommen.
Die Uniform eines Malteserritters stammt ebenfalls aus dem Hugenpoet-Archiv. Der schlicht gehaltene Uniformrock gehörte Friedrich Leopold Freiherr von Fürstenberg (1828-1901). Nur wer 16 adelige Vorfahren aufweisen konnte, wurde im 19. Jahrhundert in den Orden aufgenommen. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Dass der Stammhalter der Familie damals nicht standesgemäß Betriebs- oder Forstwirtschaft studiert, sondern sich für Archäologie, Geschichte und Pflanzen interessiert, ist eine Rebellion, die es nicht auf die Titelseiten der bunten Blätter schafft, aber für das steht, was Maximilian Freiherr von Fürstenberg darunter versteht, „sich der Zeit anzupassen“. Der Unternehmer und fünffache Familienvater verschanzt sich nicht hinter hohen Mauern und steifer Etikette, sondern erzählt gerne davon, was so ein Leben mit Titel heute bedeutet. Adel, sagt der Baron, „das ist kein Stand mehr, sondern eine Einstellung“.

Bei den von Fürstenbergs verbindet sie Weltoffenheit mit einer zeitgemäßen Form von Traditionsbewusstsein. Tradition, das bedeute eben nicht, das Bewahren der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers, bemüht Maximilian Freiherr von Fürstenberg ein bekanntes Zitat. Passend knistert es dazu behaglich in den mächtigen, kunstvoll ausgestalteten Bildkaminen der Renaissance, die einst die Gemächer im Gelsenkirchener Schloss Horst wärmten, das neben Schloss Borbeck und dem 1831 erworbenen Hugenpoet lange Zeit zu den drei Besitztümern der Familienlinie gehörte. Als „steinerne Schätze“ kamen die kostbaren Kamine aus dem baufälligen Schloss Horst irgendwann nach Kettwig.

„Den Standort mit Tradition darf man nicht untergehen lassen“

Beheizt wird das Hugenpoet mittlerweile freilich mit Wärme aus der Biogas-Anlage eines benachbarten Kettwiger Landwirts. Nur eine der vielen großen Investitionen, mit denen der Baron das Familienanwesen in den vergangenen Jahren zukunftsfit gemacht hat. Nicht nur, weil es den übertragenen Besitz zu bewahren gilt, um ihn irgendwann an die nächste Generation weitergeben zu können. Hugenpoet soll als Denkmal auch weiter für die Öffentlichkeit zugänglich sein, hat der Baron beschlossen und deshalb 2014 den Betrieb des Schlosshotels übernommen, als der frühere Hotel-Pächter aufgab. „Diesen Standort mit Tradition darf man nicht untergehen lassen.“

Die mächtigen Bildkamine standen einst im Schloss Horst. Drei von ihnen wurden nach Hugenpoet überführt. Sie bilden unter anderem die Schlacht um Troja ab, zeigen den Kampf von Kain und Abel und widmen sich der Katastrophe von Sodom und Gomorra.
Die mächtigen Bildkamine standen einst im Schloss Horst. Drei von ihnen wurden nach Hugenpoet überführt. Sie bilden unter anderem die Schlacht um Troja ab, zeigen den Kampf von Kain und Abel und widmen sich der Katastrophe von Sodom und Gomorra. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Eigentum verpflichtet. Für den dynamischen Freiherrn von Fürstenberg ist das kein Satz von gestern, den man doch längst an steigende Aktienkurse und maximale Rendite verraten hat. Tradition zu bewahren und wirtschaftlich zu denken ist für den 49-Jährigen kein Gegensatz, sondern Notwendigkeit, um die seit Generationen bewirtschafteten Wälder, die rund 70 Mitarbeiter und das zur Luxusherberge mit angeschlossenem Gourmettempel aufgestiegene Hugenpoet zu sichern.

„Wir denken auch wieder daran, Sterneküche zu haben. So ein Haus ruft danach“

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie mit sinkenden Übernachtungszahlen und zeitweise geschlossener Gastronomie haben dabei auch dem Spross des westfälischen Uradels finanziell zugesetzt. Und nicht zuletzt soll der Weggang von Sterneköchin Erika Bergheim kompensiert werden. „Wir denken langfristig auch wieder daran, Sterneküche zu haben. So ein Haus ruft danach, ich kann nur nicht sagen, wann“, erklärt der Freiherr von Fürstenberg.

Das Weihnachtsessen der Familie am 2. Feiertag jedenfalls findet nicht mehr im Roten Salon statt, umgeben von den Bildern der Urahnen, so wie Großvater Maximilian es noch liebte. Wohnsitz ist das Kettwiger Schloss schließlich schon lange nicht mehr. Vater Adolf war der letzte Ahne, der hier noch geboren wurde. Heute leben die von Fürstenbergs in der Familienvilla in Düsseldorf-Angermund, wo die fünf Kinder mit Hunden, Hühnern und Kaninchen groß werden. Aber auch mit den Werten und den Verpflichtungen der eigenen Geschichte: „Nur wer die Tradition lebt, kann sie auch verändern.“