Essen. Seit Corona haben Open-Air Bühnen Konjunktur. Das „Kunstbaden“ im Grugabad Essen war ein Vorreiter. Warum die Reihe trotzdem auf der Kippe stand.
Selten hat Imagepflege so gut geklungen, so facettenreich ausgesehen und so viel Beifall bekommen: Als die Reihe „Kunstbaden“ 2018 aus der Taufe gehoben wurde, da war der Veranstaltungsreigen vor allem dafür gedacht, die öffentliche Wahrnehmung des Essener Grugabades wieder aufzupolieren. Es hatte Pöbeleien und Anmache gegeben, und überhaupt war das mittlerweile denkmalgeschützte Freibad in keinem guten Zustand.
Um wieder ein breiteres Publikum für Essens größte Badelandschaft zu interessieren, startete die Stadt Essen in Zusammenarbeit mit dem Kulturamt sowie den Sport und Bäderbetrieben Essen die Kunstbaden-Reihe. Nach vier Jahren steht das ungezwungene Kulturerlebnis am Beckenrand nun theoretisch vor dem Aus. Die städtische Förderung wird nicht verlängert – doch die künstlerische Leiterin Jelena Ivanovic will das einzigartige Format zur Not auch auf eigenes finanzielles Risiko weiterführen. Eine großangelegte Crowdfunding-Aktion soll helfen und Sponsorengelder akquirieren.
Besonderer Mix aus Konzert, Lesung, Tanz, Theater und Wasser-Oper
15.000 Euro standen zuletzt jährlich zur Verfügung, weitere 5000 Euro hat bislang die Sparkasse dazugegeben. Die Förderung war zunächst auf drei Jahre festgelegt, und wurde 2021 noch einmal verlängert. 2022 aber gibt’s kein Geld mehr aus dem städtischen Etat. Für viele Fans der Bade-Bühne mit dem besonderen Sommerfeeling ist das eine Enttäuschung. Mehr noch für die künstlerische Leiterin Jelena Ivanovic, die den kreativen Mix aus Konzert, Lesung, Tanz, Theater und Wasser-Oper zur Marke gemacht hatte.
Und selbst in Teilen der Essener Kulturpolitik ist man über die Situation nicht sonderlich glücklich. „Ich weiß, dass es ein großes Interesse an der Fortsetzung gibt“, sagt beispielsweise Grünen-Politikerin Tabea Buddeberg: „Kunstbaden“ sei ein tolles Projekt. Eines, das sich vor allem in den vergangenen zwei Corona-Sommern als Spielort unter freiem Himmel bewährt habe, sagt auch Heike Kretschmer von den Linken. Einen neuen Spielort zu etablieren und dann, kaum erprobt, schon wieder aufzugeben, hält Kretschmer schon angesichts der weiterhin unsicheren Corona-Lage für wenig zielführend. Sie hätte nichts gegen eine Weiterführung gehabt: „Warum soll das, was wir über vier Jahre richtig fanden und unterstützt haben, jetzt nicht mehr richtig sein?“
Man habe die Aufgabe „innovativ zu sein und neue Formate zu entwickeln und zu fördern“, entgegnet Kulturdezernent Muchtar Al Ghusain. Angesicht begrenzter Ressourcen könnten einzelne Projekte nur eine Initialzündung gegeben werden und das Kulturamt nicht dauerhaft als Veranstalter auftreten. Den Programmmachern stehe es ja frei, das „Kunstbaden“ als Eigenveranstaltung weiterlaufen zu lassen. Auch eine „stärkere Initiative aus dem Grugabad“ kann sich Al Ghusain vorstellen.
Dort steht man einer „Kunstbaden“-Weiterführung grundsätzlich positiv gegenüber. Die zwischen 900 und 1200 Gäste, die jährlich zu den Veranstaltungen gekommen sind, hätten die Besucher-Bilanz des Grugabades zwar nicht merklich nach oben getrieben: „Wir freuen uns aber über jede Art von positiver Publicity“, sagt Kurt Uhlendahl, Chef der Essener Sport- und Bäderbetriebe.
Wir freuen uns über jede Art von positiver Publicity“
Positive Publicity, die braucht die „Kunstbaden“-Reihe nun aber selber. Um etwaige Geldgeber zu ermuntern, hat Grünen-Ratsfrau Buddeberg im Kulturausschuss zuletzt sogar für einen „Letter of Intent“ geworben, gewissermaßen als Empfehlungsschreiben für das Projekt und auch für die künstlerische Leiterin Jelena Ivanovic, deren Arbeit in Teilen der Kulturpolitik viel Zuspruch findet. Man schätze das vielfältige Engagement der Kulturmanagerin, „weil sie nicht nur unglaublich viel auf die Beine stellt, sondern dabei auch viel für andere Künstler tut“, sagt Grünen-Politikerin Buddeberg.
Auch die Neuentdeckung der Borbecker Dubois-Arena als Open-Air-Bühne habe Ivanovic im vergangenen Jahr mit ihrem „Mach ma Sommer“-Festival angestoßen. Für das Projekt gibt es bislang ebenfalls keine finanzielle Perspektive. Die Debatte dürfte aber weitergehen, ob und wie man neben den institutionell geförderten Häusern künftig auch die Bespielung solcher Sommerbühnen möglich machen kann, wenn Corona-Sonderhilfen wie jüngst von der Kulturstiftung des Bundes nicht mehr fließen.
Infos zum Crowdfunding
Wer die „Kunstbaden“-Reihe unterstützen möchte, bekommt bei der Crowdfunding-Aktion für sein Geld einen Gegenwert.
Im Angebot sind Picknick- oder Weihnachtspakete, mit denen man sich schon Tickets für die „Kunstbaden“-Saison 2022 sichert und dazu noch Leckereien für den Konzert-Abend oder adventliche Konditoren-Boxen bestellt. Ebenfalls im Angebot: das „Kunstbaden“-Plakat – auch von den Künstlern signiert. Infos auf: www.jelena-ivanovic.com/kunstbaden-crowdfunding